OB-Kandidatin Storb will Bierpreisbremse - und hat Ideen zum „Nazi-Kiez“

© Ulrich Breulmann

OB-Kandidatin Storb will Bierpreisbremse - und hat Ideen zum „Nazi-Kiez“

rnOB-Wahl 2020

Sie ist 26, Wirtschaftsinformatikerin, Fan von Martin Sonneborn und Kandidatin der Satirepartei „Die Partei“. Judith Storb will mit skurrilen Ideen Dortmunds Oberbürgermeisterin werden.

Dortmund

, 11.07.2020, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Hat sie das jetzt wirklich gesagt? Meint sie das ernst? Diese Frau mit den langen, glatten dunkelblonden Haaren sagt sehr skurrile Dinge. Etwa, dass ihre Partei den Dortmunder Nazi-Kiez in die JVA verlegen will, dass ihre Partei für eine Bierpreisbremse eintritt und dafür, dass Trecker überall kostenlos parken sollen. Ach ja, und das Deutsche Fußballmuseum soll zum Korruptionsmuseum werden – auf Kosten des DFB.

Judith Storb sagt all das mit absolut ernster Miene, wie ein Politiker beim Verkünden seines Wahlprogramms. Dabei wartet man eigentlich nach fast jedem Satz auf ein Tätäää, tätäää, tätäää, dschingbum, wie im Karneval. Die 26-Jährige verkörpert beides, Politik und Posse, denn sie kandidiert für das Amt der Oberbürgermeisterin in Dortmund. Aufgestellt hat sie die Satirepartei „Die Partei“. Das ist die Truppe von Martin Sonneborn, die sogar mit ihm ins Europaparlament eingezogen ist.

Bei Martin Sonneborn kommen sich Narretei und Politik ja auch so nahe wie Bruder und Schwester. Bei denen ist es ja bekanntlich zuweilen ebenfalls so, dass der eine die andere – oder umgekehrt – mal absolut nervt und mal innig liebt.

Sie wohnt in Wickede bei ihrer Oma

Wie also kommt eine ebenso nette wie kluge junge Frau dazu, sich einer so aussichtslosen Sache wie einer OB-Kandidatur für eine Winz-Partei in Dortmund zu widmen? Wie kommt sie überhaupt in diese Satirepartei – den Begriff „Spaßpartei“ mag sie gar nicht? Und wer ist das überhaupt, diese Judith Storb?

Judith Storb ist eine Ur-Dortmunderin. Im Oktober 1993 wird sie in Dortmund geboren, hat eine Schwester und einen Bruder. Mit ihrer Familie lebte sie zunächst in der Innenstadt, danach in Wickede. Dort wohnt sie noch immer, bei ihrer Oma, erzählt sie. Sie tanzt gerne, früher Standard und Latein, heute eher Ballett und Jazz Dance.

2013 bestand sie am Immanuel-Kant-Gymnasium in Asseln ihr Abitur und begann ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik. Den praktischen Ausbildungsteil absolvierte sie in Solingen, den theoretischen in Mettmann in der Nähe von Düsseldorf.

Pendlerin zur Bank ins Bergische Land

Inzwischen arbeitet Judith Storb in der IT-Abteilung einer Bank in Wuppertal, pendelt also zwischen Dortmund und dem Bergischen Land. Wie lange noch, das weiß sie noch nicht, sagt sie, denn sie wolle ja schließlich Oberbürgermeisterin von Dortmund werden. „Ich gehe ganz klar davon aus: Ich werde in die Stichwahl kommen und am Ende die Stichwahl gewinnen und mir schöne neue Gardinen fürs Rathaus aussuchen“, sagt sie, das alles natürlich mit absolut ernster Miene.

Dann schiebt sie diesen Klassiker-Satz aus den „Weisheiten für Politiker, Band 1“ hinterher: „Wenn man von sich selbst nicht überzeugt ist, muss man gar nicht erst antreten.“

Was ihr Arbeitgeber zu ihren Plänen sagt? Sie grinst, schließlich hat sie gerade erst die Probezeit in der Bank erfolgreich hinter sich gebracht. Ihr Arbeitgeber finde es gut, wenn sie sich engagiere und wisse es auch zu schätzen, dass sie eine ganze Menge dabei lerne, aber: „So richtig glücklich wären die natürlich nicht, wenn ich jetzt Oberbürgermeisterin werde, denn die möchten mich auch behalten.“

Es zündete auf der Wahlsiegerparty – vor der Wahl

Judith Storb bleibt in ihrer Rolle, die ihren Anfang 2019 nahm, bei der Wahlsiegerparty, die – man ahnt es – vor und nicht nach der Wahl gefeiert wurde: „Das machen wir immer so, da kann man nicht enttäuscht sein“, sagt sie. „Ich hab‘ die Partei immer gut und lustig gefunden und verfolgt, hatte aber nie den Gedanken, da einzutreten, aber dann bin ich ins Gespräch gekommen. Die Leute waren nett und die Ideen fand ich gut. Da hab‘ ich mitgemacht“, sagt sie.

Und jetzt ist sie innerhalb kürzester Frist zur Spitzenkandidatin aufgestiegen: „Als jemand gesucht wurde, der Lust hat, den Herren und der einen Dame die Stirn zu bieten, da habe ich mich aufstellen lassen zur Wahl, um genau das zu tun.“ Am 8. März wählte die Kreiswahlversammlung der „Partei“ sie zur OB-Kandidatin. Seither wirbt sie um Unterstützung.

Die Solinger „Kandidatin der Herzen“

Die ihrer Partei hat sie, auch wenn sie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Dortmund vor kurzem doch ein wenig verärgert hat. Da krönte der Ortsverband Solingen Judith Storb, die seit Studienzeiten noch gute Beziehungen nach dorthin unterhält, zur Königin und wählte sie auch zur Oberbürgermeister-Kandidatin für Solingen. Das geht natürlich nicht, war aber auch gar nicht ernst gemeint, sondern auch eben nur ein großer Spaß, sagt Judith Storb.

In Solingen sei sie eben die „Kandidatin der Herzen“, in Dortmund trete sie ganz offiziell und richtig an. Das Rathaus in Solingen bestätigt, dass keine Kandidatur von Judith Storb angemeldet ist, in Dortmund aber schon, heißt es im Dortmunder Rathaus.

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Hier also wird es ernst, jetzt müsste es um Inhalte gehen. Da liegt es nun, das Wahlprogramm der „Partei“. Es ist „Der 10-Punkte-Plan für Dortmund“, auch wenn er zwölf Punkte auflistet. Wir sind schließlich hier bei der „Partei“. Die reichen von der heißen Luft, die man aus dem Rathaus lassen wolle, um damit das Windrad auf der Friedenssäule anzutreiben, bis zum letzten Punkt: „Wir wollen, was du willst! Schick uns deine eigenen Programmpunkte!“

Eigentlich eine nette Idee. Da muss man erst mal drauf kommen. „Ich persönlich möchte natürlich ein bisschen mehr die Bedürfnisse der Jugend, der Heranwachsenden da auch reinbringen“, sagt die Kandidatin staatstragend, „aber wir haben natürlich auch viele ältere Mitglieder – wir nennen sie Letztwähler.“ Tätäää, tätäää, tätäää, dschingbum. Tusch und ab zur Wahlurne, Judith Storb.

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