Flic Flac feiert Premiere in Dortmund Nicht nur Neues, aber noch lange hochmodern

Flic Flac feiert Premiere in Dortmund: Nicht nur Neues, aber noch lange hochmodern
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So perfekt passt der Zirkus Flic Flac mit seinem schwarz gelben Zelt in die BVB-geprägte Kulisse von Dortmund, dass es schwerfällt zu glauben, dass dies hier tatsächlich erst die elfte Dortmunder X-Mas Show sein soll.

Aber was früher war, zählt bei Flic Flac ja eh nicht. Völlig zu Recht gehört er zu den erfolgreichsten Zirkussen unserer Zeit, denn er bringt eine Auswahl der weltbesten Artisten auf die Bühne, um sie dann in seinem ganz eigenen, peppigen, rasanten, modernen Stil zu präsentieren, eben ganz nach dem eigenen Slogan: Besinnlich geht anders.

Geht es noch moderner?

Flic Flac steht für modernen Zirkus wie kein anderer, und da stellt sich ja immer die Frage: Schaffen sie es auch in einem neuen Jahr wieder, modern zu sein, noch näher an der Zeit zu sein als im Jahr zuvor? Können sie überhaupt noch Neues zeigen?

Und letzteres mit Ja zu beantworten, fällt dieses Jahr tatsächlich schwer. Flic Flac ist eben Flic Flac – jedes Jahr wieder aufregend, jedes Jahr wieder eine neue Show – aber längst nicht immer mehr die neuesten Nummern überhaupt. Wer sich des Öfteren Zirkusshows anguckt, nicht nur in Deutschland, sondern auch beobachtet, was so auf den Bühnen der Welt abgeht, auf den Festivals oder da, wo sich die oftmals krassesten Tricks taumeln – auf YouTube – der hat das meiste von dem, was hier zu sehen war, schon mal gesehen. Aber im Vergleich zu vielen anderen in der Zirkuswelt, die immer noch mit Pferden, Kamelen und Clowns mit übergroßen Latschen gastieren, ist Flic Flac noch immer hochmodern.

Ganz viel Show

Und begeistert haben alle 16 Nummern das Publikum immens. Dabei spielt es ja weder eine Rolle, ob die Tricks auf Weltmeisterniveau sind – wie, um nur ein Beispiel zu nennen, bei Jojo-Spieler Shu Takada, der über seine Jojos sprang und mit zweien gleichzeitig spielte – oder aber sich technisch nicht weit über dem Niveau eines guten Jugendzirkusses bewegten, dafür aber durch Humor und Show überzeugten: wie die Tricks in der Jonglageshow der Messoudi Brothers, in der sie sich zwar gegenseitig lediglich drei Keulen zupassten, dabei aber einmal fast ganz aus- und wieder anzogen, sodass nur noch die BVB-Boxershots übrig blieb.

Die Jongleure haben sich während ihrer Show einmal aus- und dann wieder angezogen.
Die Jongleure haben sich während ihrer Show einmal aus- und dann wieder angezogen. © Joscha F. Westerkamp

Ganz viel Show – zweifelsohne im rein positiven Sinne gemeint, wir sind hier immer noch beim Zirkus! – gab es auch bei vielen anderen Nummern. Aerial-Pole-Soloartist Daniil wurde von einer fast manegenfüllenden Menge an Backgroundartisten auf die Bühne begleitet. Kontorsionist Juma (früher sagte man dazu wohl „Schlangenmensch“) wurde von mehreren in OP-Kleidung gehüllten Personen auf die Bühne gebracht, um dann mit einer für sein – viele ja fast schon anekelndes – Fach ganz bezaubernden, hochathletischen Nummer zu starten.

Sehr künstlerisch ist der Beginn dieser Kontorsionsshow.
Sehr künstlerisch ist der Beginn dieser Kontorsionsshow. © Joscha F. Westerkamp

Sehr minimalistisch hielt sich dagegen von vorneherein etwa Handstandartist Cai Young, der in klassisch asiatischem Stil alles selbst in die Hand nahm, ganz ruhig begann und dann aber doch auch mit rasanten, breakdanceartigen Headspins endete.

Und dann gab es einfach noch viel mehr, das alles für sich grandios war, und doch mit dieser Fülle an Grandiosität es schlicht unmöglich macht, hier auf alles detailliert einzugehen: Es gab beispielweise noch Nummern an Deckentrapez, Strapaten, ukrainischer Schaukel oder Schlappseil (nicht nur Leiterakrobatik, sondern auch Einradfahren verband Zhan Fan mit dieser ohnehin schon herausfordernden Version des Hochseils!).

Zu viel Weltklasse für eine Rezension

Jede Nummer für sich, auch da ist Flic Fliac hochmodern, ist so kurzweilig und zackig gebaut, dass selbst nach zweieinhalb Stunden (Pause eingerechnet) das Ende wie der Beginn einer ersten Umbaupause wirkte. Und damit zu, einen fließenderen Übergang hätte wohl nur er selbst geschafft: Umbauclown Housch ma Housch.

Zhang Fan balancierte per Handstand auf einer Leiter auf einem schwingenden Hochseil.
Zhang Fan balancierte per Handstand auf einer Leiter auf einem schwingenden Hochseil. © Joscha F. Westerkamp

Die Rolle des Clowns in Flic Flac ist ja jedes Jahr wieder eine spannende Sache: Ist Flic Flac noch so modern, setzen sie doch auf das ziemlich klassische Handwerk des Pausenclowns (auch dieses Jahr wieder mit ganz viel Publikumsbeteiligung), während die Umbauhelfer im Hintergrund mindestens so rasant ihre Arbeit verrichten wie die Artisten davor. Doch die Clowns sind auch immer ein bisschen anders, die rote Nase meist lange weggeschmissen, oft schon so, dass die Grenzen zwischen Clown und Comedian nicht mehr wirklich zu ziehen sind.

Die rote Nase muss fehlen

Housh ma Housh, Medaillengewinner unter anderem beim überaus renommierten Weltfestival des Zirkus von morgen, war ein für Flic-Flac-Verhältnisse erstaunlich klassischer Clown, einer der älteren Schule, soll ganz im positiven Sinne heißen: einer, der noch die Unterschiede zwischen herrlich komischem Quatsch und quatschiger Comedy kennt. Aber ohne rote Nase natürlich.

Clown Housch ma Housch spaßt mit dem Publikum.
Clown Housch ma Housch spaßt mit dem Publikum. © Joscha F. Westerkamp

Und eins gab’s dann noch dieses Jahr: endlich wieder Motorräder! Die Zirkuspferde des Flic Flac, möchte man ja schon sagen; auch längst nicht mehr neu, aber immer noch hochmodern. Nachdem man im letzten Jahr vergeblich auf die Flic-Flac-Klassiker gewartet hatte, haben sie jetzt wieder in gewohnter Weise die Show abgeschlossen. Über die Treppe rasten sie ins Zelt, flogen knapp unter die Kuppel (genügend Zeit, um schon mal vom Sattel abzuheben), um dann auf einer Rampe wieder aus der Manege rauszufahren. Yeah!

Joscha Westerkamp ist zertifizierter Zirkus-Jugendübungsleiter, Leiter des Zirkuskurses am Dortmunder Hochschulsport und Autor der Bücher „Jonglieren wie ein Profi“ sowie „Jonglieren – Tipps zum Gelingen“.

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