Guter Rat ist teuer. Wer noch einen Beweis dafür benötigt, wie wahr dieses Wort ist, sollte einen genauen Blick auf die Ausgaben der Stadt Dortmund werfen. Besonders interessant ist das, was sich das „Amt für Angelegenheiten des Oberbürgermeisters und des Rates“ (Fachbereich 1) an Gutachten, Studien, Beratungen und verwandten Dienstleistungen kosten lässt.

Wir haben bei der Stadt die entsprechenden Ausgaben für die vergangenen zehn Jahre seit 2015 abgefragt. Ullrich Sierau, der bis zum Herbst 2020 an der Spitze stand, ist zumindest in diesem Bereich sparsam mit Aufträgen für sein eigenes Amt umgegangen. Lediglich im Jahr 2018 (26.750 Euro) und 2019 (5.884,55 Euro) wurde auf Kosten des OB-Fachbereichs 1 überhaupt Geld für Beratung und Gutachten ausgegeben. In den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2020 dagegen floss kein einziger Cent für solche Dinge.
Seit Thomas Westphal Ende 2020 als Oberbürgermeister Chef der Stadtverwaltung ist, hat sich das geändert. Im ersten echten Jahr seiner Amtszeit, 2021, blieb der Aufwand mit 18.445 Euro noch im eher bescheidenen Bereich, aber in den Jahren darauf explodierten die Ausgaben. 2022 wurden für den Aufgabenbereich des OB und des Rates für genau 531.855,30 Euro Aufträge vergeben, 2023 schoss der Betrag sogar auf 828.501,39 Euro hoch.
Und welche Beratungsleistungen kaufte sich Westphals Amt für solche Summen ein? Ein genauer Blick auf drei Themen:
„Beratungsleistung Gasmarkt“
1. Die „Beratungsleistung Gasmarkt“ kostete Dortmunds Steuerzahler 2022 genau 11.900 Euro. Anfang 2022 überfiel Russland die Ukraine mit verheerenden Folgen für die Gasversorgung. Auf den ersten Blick scheint es also durchaus vernünftig zu sein, wenn sich eine Stadt beraten lässt, was sie in dieser Situation konkret tun sollte.
Wer sich erhellende Antworten auf diese Frage durch die bezahlten Berater erhofft, der dürfte überrascht sein. In der 13-seitigen Zusammenfassung unter dem Briefkopf von OB Thomas Westphal fällt nicht ein einziges Mal das Wort „Dortmund“. Stattdessen liest sich das Papier wie eine Zusammenfassung dessen, was sich problemlos aus ganz normalen Tages- und Wochenzeitungen hätte zusammenschreiben lassen.
Zwei Kostproben der gewonnenen Erkenntnisse: „Deutschland (und die EU) müssen sich verantwortlich auf eine weitreichende und nachhaltige Störung des Gasangebots (...) einstellen.“ Und: Es wird „... die Einrichtung eines nationalen Gassicherungsfonds vorgeschlagen ...“ Wie gesagt: Alles sehr national, international und global. Dortmund kommt nicht vor, hat die Stadt aber 11.900 Euro gekostet.
„Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“
2. Zunächst einmal 200.000 Euro ließ sich das Amt des OB und des Rates im Jahr 2022 die „Erstellung eines Aktionsplans zur Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt für Dortmund“ kosten.
Auf Nachfrage teilte uns Katrin Pinetzki, Pressereferentin der Stadt Dortmund, mit: „Ziel des Aktionsplans ist die Gleichstellung von LSBTIQ*-Menschen in Dortmund – also von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen. Es geht darum, Benachteiligungen aufzulösen und die Selbstbestimmung zu fördern und zu unterstützen. Grundlage für die Erstellung des Aktionsplans ist ein einstimmig gefasster Ratsbeschluss.“
Beantragt hatten CDU und Grüne das Thema gemeinsam. Diese beiden Fraktionen waren es auch, so berichte Katrin Pinetzki, die für das Jahr 2023 weitere 100.000 Euro für den Aktionsplan beantragten. Auch diese Ausgabe habe der Rat beschlossen.
In dem Papier, auf das Katrin Pinetzki als Grundlage für den Ratsbeschluss verweist, findet sich allerdings lediglich der gemeinsame Antrag von CDU und Grünen. Details zum Auftrag? Voraussichtliche Kosten? Fehlanzeige. Am Ende scheint der Aktionsplan alles in allem 300.000 Euro gekostet zu haben. Irgendwann im Frühjahr, so teilt die Pressestelle mit, soll der so erarbeitete Aktionsplan dem Rat vorgestellt und beraten werden.
„Organisiertes Stadtgespräch“
3. Und dann ist da noch das „Organisierte Stadtgespräch“, für das 750.000 Euro im Jahr 2023 bereitgestellt und bisher 501.846,80 Euro ausgegeben wurden. Dabei ging es um die Entwicklung einer „integrierten Stadtstrategie“. Dabei wurde zunächst in vielen Workshops eine Bestandsaufnahme in „25 Ausgangsbildern“ diskutiert.
In der zweiten Phase, die im November begonnen hat, sollen „Zielbilder für eine wünschenswerte Zukunft Dortmunds entwickelt werden“, berichtet Katrin Pinetzki. Darüber soll bei einer Stadtkonferenz im März beraten werden.
Übrigens: In diesen 501.000 Euro noch nicht enthalten sind die Kosten für eine neu geschaffene Planstelle im Rathaus. Die wurde am 1. Oktober 2023 besetzt. Sie soll bis Ende 2025 befristet sein und trägt einen kw-Vermerk (kann wegfallen). Zusätzliche Kosten: 185.283,33 Euro.
In einer dritten Phase solle dann, so Pinetzki, die Umsetzung erfolgen. Die dadurch entstehenden Kosten sind ebenfalls noch nicht in den fast 700.000 Euro enthalten. Da kommt aller Voraussicht nach noch mehr auf die Stadt zu.
Alles in allem immer noch eine Millionensumme
Wer die gesamte Stadtverwaltung betrachtet, muss einräumen: Insgesamt sind die an externe Berater, Labore, Gutachter, Experten und Institute vergebenen Aufträge in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft. Auf den ersten Blick zumindest. Waren es beispielsweise 2015 noch Aufträge im Wert von 8,2 Millionen Euro, waren es 2023 nur noch 49 Aufträge mit einem Volumen von 1,9 Millionen Euro.
Der Grund liegt allerdings nicht in weniger Aufträgen, sondern in einer neuen Klassifizierung. So werden seit 2020 die Gutachten zu sämtlichen Baumaßnahmen aufgrund eines Ratsbeschlusses nicht mehr so einsortiert und gezählt. Und das, so Pressereferentin Katrin Pinetzki, sei eben das „Gros der Untersuchungen und Gutachten“. Da geht es beispielsweise um Lärm- und Bodengutachten, Gewässerschutz und Umweltschutzbelange generell.