Schnitzel bald für 30 Euro? Dortmunder Gastro-Szene sieht eine „Katastrophe“ kommen

Ende der Mehrwertsteuer-Ermäßigung? - „Preise wären nicht darstellbar“
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Gastronomen stöhnen über immens gestiegene Energiekosten, teilweise abenteuerliche Lebensmittelpreise und steigende Lohnkosten für das Personal. Dabei gilt für sie seit der Corona-Krise ein stark ermäßigter Mehrwertsteuersatz, von dem andere Branchen nur träumen können.

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie war während der Corona-Pandemie von 19 auf 7 Prozent reduziert worden - Getränke sind ausgenommen. Angesichts einer drohenden Energiekrise war die Regelung im vergangenen Jahr bis Ende 2023 verlängert worden. Jetzt sendet der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Nordrhein-Westfalen einen Hilferuf und fordert, die Rückkehr zum Regelsteuersatz von 19 Prozent für die Abgabe von Speisen im Restaurant noch weiter zu verschieben.

„Eine Steuererhöhung zum 1. Januar 2024 wäre eine Katastrophe für die Gastronomie und deren Vielfalt in NRW, aber auch für die Gäste“, sagt Patrick Rothkopf, der Dehoga-Präsident in Nordrhein-Westfalen.

„Ende der Fahnenstange“

„Die 7 Prozent dürfen nicht fallen. Dann würde alles um 12 Prozent teurer. Das ist nicht mehr darstellbar. Wir haben das Ende der Fahnenstange erreicht. Ein Restaurantbesuch sollte nicht zum Luxusgut werden“, sagt Antonio Link, der in Lütgendortmund das Restaurant Hopfen & Salz und zudem vier weitere Gastronomiebetriebe in NRW führt.

Alles sei ja teurer geworden - von den Servietten über das Besteck bis hin zu Versicherungen, Strom und Gas. „Die Lebensmittelpreise“, sagt Antonio Link, „gehen durch die Decke und sind in gut einem Jahr um das Vier- und Fünffache gestiegen. Jetzt kommen noch neue Tarifabschlüsse und der Mindestlohn soll auf 14 Euro steigen.“ Das alles fresse die Einsparung, die man durch die reduzierte Mehrwertsteuer habe, komplett auf.

Der nordrhein-westfälische Dehoga-Präsident Patrick Rothkopf spricht denn auch von einer Steuererhöhung, die das Ende der 7-Prozent-Regelung faktisch bedeute. „Wir befinden uns nach den Corona-Jahren in 2023 immer noch im realen Umsatztief verglichen zu 2019. Und die jetzt eingetretene Rezession in Deutschland lässt sich im Wesentlichen mit Konsumzurückhaltung erklären. Das merken wir schon jetzt, die Preissensibilität wächst, was nachvollziehbar ist: Unsere Gäste merken die gestiegenen Preise ja wie unsere Betriebe auch in ihren Geldbeuteln“, so Patrick Rothkopf.

Kerstin Scheufen-Hanke vom Kerstins an der Roßbachstraße in Dortmund-Huckarde fürchtet einen Preisschock für die Kunden, wenn man die Steuererhöhung im nächsten Jahr weitergeben würde.
Kerstin Scheufen-Hanke vom Kerstin‘s an der Roßbachstraße in Huckarde fürchtet einen Preisschock für die Kunden, wenn man die Steuererhöhung im nächsten Jahr weitergeben würde. © Peter Wulle

„Schon jetzt ist Essengehen ein bisschen Luxus geworden - trotz der 7-Prozent-Mehrwertsteuerregelung“, sagt Kerstin Scheufen-Hanke, Inhaberin des Restaurants Kerstins in Huckarde. Die Erhöhung der Steuer auf wieder 19 Prozent weiterzugeben, was an sich betriebswirtschaftlich zwingend wäre, hätte aber einen Preisschock bei den Gästen und daraus resultierend weitere Umsatzrückgänge zur Folge. „Wir wollen aber doch für unsere Gäste kochen. Die Alternative wäre, die Mehrkosten zu schlucken und die Preise auf dem jetzigen Niveau zu halten“, so Kerstin Scheufen-Hanke. Der Ertrag verringere sich so oder so.

„Das isst dann keiner mehr“

„Wir können einfach kein Wiener Schnitzel für über 30 Euro anbieten. Das isst dann keiner mehr - und dabei ist es einer unserer Bestseller“, sagt Detlef Lotte, der in Dortmund das Restaurant Dieckmann‘s an der Wittbräucker Straße und das Bistro Schönes Leben im Kreuzviertel betreibt. Aktuell kostet das Wiener Schnitzel im Dieckmann’s bereits 26,90 Euro. Detlef Lotte fürchtet, dass mit dem Ende der niedrigeren Steuer auf die Abgabe von Speisen die Ertragsdecke für viele Betriebe so dünn wird, dass sie aufgeben müssen.

Detlef Lotte betreibt in Dortmund das Restaurant Dieckmann‘s und das Bistro Schönes Leben. „Wenn die Steuer wieder erhöht wird, führt das zum weiteren Verfall des Wohnzimmers Deutschlands“, sagt er.
Detlef Lotte betreibt in Dortmund das Restaurant Dieckmann‘s und das Bistro Schönes Leben. „Wenn die Steuer wieder erhöht wird, führt das zum weiteren Verfall des Wohnzimmers Deutschlands“, sagt er. © (A) Schaper

„Die 7 Prozent waren eine gute Entscheidung. Wir brauchen sie weiter, denn wo soll das Geld herkommen? 19 Prozent werden 10 Prozent der Gastronomiebetriebe in den Tod treiben“, sagt Detlef Lotte. Die Steuerhöhung führe „zum weiteren Verfall des Wohnzimmers Deutschlands“ „Wollen wir das?“ fragt er und wünscht sie darüber eine öffentliche Debatte.

Derweil fordert Patrick Rothkopf als Dehoga-Präsident in NRW „ein politisches Bekenntnis der Ampel-Koalition zum reduzierten Satz.“ Die CDU/CSU brachte bereits im März einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, den Verzehr von Speisen in Restaurants dauerhaft mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent zu besteuern. Er wurde zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen - vor allem an den Finanzausschuss.

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