In Dortmund waren Ende 2019 offiziell mehr als 500 Prostituierte gemeldet - und damit 20 Mal so viele wie in Bochum.

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Dortmund hat offiziell fast 20 Mal so viele Prostituierte wie Bochum

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In Dortmund gibt es mehr als 500 gemeldete Prostituierte – im landesweiten Vergleich belegt die Stadt einen der vorderen Plätze. Dafür kann es gleich mehrere Gründe geben.

von Michael Nickel

Dortmund

, 17.08.2020, 04:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zum ersten Mal gibt es einen offiziellen Überblick darüber, wie viele Prostituierte in Nordrhein-Westfalen in welcher Stadt und in welchem Kreis gemeldet sind. Dortmund belegt landesweit einen der vorderen Plätze.

Laut Statistischem Landesamt IT NRW waren Ende 2019 in Dortmund 552 Prostituierte gemeldet – in Bochum hingegen 23. Wie kann das sein?

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Die eine einzige Antwort darauf gibt es nicht. „Es ist auch Spekulation“, sagt daher Andrea Hitzke bei der Einordnung der Zahlen im Gespräch mit dieser Redaktion.

Hitzke ist Sozialarbeiterin und Leiterin des Vereins Mitternachtsmission, der Beratungsstelle für Prostituierte, Ehemalige und Opfer von Menschenhandel in Dortmund.

„Die Fluktuation in Dortmund ist hoch“

Sie geht davon aus, dass die von IT NRW veröffentlichten Zahlen niedriger sind als die tatsächliche Anzahl an Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in Dortmund.

„Es ist nur ein Schätzwert, aber wir gehen davon aus, dass über das Jahr verteilt bis zu 2000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Dortmund sind“, sagt Hitzke. Einige blieben demnach nur kurz und zögen dann weiter. „Die Fluktuation ist hoch.“

Laut IT NRW haben von den in Dortmund gemeldeten Prostituierten 156 einen deutschen Pass, 396 einen ausländischen. Von den 552 sind 35 zwischen 18 und 21 Jahre alt, 78 sind älter als 45 Jahre alt. Sie alle dürfen derzeit wegen Corona aber nicht arbeiten.

Ein Blick in die Region zeigt, dass es in nahegelegenen Städten zu einem Gefälle kommt. Während es in Duisburg (703) und Essen (653) mitunter deutlich mehr Prostituierte gibt, sieht das in Gelsenkirchen (115), Hagen (29) und Bochum (23) anders aus.

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Das Statistische Landesamt hat diejenigen Prostituierten in seine Statistik aufgenommen, die zum 31. Dezember 2019 nach dem Prostituiertenschutzgesetz bei ihren zuständigen Behörden gemeldet waren.

„Zur Zahl nicht angemeldeter Gewerbe und Prostituierter liegen keine Angaben vor“, heißt es in der Pressemitteilung.

Dieses Gesetz ist seit 2017 gültig und soll unter anderem die Anmeldung, Besteuerung und soziale Absicherung in der Branche regeln. Schon seit 2002 gilt das Prostitutionsgesetz, das die Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärkt. „Wir haben uns damals stark für die Einführung eingesetzt“, sagt Hitzke.

Damals ist auch das Dortmunder Modell entstanden, das es noch heute gibt. „Es sorgt für mehr Transparenz und weniger Vorbehalte gegenüber Behörden“, sagt Andrea Hitzke. Auch das könne ein Grund dafür sein, dass sich viele in Dortmund anmelden.

Vertrauen zwischen Behörden und Prostituierten ist wichtig

Dortmund sei 2002 die einzige Stadt gewesen, in der alle Akteure – unter anderem das Ordnungsamt, das Gesundheitsamt, das Finanzamt und die Polizei – gemeinsam einen Runden Tisch gebildet haben. Das Ziel: sichere und gute Arbeitsbedingungen.

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„Den Runden Tisch gibt es noch immer“, sagt Hitzke. Somit ist auch das alte Konzept noch heute für Dortmund gültig. „Wir haben damit Regeln dahingehend geschaffen, was auch von Seite der Branche zu erbringen ist.“

Vor allem gegenseitiges Vertrauen spiele dabei eine große Rolle, was wiederum für weniger Berührungsängste sorge.

Das Dortmunder Modell könne Andrea Hitzke zufolge eine mögliche Erklärung für die im Vergleich zu anderen Städten hohe Zahl an gemeldeten Prostituierten sein. Ebenso halte sie es für möglich, dass Prostituierte nicht unbedingt in den Städten arbeiten, in denen sie auch gemeldet sind. Die eine Antwort gibt es aber nicht.