Bekir Günaydin versteht die Welt nicht mehr. „Ich bin traumatisiert“, sagt er. Zum einen wegen des heftigen bewaffneten Angriffs mehrerer Personen, der auf ihn eingeprasselt ist. Viel mehr ärgert er sich aber über das Verhalten der Polizei rund um diese Situation.
Der ganze Ärger begann in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember (Sonntag auf Montag). Auf den Überwachungskameras seines Elektro-Betriebs für Sicherheitstechnik sei zu sehen gewesen, wie jemand erst das Gelände ausgespäht hat, dann sei ein Schloss aufgebrochen worden. Material im Wert von 20.000 Euro sei an der Grünen Straße gestohlen worden - die hochauflösende Überwachungskamera hat Beteiligte und Autos aufgenommen.
Bekir Günaydin stellte am nächsten Tag Strafanzeige bei der Polizei. Aber: „Die Videoaufnahmen wollte ich der Polizei Dortmund zur Verfügung stellen“, sagt der Geschädigte: „Diese hat mich aber abgewimmelt, weil die Kollegen nicht da seien, und hat meine Beweise nicht entgegengenommen.“
Der gut vernetzte 46-Jährige fühlte sich nicht ernst genommen - und begann eigene Nachforschungen. Eineinhalb Tage nach dem Einbruch schickte ihm ein Bekannter ein Foto eines Autos, das an der Tat beteiligt gewesen sein soll - und Günaydin ist mit seinem Bruder sofort hingeeilt.
Keine Zeit für den Hinweis?
„Auf dem Weg habe ich die Wache Nord angerufen“, sagt der Dortmunder: „Der diensthabende Polizeibeamte verweigerte mir jedoch jede Hilfe, behauptete, man habe keine Zeit, mir zu helfen und legte einfach den Hörer auf“, so erzählt es der Dortmunder.
Günaydin konnte das nicht akzeptieren. „Durch den Einbruch ist meine wirtschaftliche Existenz zerstört“, sagt er. Also wollte er alles tun, um sein Eigentum zurückzubekommen. Und als die Brüder an der Schleswiger Straße beim verdächtigen Auto ankamen, habe er tatsächlich auf der Straße einen jungen Mann von den Videoaufnahmen erkannt.

Die Elektriker stellten den Verdächtigen zur Rede, hielten ihn am Arm fest. Geschlagen habe man nicht, betont Günaydin, es sei aber zu einem Gerangel gekommen, weil sich der junge Mann losreißen wollte. Dabei habe er die Tat sogar zugegeben: „Das Auto mit dem Material kommt gleich“, habe er gesagt.
Dann kamen auch Menschen - aber nicht so wie erhofft. Dutzende seien aus den Häusern der Schleswiger Straße gekommen, wie schon mehrfach in diesem Jahr, wenn es auf dieser durchaus mit negativem Image behafteten Straße Ärger gab. Eisenstangen, Steine, eine Machete und sogar eine Art Schwert hätten sie bei sich gehabt, schildert Günaydin.

Es muss Schläge und Stiche gehagelt haben, Günaydin verlor das Bewusstsein. Fotos aus dem Krankenhaus zeigen blutende Wunden und genähte Narben sowie Schnitte in den Jacken der beiden Brüder. Unbeteiligte haben glücklicherweise relativ schnell die Polizei gerufen, wodurch der Angriff unterbunden wurde: „Die hätten uns fast umgebracht.“
In einer Pressemitteilung informierte die Polizei am Tag danach über den Vorfall: „Alle Angreifer flüchteten jedoch, bevor die Beamten eintrafen. Sie sollen sich unter anderem mit einem BMW mit polnischem Kennzeichen in unbekannte Richtung entfernt haben.“ Das soll das Auto sein, das Günaydins Überwachungskamera aufgezeichnet hat.
Zeugen-Aufruf der Polizei
Der junge Mann, mit dem der Streit begann, wird beschrieben als etwa 25 bis 30 Jahre alt, mit einer blauen Jacke bekleidet. „Die Polizei sucht Zeugen, die die Tat beobachtet haben und Hinweise zu den Angreifern und/oder dem Fahrzeug geben können“, heißt es in der Pressemitteilung. Und Bekir Günaydin antwortet entgeistert: „Von dieser Person habe ich eine Videoaufnahme!“
Doch damit nicht genug. „Dieser junge Mann ist nach der Eskalation in einem Haus an der Schleswiger Straße verschwunden“, sagt der 46-Jährige: „Auch hierauf habe ich die am Tatort erschienenen Dortmunder Polizeibeamten hingewiesen.“ Die Beamten hätten sich jedoch geweigert, sich dem Haus zu nähern und den jungen Mann festzunehmen oder auch nur anzusprechen. „Die Polizei hat mich im Stich gelassen“, sagt er.

Der schockierte Dortmunder hat verschiedene Stellen kontaktiert, um Ermittlungen zum Thema einzuleiten, von der Bezirksvertretung der Nordstadt bis zu NRW-Ministerien. Die Polizei Dortmund nimmt die Beschwerde jedenfalls so ernst, dass sie sie aus Neutralitätsgründen an das Polizeipräsidium Recklinghausen weitergeleitet hat.
„Die Hinweise zu dem Ursprungssachverhalt (Einbruch in die Handwerksfirma) wurden direkt an das zuständige Kriminalkommissariat weitergeleitet“, sagt Sprecher Gunnar Wortmann. Zur Beschwerde über das Verhalten der Polizisten „liegen in Teilbereichen anderslautende Darstellungen vor“.
Verdacht einer Straftat der Polizei
Die Beteiligten bestätigen Günaydins Aussagen also nicht vollständig. Deshalb ermitteln jetzt die Kollegen in Recklinghausen, ob sich etwa ein Verdacht der Strafvereitelung gegen die eingesetzten Dortmunder erhärtet.
„Erst nach Ausgang dieser neutralen strafrechtlichen Überprüfung des Sachverhaltes wird das Beschwerdeverfahren abschließend bearbeitet“, erklärt Sprecher Wortmann. Deshalb bittet er um Verständnis, dass die Polizei Dortmund aktuell keine weiteren Angaben machen könne.
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