Personalausfall, dann auch noch Streik „Es trifft ausschließlich die Eltern. Sonst niemanden“

„Kita-Streik trifft ausschließlich die Eltern. Sonst niemanden“
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Normalerweise ist Geraldine Krösche zufrieden mit ihrer Kita – sehr sogar. „Alle sind liebevoll, fördern die Kinder.“ Die gute Ausstattung am Hombrucher Bogen, die ganzen Ausflüge, die frische Küche, Erzieher, die „einen Super-Job machen“, und und und! Doch an diesem Freitag - Anfang März - ist all das vergessen.

Einige Tage zuvor hatte Krösche noch gelobt: So gut wie nie sei die Kita geschlossen. So gut wie nie müsse sie ihre Zwillinge früher abholen – nicht einmal in der Erkältungs-und-Grippe-Zeit. Betreiber der Kita am Hombrucher Bogen ist Fabido, also die Stadt Dortmund.

Streik vor allem bei städtischen Kitas

Was Geraldine Krösche berichtet, deckt sich mit den Erzählungen vieler anderer Eltern aus Dortmund: Die städtischen Kitas schneiden in unserer großen Kita-Umfrage besser ab als die Einrichtungen anderer Träger. Der Grund: weniger Schließungen, weniger eingeschränkte Öffnungszeiten.

Normalerweise. Es sei denn, es ist Streik. So wie heute.

Wenn Kitas bestreikt werden, sind es vor allem die städtischen. Und Streiks kommen plötzlich, oft überraschender als eine Grippewelle.

„Absolute Vollkatastrophe“

„Es ist für uns eine absolute Vollkatastrophe“, ärgert sich die 38-Jährige. „Wir haben keine Großeltern, die als Backup dienen. Ich habe eine neue Stelle angefangen, kann also auf keinen Fall fehlen. Also muss mein Mann zu Hause bleiben.“

Der heißt Stefan und ist selbstständig, doch an diesem Satz fährt er Umsatz-Einbußen ein. Moritz und Theo toben durch die Wohnung im Dortmunder Kreuzviertel, wollen spielen, haben Hunger. Die beiden Vierjährigen brauchen Aufmerksamkeit. Draußen scheint die Sonne. Es ist der bis dahin wärmste Frühlingstag des Jahres.

Dennoch: Im März mit Kindern auf den Spielplatz? Das heißt: Jacke, Mütze, Trinkflasche, Apfel, Kekse, anderer Knabberkram. Moment noch, halt, ja, wir können gleich endlich los... Eltern kennen Szenen wie diese zur Genüge.

Fünfjähriger robbt durch den Flur

Wenige hundert Meter entfernt sitzt Kerstin Bigus-Tolsdorf an ihrem Küchentisch und sagt: „Ich habe es ja gut. Meine Eltern sind da. Mein Arbeitgeber lässt mich so oft Homeoffice machen, wie ich möchte.“ Dennoch stellt die 42-Jährige klar: Sie sei die Ausnahme. Bei vielen anderen Vätern und vor allem Müttern sei das anders an diesem Streik-Tag.

„Ich habe einige Freundinnen, die sind Chirurginnen. Die können logischerweise kein Homeoffice machen und auch nicht ihr Kind mit zur Arbeit nehmen.“ Der fünfjährige Klaas robbt sich derweil vorsichtig durch den Flur vor. Wer ist dieser fremde Reporter am Küchentisch, der seiner Mama gegenübersitzt? Lieber erstmal wegducken.

Eine blonde Frau steht vor einer Hecke und schaut in die Kamera.
Kerstin Bigus-Tolsdorf ärgert sich über die Auswirkungen des Kita-Streiks, auch wenn sie selbst den Tag gut überstehe, wie sie sagt. © Althoff

Dritter Streik-Tag in zwei Wochen

Irgendwann siegt aber doch die Neugier - und vor allem der Wunsch, zur Oma ins Wohnzimmer zu kommen. „Mir geht es ja noch gut“, sagt Bigus-Tolsdorf, „ich habe die emotionalen und finanziellen Ressourcen, um durch so einen Tag zu kommen.“ Und sie finde es generell auch gut, dass es ein Streikrecht gebe.

Aber ausgerechnet heute? Schon wieder? Geraldine Krösche sagt genau dasselbe, drei Stunden später, nach Feierabend, gestresst und verärgert am Telefon. Erst der Streik in der vorigen Woche. Dann der Rosenmontag, an dem man die Kinder schon um 12 Uhr habe abholen müsse.

Am Tag nach Rosenmontag dann ein Streik, ausgerechnet. Und schließlich am Freitag vor dem langen Wochenende wieder. „Wie lange dauert denn die Demo? Bis 12.30, vielleicht 14 Uhr?“, fragt Krösche. Die Kitas wären aber bis 16 oder 16.30 Uhr offen gewesen.

Vorschlag: Erzieher als Beamte

„Ich finde, dass es sich Verdi zu einfach macht“, ärgert sich Kerstin Bigus-Tolsdorf: „Mir fehlt da das Verantwortungsgefühl.“ Und dann würden Gewerkschaftsvertreter auch noch behaupten, der Streiktag werde nicht „auf dem Rücken der Eltern“ ausgetragen. „Das ist grundfalsch: Es trifft ausschließlich die Eltern! Niemand anderen!“

Und das sei eben etwas anderes als Streiks bei der Müllabfuhr, bei Bus und Bahn, in den Kliniken. Davon seien wesentliche Teile der Bevölkerung betroffen. Geraldine Krösche fühlt sich an diesem Tag wieder daran erinnert, wie schwer es Eltern haben.

„Eigentlich müsste es für Erzieher eine Art ‚Verbeamtung light‘ geben“, überlegt sie. Dann würde für sie dasselbe gelten wie für Grundschullehrer. Die dürften ja auch nicht streiken. Und dass Erzieherinnen und Erzieher dann auch mehr verdienen würden – sie wäre ja dafür, unterstreicht Geraldine Krösche.

Alle Teile unserer Serie „Der große Kita-Check“ finde Sie hier: rn.de/kita-check

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