Dienstagnachmittag (14.2.) war öffentlich geworden, dass es im Fall Mouhamed D. Anklagen gegen fünf Polizeibeamten gibt. Am Mittwoch bestätigte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert das auch offiziell und nannte Details zu den angeklagten Polizisten.
Der Polizeibeamte, der die tödlichen Schüsse auf den mit einem Messer bewaffneten Jugendlichen abgegeben hatte und sich wegen Totschlags vor Gericht verantworten muss, ist demnach 29 Jahre alt. Wegen gefährlicher Körperverletzung sind zwei Polizistinnen im Alter von 28 und 31 Jahren und ein Beamter im Alter von 32 Jahren angeklagt.
Sie hatten Pfefferspray und Taser gegen Mouhamed D. eingesetzt. Der 54-jährige Einsatzleiter muss sich wegen der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung verantworten.
Vier Polizisten bleiben im Dienst
Ein Kriterium für eine gefährliche Körperverletzung ist unter anderem der Einsatz „einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Gegenstands“ – in diesem Fall Pfefferspray und Taser. Im Raum steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Für die Anstiftung zu einer solchen Körperverletzung kann der dafür angeklagte Einsatzleiter gleichermaßen bestraft werden. Für Totschlag sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen ist auch eine lebenslange Freiheitsstrafe möglich.
Innerhalb der Polizei hat die Anklageerhebung vorerst keine weiteren Konsequenzen für die Polizisten. Wie die Dortmunder Polizei am Mittwoch mitteilt, bleibt der Beamte, der die Schüsse abgegeben hatte, weiterhin suspendiert. Die vier anderen Polizisten bleiben weiterhin im Dienst. Sie sind nach den Einsatz in andere Bereiche versetzt worden.
„Positiv überrascht“
„Ich bin positiv überrascht, dass der Schütze wegen Totschlags angeklagt wurde“, sagt Lisa Grüter. Sie vertritt als Anwältin die Familie des getöteten 16-jährigen Mouhamed D. „Damit war nicht zu rechnen, da zuletzt auch noch die Straftatbestände der fahrlässigen Tötung oder der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge im Raum standen.“
Die Familie von Mouhamed sei froh gewesen, als sie die Nachricht erhalten hatte, dass Anklage erhoben werde, sagt die Anwältin.

Auch den Kriminologen Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt hat die Anklageerhebung überrascht: „Eine Anklage von Polizeibeamten durch die Staatsanwaltschaft ist durchaus ungewöhnlich. Von allen Verdachtsfällen unrechtmäßigen polizeilichen Handelns - das sind etwa 2000 im Jahr - kommen nur etwa 2 Prozent zur Anklage.“ Es hätte ihn nicht überrascht, wenn der Fall eingestellt worden wäre, sagt der Kriminologe.
„Es ist unser ureigenes Interesse, dass der Tod dieses jungen Mannes – und damit auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen in diesem Einsatz - lückenlos aufgeklärt wird“, wird Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange in einer Pressemitteilung der Polizei zitiert. „Bis zum Ausgang dieses Gerichtsverfahrens gilt auch bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Unschuldsvermutung.“
Angeklagte seien erschüttert
„Es ist richtig, dass der Fall nicht eingestellt worden ist und nun ein Richter über Schuld und Unschuld im juristischen Sinne entscheidet“, sagt der Hamburger Polizeiforscher Raphael Behr, der auch die Situation des wegen Totschlags angeklagten Polizisten bedenkt.
Auch für den Schützen sei der Fall tragisch, sagt Behr. „Der arme Kerl ist ja nicht mit Vorsatz in den Einsatz gegangen. Er hat sich bestimmt morgens beim Zähneputzen nicht vorstellen können, dass er abends zurückkommt und einen Menschen erschossen hat.“

Michael Emde, Anwalt des beschuldigten Einsatzleiters, möchte zu der Anklage inhaltlich keine Stellung nehmen. Nur so viel: „Verschiedene Aspekte in der Anklage halte ich für unzutreffend.“
Sein Mandant und einer der Taser-Schützen, der von einem Kollegen aus der Kanzlei vertreten wird, seien erschüttert über die Anklage. „Sie wollten einen jungen Mann vorm Selbstmord bewahren.“
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