Heute Phoenix-See – doch was war da vorher?
Luftbilder zeigen 100 Jahre lange Entwicklung
02.03.2025 08:50 Uhr
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Der Phoenix-See ist ein beliebtes Ausflugsziel. Vor 25 Jahren wurden die Pläne für ihn bekanntgegeben. Doch was befand sich vorher auf dem Areal? Ein Rückblick.
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160 Jahre lang hat die Stahlindustrie das Leben in Hörde geprägt. Aus den Anfängen gibt es noch keine Fotos. Die Entwicklung ab 1925 ist aber gut dokumentiert mit Luftbildern im Archiv des Regionalverbandes Ruhr. Zwölf Aufnahmen zeigen den Wandel von einem der größten Stahlwerken der Welt mit 18.000 Beschäftigten zu einem der beliebtesten Ausflugszielen des Reviers: von Phoenix-Ost zum Phoenix-See.
Mit zwölf Klicks lässt sich ein ebenso langwieriger wie schmerzhafter Prozess durcheilen, der in der Metropole Ruhr als Musterbeispiel für Strukturwandel gilt: der Aufstieg und Niedergang eines Werks, von dem Generationen in Hörde lebten, aber unter dem sie auch litten. Selbst wenn es von Anfang an Farbfotografie gegeben hätte: Viel bunter wären die ersten fünf Aufnahmen der Luftbildsammlung nicht geworden angesichts des allgegenwärtigen Staubs und Rußes in Dortmunds Wiege der Stahlindustrie.
Zur besseren Orientierung für Zeitreisende, die sich durch knapp 100 Jahre scrollen, haben wir die Hörder Burg jeweils mit einem roten Punkt markiert.
Dies ist die älteste Aufnahme des Geländes im Archiv des RVR. Sie entstand zwischen 1925 und 1930. Damals existierte das ursprünglich Hermannhütte genannte Stahlwerk bereits fast 90 Jahre. Der Namensgeber Hermann Diedrich Piepenstock aus Iserlohn hatte das Grundstück an der Burg 1840 gekauft. 1906 war der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein mit einem der damals größten deutschen Montanunternehmen fusioniert, der Phoenix AG. Fortan hießen das Hochofengelände Phoenix-West, die Hermannshütte Phoenix-Ost.
© RVR
Phoenix-Ost ist auf diesem Foto vermutlich gut zu erkennen. So gut, dass die Verantwortlichen verhindern wollten, dass die Aufnahme in falsche Hände geriet. Ob es wirklich darum ging, ein militärisch interessantes Ziel zu verschleiern, will Benjamin Schepers, der Leiter des RVR-Teams Luftbilder in Essen, zwar nicht sicher sagen. Er hält das aber für sehr wahrscheinlich. Als die Fotos digitalisiert wurden, war die Fläche bereits abgeklebt. Geholfen hatte das Überkleben nicht. Im Zweiten Weltkrieg war das Werk durch Bomben schwer beschädigt. Doch schon im September 1945 kochten die Arbeiter wieder Stahl in Hörde.
© RVR
Das Gelände ist durchzogen von Eisenbahngleisen, wie dieses Foto das in dem großen Zeitraum 1951 bis 1980 entstand, zeigt. Die sogenannte Eliasbahn fuhr hin und Her mit flühender Fracht. Das Roheisen, das am anderen Ende Hördes in den Hochöfen des Stahlwerks Phoenix“-West erzeugt wurde, wurde mitten durch die Stadt zur Weiterverarbeitung nach Phoenix-Ost transportiert. Vor allem in den Wintermonaten verlieh das glühende Eisen dem Himmel über Hörde lange einen rötlichen Schimmer. „Das Christkind backt Plätzchen“, sagten die Leute dann.
© RVR
Auch dieses Foto ist nicht konkret datiert. Es entstand zwischen 1957 und 1980. Also frühestens kurz nachdem der Hörder Verein 1951 im Zuge der Neuordnung der deutschen Eisen- und Stahlindustrie in der Dortmund-Hörder Hüttenunion AG aufgegangen war . Die Zeit danach war geprägt von weiteren Umstrukturierungen. 1966 übernahm die Hoesch AG. Der internationale Markt war im Umbruch: Nach dem ersten Ölpreisschock 1973 begann die Krise. Es gab nun zunehmende internationale Konkurrenz beim Massenstahl.
© RVR
Die Arbeit im Werk blieb gefährlich und körperlich anstrengend, auch wenn in den 1960er-Jahren zunehmen automatisierter Produktionsprozesse in den Leitständen die Schwerstarbeit des „Malochers“ ablöste. Das Foto des RVR stammt aus den Jahren 1963 bis 1968.
© RVR
Das erste Farbbilde von Phoenix-Ost aus der Sammlung des RVR. Es entstand zwischen 1983 und 1990, als sich die düstere Zukunft des Werks bereits abzeichnete. 1992 erfolgte die feindliche Übernahme durch die Krupp AG, die den endgültigen Niedergang der Stahlära in Dortmund einleitete.
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Das letzte Luftbild aus der RVR-Sammlung, das noch Aufbauten auf dem Gelände von Phoenix-Ost zeigt. Es datiert zwischen 1998 und 2003. Am 28. April 2001 war die letzte Stahlschmelze in Hörde abgegossen worden: das Ende einer Ära, in der einige hundert Millionen Tonnen Rohstahlerzeugt worden waren. Beim Hochofenwerk Phoenix-West war schon im Oktober 1998 Schluss.
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Die Umsetzung eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands beginnt. Aus Phoenix-Ost werden rund100 Hektar Entwicklungsfläche für ein ein neues Naherholungsgebiet mit See, umrahmt von exklusiven Baugrundstücken. Das Foto datiert zwischen 2001 und 2006.
© RVR
Gemessen an der Dimension des Projekts, geht die Umsetzung schnell voran: fünf Jahre Planungszeit und fünf Jahre für die Umsetzung. Das Foto entstand zwischen 2005 und 2009, also in der letzten Phase. 2010 wird der 24 Hektar große Phoenixsee geflutet.
© RVR
Das erste Foto aus der Luftbildsammlung des RVR, das die neue Wasserfläche zeigt, wo in den eineinhalb Jahrhunderten zuvor die Wiege der Dortmunder Stahlindustrie stand. Und zugleich ihr Sterbebett. Eine neue Ära hat begonnen.
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Der See im Jahr 2020. In diesem Jahr wurde auf der sogenannten Kulturinsel ein Mahnmal für Dortmunder Zwangsarbeitende aufgestellt. Unweit der Thomasbirne im Westen erinnert es daran, dass es während des Zweiten Weltkriegs bis zu 80.000 Männer und Frauen gab, die Zwangsarbeit verrichteten. Fast ein Viertel dieser Arbeitskräfte musste allein für den Dortmund Hörder Hüttenverein im Werk Phoenix arbeiten – dort, wo jetzt der See liegt.
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Das jüngste Foto der RVR-Luftbildersammlung stammt aus dem Jahr 2022. Inzwischen sind mehr als 2000 Arbeitsplätze allein rund um den Phoenixsee entstanden.
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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 25. August 2024.