Nina Hallmann (46) kommt seit November 2016 dreimal in der Woche zur Dialyse ins Klinikum Dortmund. © Bastian Pietsch

Transplantation

Organspender fehlen: Nina Hallmann (46) gibt die Hoffnung auf eine neue Niere nicht auf

Sechs Verstorbene haben 2017 in Dortmund Organe gespendet und damit anderen Menschen ein besseres Leben ermöglicht. Doch die Not ist größer. Wir sagen, worauf es bei der Organspende ankommt.

Dortmund

, 21.09.2018 / Lesedauer: 5 min

Dreimal die Woche ist Nina Hallmann (46) im Krankenhaus. Jede Woche. Für jeweils vier Stunden. Frau Hallmann ist Dialyse-Patientin, weil ihre Nieren nicht mehr richtig funktionieren. Eine Organspende könnte ihr helfen.

„Zu meinem Mann und meiner Familie sage ich immer ,Ich gehe heute wieder in die Waschmaschine‘“, erzählt Nina Hallmann. Sie nimmt es mit Humor, aber die Dialyse hat ihr Leben verändert: Die 46-Jährige hat ihren Beruf aufgegeben, ist, seit sie auf die Dialyse angewiesen ist, nicht mehr verreist. An manchen Dialyse-Tagen ist sie sehr müde. „Das ist dann schon nicht einfach, aber man versucht, sich dann ja auch nicht hängen zu lassen“, sagt sie.

Nina Hallmann ist ein Mensch unter vielen, denen eine neue Niere, eine neue Leber oder ein neues Herz helfen würden. Doch die Zahl der Organspenden geht deutschlandweit seit Jahren zurück. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Thema Ende August auf die Agenda gehoben, doch auch die Ermittlungen gegen den Direktor der Klinik für Transplantationschirurgie des Universitätsklinkums Essen haben Organspenden zum Thema gemacht.

Wenn das Gehirn stirbt, der Körper aber weitermacht

In Dortmund haben 2017 sechs Verstorbene Organe gespendet. Entnommen wurden sie im Klinikum, wo auch Nina Hallmann Patientin ist. Der Ablauf einer Organspende ist in jedem Krankenhaus gleich und gesetzlich vorgeschrieben.

Nicht jeder Mensch, der gestorben ist, kann Organe spenden. Das geht in Deutschland nur bei einem Hirntod, bei dem die Funktion des Gehirns unwiederbringlich ausfällt, das Herz aber weiter schlägt und die anderen Organe mit Blut und Sauerstoff versorgt.

Die Diagnose eines Hirntods ist komplex und ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. Zwei erfahrene Intensivmedizinier müssen den Patienten unabhängig von einnander zweimal untersuchen, einer von ihnen muss Neurochirurg oder Neurologe sein.

Professor Dr. Richard Ellerkmann ist seit April Direktor der Klinik für Anästhesie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Dortmund und dort ebenfalls Transplantationsbeauftragter. © Bastian Pietsch

Die Ärzte prüfen dann zum Beispiel Reflexe des Hirnstamms, wie den Hustenreflex. „Der Hustenreflex ist ein ganz basaler Reflex. Damit dieser Reflex ausfällt, muss schon ein erheblicher Hirnschaden vorliegen“, erklärt Professor Richard Ellerkmann, Transplantationsbeauftragter des Klinikums. Eine weitere Untersuchung: „Man lässt das CO2 im Blut ansteigen, das ein starker Atemtrigger ist. Wenn der Patient dann nicht selbstständig atmet, ist das ein Indiz für einen Hirnfunktionsausfall.“ Hinzu kommen instrumentelle Untersuchungen wie ein EEG oder eine Bildgebung.

Erst, wenn nach allen Untersuchungen ein unwiederbringlicher Funktionsausfall des Gehirns und damit der Tod nachgewiesen ist, kommt eine Organspende überhaupt in Frage.

„Das ist mein Lebensarm“

Neben der Organspende durch Verstorbene, gibt es für Nieren und Lebern auch die Möglichkeit zur Lebendspende. „Meine Familie wollte mir auch eine Niere von sich geben“, erzählt Nina Hallmann. „Ich möchte das aber nicht. Wenn ich dann eine neue Niere habe, haben sie eine weniger. Was passiert dann, wenn die mal krank werden sollten?“

Also bleibt Frau Hallmann nur, auf eine Spenderniere zu hoffen. Bis dahin ist sie auf die Dialyse angewiesen. „Ich muss halt auf meinen Arm aufpassen“, sagt sie und hebt den linken Arm mit den Zugängen für die Dialyse, „das ist mein Lebensarm.“

Dr. Fedai Özcan ist Direktor der Klinik für Nephrologie, Dialyse und Notfallmedizin am Klinikum Dortmund. © Bastian Pietsch

Nina Hallmann steht noch ganz am Anfang des langen Weges zur Spenderniere. Noch ist sie nicht mal offiziell auf der Warteliste, weil ihr dafür noch Untersuchungen fehlen. Und auch wenn das erledigt ist, kann die Wartezeit für die 46-Jährige lang werden: „Wir sehen, dass die Wartezeit für eine Organspende, zum Beispiel für die Niere, immer weiter nach oben geht. Vor fünf, sechs Jahren haben wir noch mit einer Wartezeit von fünf, sechs Jahren gerechnet, mittlerweile sind es schon 8 bis 10 Jahre“, erklärt Dr. Fedai Özcan, Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyse.

Eine Entscheidung zu Lebzeiten entlastet Angehörige

Die Deutsche Stiftung Organspende (DSO), die an allen Organspenden in Deutschland beteiligt ist, weist für 2017 aus, dass in 35 Prozent der Fälle, in denen sie zu möglichen Organspenden beraten hat, fehlende Zustimmung der Grund war, aus dem es nicht zur Organspende kam. Platz zwei, direkt nach medizinischen Gründen.

Diese Zustimmung müssen Ärzte nach der Diagnose eines Hirntods von den Angehörigen des Verstorbenen einholen. „Das ist eine extrem schwierige Situation“, sagt Richard Ellerkmann. „Die Angehörigen sind in der Trauerphase und man spricht mit denen über eine Organspende, obwohl der Patient noch beatmet wird, man vielleicht noch einen Herzschlag sieht. Viele haben da Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen und es gibt auch Angehörige, die zustimmen und später das Gefühl haben, sie hätten Schuld auf sich geladen.“

„Wir raten dazu, sich zu Lebzeiten Gedanken zu machen“, sagt Fedai Özcan. „Man sollte zumindest den Angehörigen signalisieren, wie die innere Haltung zur Organspende ist.“

Bei der Dialyse wird das Blut des Patienten in einem Gerät außerhalb des Körpers gereinigt und zurückgeführt, wenn die Nieren diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. © Bastian Pietsch

Allerdings spielen auch noch weitere Faktoren eine Rolle, will man verstehen, warum Deutschland im europäischen Vergleich wenig Organspender hat. „Wir haben zum Beispiel nach wie vor in den Krankenhäusern ein beachtliches Erkennungs- und Meldedefizit von potenziellen Organspendern“, sagt Fedai Özcan.

Das Klinikum Dortmund zählt im System der DSO zu den B-Krankenhäusern. Es ist also keine Universitätsklinik (A-Krankenhäuser) aber ein Krankenhaus mit Neurochirurgie. Im Vergleich mit anderen B-Krankenhäusern liegt das Klinikum Dortmund mit 6 Organspendern im Jahr 2017 deutschlandweit im oberen Mittelfeld, in NRW ist das Klinikum sogar führend. Die weiteren Krankenhäuser in Dortmund sind C-Krankenhäuser (ohne Neurochirurgie). Die Transplantation selbst wird ausschließlich in speziellen Transplantationszentren durchgeführt. Diese gehören oft zu Universitätskliniken.

Deutschland ist Netto-Organ-Empfänger

Wenn ein Hirntod diagnostiziert ist und die Angehörigen des Verstorbenen einer Organspende zustimmen, folgen noch einige weitere Untersuchungen. Ärzte müssen prüfen, ob es möglicherweise medizinische Gründe gegen eine Organspende gibt. Auch Blutgruppe und Immuntypisierung des Verstorbenen sind wichtig. „Man hat einen Spender und jetzt muss man natürlich Empfänger suchen“, sagt Richard Ellerkmann. Jeder Organspender kann mehrere Organe für mehrere Empfänger spenden.

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Die Verteilung übernimmt europaweit die Stiftung Eurotransplant. In Deutschland gelten dafür Regeln der Bundesärztekammer. Insgesamt bekommt Deutschland mehr Organe aus anderen europäischen Staaten, als Organe aus Deutschland in andere Staaten gehen. Deutschland ist also Netto-Organ-Empfänger.

Auch auf Seite des Organempfängers sind solche Untersuchungen nötig. Die Untersuchungen, die Nina Hallmann noch fehlen, bevor sie auf die Warteliste kommt. Dafür müssen sich Patienten bei einem der Transplantationszentren in Deutschland vorstellen. Und: „Nicht alle Patienten sind transplantabel“, erklärt Fedai Özcan. Es können also auch medizinische Gründe gegen eine Transplantation sprechen.

Dann kommt es auf Stunden an

Ist ein „Paar“ aus Organspender und -empfängern gefunden, wird der Verstorbene in den OP gebracht zur sogenannten Explantation. Ein spezielles Team, zu dem auch immer Mitarbeiter der DSO gehören, entnimmt eines oder mehrere Organe. „Die Stimmung ist eher gedrückt, aber in dem Moment ist die Motivation ganz klar der Fokus auf die Empfänger“, erzählt Richard Ellerkmann. Nach der Operation können Angehörige ganz normal Abschied nehmen.

Sobald die Organe entnommen sind, muss es schnell gehen: „Es beginnt eine Ischämie-Zeit, in der die Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden“, erklärt Richard Ellerkmann. „Je kürzer die ist, desto besser.“ In wenigen Stunden wird dann das Organ zum Empfänger transportiert. Und auch die Zeit bis zur Organentnahme sollte möglichst kurz sein: „Ich würde sagen, wenn der Hirntod am Montag diagnostiziert wird, wird der Verstorbene spätestens am Dienstag explantiert.“

Das Leben findet einen Weg

„Mehr als 90 Prozent der Patienten haben nach einem Jahr ein funktionierendes Transplantat“, erklärt Fedai Özcan die Aussichten nach einer Transplantation. Die Operation und ihre Folgen bergen aber auch Risiken, selbst beim Erfolg müssten Patienten ihr Leben lang Medikamente nehmen. „Aber die Transplantation ist eine Chance auf eine bessere Lebensqualität und ein längeres Leben.“

Nina Hallmann: „Man sollte den Kopf nicht in den Sand stecken. Jeder muss selbst sehen, wie er damit lebt und was er daraus macht.“ © Bastian Pietsch

„Wenn der Zeitpunkt da ist, kriege ich auch eine neue Niere, so habe ich mir das gedacht“, sagt Nina Hallmann. Vor einigen Tagen habe sie ihren ersten Enkel gekriegt, erzählt die 46-Jährige. „Ich bin jetzt Oma.“ Nina Hallmann klagt nicht. Es gebe Patienten, denen es noch deutlich schlechter gehe als ihr.

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