Lesen oder pöhlen? In Dortmund braucht sich niemand zu entscheiden. Sowohl Sportplätze als auch Bibliotheken sind beliebte Treffpunkte. Vor Beginn seiner Amtszeit hatte Thomas Westphal versprochen, beide Freizeitbereiche weiter ausbauen zu wollen. Bei Großprojekten ist er aber an Grenzen gestoßen.
Ziel: Erhalt aller Sportstätten
„Die Modernisierung und den Erhalt unserer Sportstätten“ hatte Thomas Westphal 2020 neben Wohnen, Bildung und Mobilität zum vierten großen Schwerpunkt bei den Investitionen machen wollen. Im Sport fällt die Bilanz vier Jahre später gemischt aus, weil ein schon seit 2019 beschlossenes Großprojekt bislang immer noch nicht den Sprung in die Umsetzung geschafft hat: etwas, unter dem insbesondere aufstrebende Mannschaften leiden, aber auch Dortmunds Image als Sportstadt.
2022 gab es noch Hoffnung. In der Halbzeitpause des Handballspiels der BVB-Frauen gegen Sachsen Zwickau hatte OB Thomas Westphal vor laufender Kamera verkündet: „Die Planung ist beschlossen, die Dinge laufen: Im November 2025 sehen wir uns alle und eröffnen die Halle.“ Mit „die Halle“ meinte er die neue Vierfachhalle hinter dem FZW im Unionviertel. Dass diese Sportstätte mit Platz für mehr als 3000 Zuschauerinnen und Zuschauer gebaut werden soll, hatte der Stadtrat schon unter Westphals Vorgänger Ullrich Sierau beschlossen.
Verwaltung und Politik gingen zu diesem Zeitpunkt noch von einer Investition von 28 Millionen Euro aus. Inzwischen steht fest: Es wird deutlich teurer. Zuletzt war von rund 70 Millionen Euro die Rede. Anstatt im Neubau an der Übelgönne die ersten Wände zu streichen, lassen die Verantwortlichen erst noch Ausgaben streichen, bevor es losgehen kann: voraussichtlich Ende 2026. Eine Fertigstellung in diesen 20er-Jahren darf damit zumindest als unsicher gelten.
Für die erfolgreichen Mannschaften und ihre Fans ist das eine schmerzhafte Geduldsprobe. Ab Sommer 2025 müssen die BVB-Handballerinnen, die in der ersten Bundesliga spielen, mindestens 1500 Fans auf zwei gegenüberliegenden Tribünen beheimaten können. Und die Volleyballerinnen vom TV Hörde benötigen ebenfalls eine größere Halle, seitdem sie 2024 in die zweite Bundesliga aufgestiegen sind. Statt mit Heimvorteil aufzulaufen, müssen die Teams und ihre Anhängerschaft wohl in Nachbarstädte ausweichen, zum Beispiel nach Hamm, wo Borussia Dortmunds Handballerinnen in der Vergangenheit gleich mehrere Spiele ausgetragen haben. Zur Mitte September startenden Saison dürfen sie durch eine Ausnahmegenehmigung erstmal weiter in der Sporthalle am Phoenix-Gymnasium spielen.
„Die Situation bei den Sporthallen ist äußerst angespannt“, bestätigt Mathias Grasediek, Geschäftsführer des Dortmunder Stadtsportbundes. Gleichzeitig relativiert er aber auch. Mit Blick auf den Breitensport sei die Situation in Dortmund durchaus als komfortabel zu bezeichnen. Flächendeckend gebe es Kunstrasenplätze. Und der „über viele Jahre entstandene Sanierungsstau bei den Sportstätten“ werde Stück für Stück aufgelöst. „Allein in diesem Jahr sind drei neue Sporthallen im Dortmunder Norden fertiggestellt worden“, sagt Grasediek: die Halle des Heisenberg-Gymnasiums in Eving sowie die Sporthallen Nord 3 und 4 an der Burgholzstraße, die größte Einzelmaßnahmen des 2019 geschnürten Sporthallenprogramms.
Aufwendige Sanierungsarbeiten gibt es aktuell auch in den Freibädern Stockheide im Hoeschpark und Hardenberg in Deusen. Dass beide Bäder im Sommer 2024 deswegen geschlossen blieben, sei zwar ärgerlich, aber unvermeidlich, meint nicht nur Grasediek. Das fast 100 Jahre alte Freibad Hardenberg am Dortmund-Ems-Kanal, das größte in Dortmund, soll 2025 wieder öffnen, Stockheide erst 2026.
Es gebe aber auch gute Nachrichten für den Schwimmsport, meinen Westphal und seine SPD in einer gemeinsamen Antwort auf die Frage nach den Wahlzielen: „Zum ersten Mal seit Jahrzehnten“ sei 2024 wieder ein neues Hallenbad eröffnet worden: das neue Sportbad im Revierpark Wischlingen mit 25-Meter-Sportbecken mit fünf Bahnen, Drei-Meter-Sprungturm, Ein-Meter-Sprungbrett sowie Lehrschwimmbecken mit höhenverstellbarem Boden.
Ergebnis: 2020 hatte Dortmund 130 Turnhallen, also Einfachhallen, und 29 Sporthallen, also Zwei- oder Dreifachhallen. Im Jahr 2024 sind es 128 Turnhallen und 33 Sporthallen: unterm Strich also mehr Hallenfläche. Damit hat Thomas Westphal Wort gehalten. Ein wichtiger Beitrag fehlt aber noch: die Großsporthalle am U, die zwar beschlossen, aber immer noch nicht gebaut ist. Daher: Zielerreichung 75 Prozent.

Ziel: Stadtteilbibliotheken ausbauen
Für 76 Prozent der Menschen aus Dortmund spielen die Themen Sport, Bewegung und Gesundheit eine wichtige Rolle in der Lebensgestaltung. Damit sind die Bürgerinnen und Bürger der selbst ernannten Sportstadt etwas sportmuffeliger als der Rest der Nation (81 Prozent Aktivitätsquote), wie es eine Arbeitsgruppe der Sporthochschule für Sport und Management 2021 ermittelt hatte.
Für alle, die lieber anders ihre Freizeit verbringen, sind die Stadt- und Landesbibliothek und ihre Ableger in den Stadtbezirken gefragte Anlaufpunkte. „Die Stadtteilbibliotheken werde ich ausbauen und zu einer Technischen-Bürgerschule vernetzten“, hatte Thomas Westphal versprochen. Was das heißt, war im Wahlprogramm seiner SPD etwas konkreter zu lesen: Stadtteilbibliotheken „in jedem Bezirk ausbauen – oder neu aufbauen“.
Damit ist das Ziel hoch gesteckt: Dortmund hat zwölf Stadtbezirke. Neun davon haben eine Stadtteilbibliothek, drei nicht. Die Innenstadtbezirke galten bislang als mitversorgt durch die 1999 eröffnete zentrale Stadt- und Landesbibliothek gegenüber dem Hauptbahnhof. Dort sind die Arbeits- und Lesetische jedoch regelmäßig belegt. Das könnte eine eigene Bibliothek für die Nordstadt entzerren, wie sie inzwischen geplant ist. Die Initiative dazu kam aber nicht vom OB.
Die Grünen waren es, die 2020 mit dieser Forderung Wahlkampf gemacht hatten. Die Verwirklichung wurde 2022 beschlossen: ein gemeinsamer Antrag von CDU und Grünen. Die Umsetzung lässt aber auf sich warten. Zwar gibt es inzwischen ein Objekt (die Stadt hat die ehemalige Commerzbankfiliale am Mehmet-Kubasik-Platz gekauft, wo sich zurzeit zugewanderte Kinder auf einen Schulplatz vorbereiten), eine Machbarkeitsstudie und einen Zeitplan. Danach würde der neue Treffpunkt für Menschen jeden Alters 2027 öffnen - frühestens. Ob und wann auch eine Stadtteilbibliothek für die Innenstadt-Ost folgen wird, ist indes noch offen. Beantragt hatte das die CDU. Und nicht Westphal.
Längst gibt es in der Stadt- und Landesbibliothek mit ihren rund eine Million Medien neben Büchern auch ein wachsendes digitales Angebot: E-Books, Musik- und Filmstreaming, E-Zeitschriften und E-Learning. Seit 2021 lassen sich dort zudem immer mehr ganz analoge Dinge ausleihen: von Heckenschere über Karaokemaschine bis Saatgut. Leseförderung, interkulturelle Bibliotheksarbeit und Kultur- und Lernangebote speziell für Kinder, Jugendliche und Senioren machen die Bibliothek und ihre Dependancen zu sogenannten Dritten Orten, die neben dem Zuhause und dem Arbeits- und Ausbildungsort Raum bieten für Begegnung.
So etwas wird Thomas Westphal auch mit der „Technischen-Bürgerschule“ gemeint haben. Weder der Begriff noch die Initiative zu Weiterentwicklung der Bibliotheken stammt von ihm selbst. Im Februar 2020, mehr als ein halbes Jahr vor Westphals Wahl, war beides zu lesen im „Umsetzungskonzept zur Stärkung der Digital- und Medienkompetenz“, das der Rat damals noch unter Ullrich Sierau verabschiedet hatte.
Ergebnis: Ausbau und Vernetzung der Stadtteilbibliotheken laufen. Noch fehlen aber in zwei Stadtbezirken Bibliotheken. Für eine Bibliothek in der Innenstadt-Nord ist der erste Schritt getan. Das Ziel gilt deshalb als zur Hälfte erreicht: 50 Prozent.
Und hier geht es zur ganzen Serie „Westphals Ziele“.