Evelyn Schwarz (2. v. r.) inmitten ihrer Mitarbeiterinnen. „Die Dolls haben mich gerettet“, sagt die 33-Jährige über die Zeit, in der Prostitution wegen des Coronavirus verboten ist.

© Michael Schuh

Käuflicher Sex trotz Corona: Dortmunder Sexpuppen-Bordell hat viel Zulauf

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Während andere Etablissements geschlossen bleiben, ist käuflicher Sex mit den Damen aus Kunststoff wieder erlaubt. Davon machen die Dortmunder zu Corona-Zeiten regen Gebrauch - natürlich mit Hygiene-Regeln.

Dortmund

, 16.08.2020, 17:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Luvia spricht den Kunden an, der schlanke Frauen bevorzugt, Erina hingegen ist bei Herren gefragt, die es oben herum deutlich üppiger mögen.

Momentan haben Luvia, Erina und ihre Kolleginnen, die allesamt im horizontalen Gewerbe tätig sind, jede Menge zu tun – obwohl Prostitution in Nordrhein-Westfalen aufgrund des Coronavirus streng verboten ist.

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Doch das gilt nicht für die 15 Sexarbeiterinnen im Schürener Freudenhaus BorDoll, denn die dortigen Damen sind nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Kunststoff. Kurz gesagt: käufliche Sexpuppen.

Die Chefin stand vor einem Scherbenhaufen

Als das Land NRW am 16. März wegen Covid-19 ein Prostitutionsverbot aussprach, stand Evelyn Schwarz vor einem Scherbenhaufen.

Die 33-Jährige, die 2014 das Puppen-Bordell auf einem Aplerbecker Industriegelände ins Leben rief und seit 2017 ihr Geld vor allem mit Dolls, also mit Puppen, verdient, hatte ein gewaltiges Problem: Die hohen Fixkosten für ihr 300 Quadratmeter großes Etablissement liefen weiter, doch es kam kein müder Euro mehr rein.

Es gibt auch Zimmer, in denen Fesselspiele mit den Dolls möglich sind. Erlaubt ist, was gefällt.

Es gibt auch Zimmer, in denen Fesselspiele mit den Dolls möglich sind. Erlaubt ist, was gefällt. © Michael Schuh

Aber Schwarz, die im BorDoll in normalen Zeiten selbst Hand anlegt und ihre Dienste als Prostituierte und Domina anbietet, gab sich nicht geschlagen. Eines war klar: Um einen drohenden Ruin abzuwenden, musste zumindest das Geschäft mit den Sex-Dolls weiterlaufen.

Als auch das zunächst nicht genehmigt wurde, sei ihr schließlich der Kragen geplatzt, erzählt die 33-Jährige: „Da habe ich mich drei Nächte lang hingesetzt und ein ausführliches Konzept für mein Geschäft erstellt.“

Prostitution gibt es laut Gesetz nur zwischen Menschen

Beim Erarbeiten der nötigen Hygienemaßnahmen sei sie im Prostitutionsgesetz auf einen interessanten Passus gestoßen, fährt Schwarz fort: „Da steht, dass Prostitution zwischen Menschen stattfindet.“

Nun mögen Luvia, Erina, Roxy oder Shirine einer echten Frau ziemlich ähnlich sehen, doch trotz aller Leidenschaft vieler Kunden bleiben sie letztlich Gegenstände aus dem Kunststoff Thermoplastische Elastomere (TPE). Und fallen somit, so dachte sich Evelyn Schwarz, auch nicht unter das Prostitutionsgesetz.

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Diese Argumentation leuchtete offenbar auch den Behörden ein, denn seit dem 30. Mai sind Freier im BorDoll wieder erlaubt und willkommen.

Zwar darf Evelyn Schwarz selbst ihre Dienste noch nicht anbieten, aber zumindest die Puppen können wieder mit einem Mann in eines der sieben Zimmer gehen – oder besser gesagt: dorthin getragen werden.

Die Stammkunden scharrten bereits mit den Hufen

Und von dieser Möglichkeit machten die Besucher derzeit regen Gebrauch, erzählt die Chefin: „Die Stammkunden scharrten vor der Wiedereröffnung bereits mit den Hufen.“ Aber nicht nur das – es seien sogar einige Gäste mehr als vor der Zwangsschließung: „Denn alle anderen Läden haben ja zu.“

Zum Großteil handele es sich bei den Gästen um Männer, dann und wann erschienen aber auch Pärchen, die sich aus Platzgründen meist in der größeren White Suite gemeinsam mit Sue, Giovanna oder Nikky vergnügten. Zweimal seien auch einzelne Frauen gekommen, die jeweils eine weibliche Doll auswählten.

Keine Frage - die Puppen sehen realen Menschen ziemlich ähnlich. In nicht allzu ferner Zukunft wird man sie vielleicht kaum noch voneinander unterscheiden können.

Keine Frage - die Puppen sehen realen Menschen ziemlich ähnlich. In nicht allzu ferner Zukunft wird man sie vielleicht kaum noch voneinander unterscheiden können. © Michael Schuh

„Anfangs besaßen wir auch eine männliche Puppe“, sagt die 33-Jährige, „aber die haben wir aus dem Programm genommen.“ An Kunststoff-Herren besteht kaum Interesse.

Beim ersten Besuch im BorDoll spiele oft die Neugier eine große Rolle, sagt Schwarz, „aber es gibt auch zahlreiche Ehemänner, die ihre Frau nicht betrügen wollen und den Sex mit einer Doll nicht als Fremdgehen empfinden.“

Einmal habe eine Ehefrau ihren Mann sogar hergefahren und vor der Tür im Auto gewartet, bis der Gatte fertig war.

Eine Stunde kostet 50 Euro, ein ganzer Tag 650 Euro

Eine halbe Stunde mit einer Puppe auf dem Zimmer, wo aus Gründen der Stimulation ein Pornofilm läuft, kostet 50 Euro, bei einer Stunde ist man mit 80 Euro dabei.

Wer gar zwölf Stunden mit der Doll verbringen möchte, muss 650 Euro zahlen. Und ja, auch das gibt es, weiß Evelyn Schwarz: „Wir haben einen Gast, der alle drei bis vier Monate vorbeischaut und den ganzen Tag mit der Doll verbringt. Der kommt dann nur mal aus dem Zimmer, um zu duschen, einen Kaffee zu trinken oder ein Schwätzchen zu halten.“

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Bevor es zum Äußersten kommt, gelten momentan aber strenge Hygieneregeln: Vor dem Betreten des Etablissements müssen sich Besucher die Hände desinfizieren und in eine Liste eintragen, im BorDoll sind ein Mund-Nasen-Schutz und ausreichend Abstand zu anderen Menschen vorgeschrieben.

Diese Regeln entfallen logischerweise, sobald der Kunde seine Herzdame erwählt hat und sich mit ihr in trauter Zweisamkeit hinter verschlossenen Türen befindet. Doch selbst dort gibt es eine Neuerung.

Momentan gilt Kondom-Pflicht beim Sex mit der Doll

Beim Sex mit der Doll gilt momentan nämlich Kondom-Pflicht. Gummi auf Gummi sozusagen. Außerdem, so die Auflagen, ist eine konsequente Reinigung und Desinfizierung der Puppen vorgeschrieben, sobald sich der Freier verabschiedet hat.

Doch das ist für Schwarz, die – ganz klassisch – eine ältere Hausdame beschäftigt, ohnehin nichts Neues.

Wie in jedem normalen Geschäft gelten auch im Bordoll zu Corona-Zeiten strenge Hygieneregeln.

Wie in jedem normalen Geschäft gelten auch im Bordoll zu Corona-Zeiten strenge Hygieneregeln. © Michael Schuh

„Bei uns werden die Dolls seit jeher nach jedem Einsatz gründlich geduscht und komplett desinfiziert“, sagt die 33-Jährige. „Besonders wichtig ist, dass die Körperöffnungen extrem sauber und trocken sind, denn dort können sich sonst Keime bilden.“

Puppe Marcella kann auf Wunsch sogar stöhnen

Anschließend werden die Puppen wieder leicht bekleidet auf ein Sofa gesetzt, wo sie ohne Murren auf den nächsten Freier warten. Der hat dann die Wahl zwischen kleineren und größeren, fast 40 Kilo schweren Modellen wie Sue oder Marcella, die bei Berührungen sogar stöhnt.

„Auf Wunsch kann diese Funktion aber ausgeschaltet werden“, weiß die Chefin, dass die Töne aus dem Inneren der Doll nicht jedermanns Sache sind.

Zu den stattlichen Exemplaren zählen außerdem Summer und Sleepy-Doll, deren Augen stets geschlossen sind. Auch das habe seinen Grund: „Manche Männer mögen es nicht, wenn sie die ganze Zeit angeschaut werden.“

Ein Traum für jeden Chef: Ohne zu murren sitzen die Dolls auf dem Sofa bis der nächste Kunde kommt.

Ein Traum für jeden Chef: Ohne zu murren sitzen die Dolls auf dem Sofa bis der nächste Kunde kommt. © Michael Schuh

Anfängern empfiehlt die Chefin ohnehin die etwas kleineren und nur 18 Kilo schweren Exemplare wie Roxy oder Darnell.

Die besitzen - ebenso wie ihre schwereren Kolleginnen - ein Metallskelett und können so alle menschlichen Positionen einnehmen, sind aufgrund von Größe und Gewicht aber deutlich einfacher zu handhaben. „Und es soll ja ein Vergnügen und keine Arbeit sein“, sagt Evelyn Schwarz lachend.

Die Puppen sehen aber nicht nur ziemlich echt aus, sondern fühlen sich - manchen mag’s erschrecken - auch fast menschlich an. Weiche Kunststoffhaut, die aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit bei engen Berührungen schnell die Körpertemperatur des Gespielen annimmt. Der Wissenschaft sei Dank.

Zur Begrüßung erhalten Gäste etwas Süßes und ein Erfrischungsgetränk. Alkohol ist im BorDoll aber tabu.

Zur Begrüßung erhalten Gäste etwas Süßes und ein Erfrischungsgetränk. Alkohol ist im BorDoll aber tabu. © Michael Schuh

Hauptstoßzeiten im BorDoll sind übrigens die Mittagsstunden, wenn einige Arbeitnehmer die betriebliche Pause für ein Schäferstündchen nutzen, sowie die Zeit zwischen 17 und 18 Uhr - Feierabend in der Firma.

Bis zu 20 Kunden könnten am Tag empfangen werden, sagt die 33-Jährige: „Mehr geht aufgrund der begrenzten Zimmerzahl und der zahlreichen Hygienemaßnahmen nicht.“

Borussia Dortmund ist seit jeher schlecht fürs Geschäft

An weniger guten Tagen kämen schon mal nur drei oder vier Besucher, doch einen Tag ganz ohne Gast habe es seit der Eröffnung 2017 glücklicherweise nicht gegeben.

Eine Veranstaltung sei jedoch seit jeher schlecht fürs Geschäft: „Als der BVB noch vor Zuschauern gespielt hat, war hier wenig los. Da saßen viele Kunden im Stadion oder in der Kneipe.“

Info

Das Kosten Sex-Dolls

  • Noch vor wenigen Jahren kosteten Sex-Dolls aus TPE 6000 bis 8000 Euro. Heute sind die Puppen schon ab 900 Euro erhältlich. Hinzu kommen Zollgebühren.

  • Nachdem sie mehrere Firmen ausprobiert hatte, fand Evelyn Schwarz einen seriösen asiatischen Anbieter, bei dem sie die Dolls nun kauft.
  • Solch eine Puppe hält zwischen zehn Wochen (bei regem Gebrauch) und einem halben Jahr (Dolls, die viel auf dem Sofa sitzen).
  • Besonders gefragt seien neu eingetroffene Puppen, sagt Evelyn Schwarz: „Die Leute wollen mit Jungfrauen schlafen.“
  • Da sie sich im Gewerbe bestens auskennt, weiß die 33-Jährige von Problemen mit normalen Prostituierten, die nicht selten Drogen nähmen oder unzuverlässig seien. All das gebe es bei den Dolls nicht: „Sie sind das Tollste für den Chef. Sie sind nie krank, immer pünktlich und haben keinen Ärger mit den Gästen.“