Noch ist es eine unbestätigte Nachricht, doch in der Dortmunder Politik und Wirtschaft kursiert das inzwischen erhärtete Gerücht bereits seit Wochen - wenn auch bisher oft noch ohne konkreten Namen, den unsere Redaktion allerdings herausgefunden und publik gemacht hat:
Der Dortmunder Unternehmer Martin Cremer könnte der bislang fünfte Kandidat für den Oberbürgermeister-Posten werden. Im Gegensatz zu Amtsinhaber Thomas Westphal (SPD), Alexander Kalouti (CDU), Katrin Lögering (Grüne) und dem chancenlosen Michael Kauch (FDP) würde Cremer dem Vernehmen nach keine Partei, aber möglicherweise Teile der Dortmunder Wirtschaft hinter sich haben. Welche Chancen hätte er in dem Rennen?
Einzelkandidaten in Dortmund erfolglos
Um als parteiloser Oberbürgermeister-Kandidat anzutreten, gibt es zwei Möglichkeiten: Eine ist die Nominierung über eine Wählergruppe. Im OB-Wahlkampf 2020 machte das zum Beispiel der Verleger Detlef Münch, der sich von der Freien Bürger Initiative aufstellen ließ. Die andere Möglichkeit ist die Kandidatur als Einzelbewerber ohne dahinterstehender Vereinigung. Davon machte 2020 der Jurist Carl Hendrik Draub Gebrauch. Erfolg hatte damit keiner. Draub bekam 1,2 Prozent der Stimmen, Münch 0,7 Prozent.
Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Köln: Die dortige Oberbürgermeisterin Henriette Reker war 2015 ebenfalls als Parteilose angetreten. Allerdings trat sie für die Grünen an und wurde von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützt. In Dortmund ist das Bild anders: Hier haben sich alle Parteien bereits auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin festgelegt, auch Linke und AfD wollen noch eigene Kandidaten vorstellen.
Kandidat nur für die Wirtschaft?
Im Fall von Martin Cremer könnte jedoch ein weiterer Faktor dazukommen: Aus der Dortmunder Wirtschaft gab es dem Vernehmen nach erste Signale, Cremer unterstützen zu wollen. Wer keinen großen Unterstützerkreis aus Freiwilligen hat, kann sich möglicherweise auch eine Agentur leisten, um Plakate zu erstellen und aufzuhängen. Wer genau hinter Cremer steht, ist bislang unklar.
Cremer sitzt im Aufsichtsrat von Wilo, ist Anteilsinhaber am Dortmunder Immobilienunternehmen JMC und war bis 2024 in verschiedenen führenden Positionen in den Segmenten Druck, Logistik und Immobilien bei Lensing Media tätig, zu der auch diese Zeitung gehört.
Der Name Cremer ist jedoch längst nicht allen in der Dortmunder Politik geläufig. Bei SPD und Grünen ist Martin Cremer wenig bekannt. „Wir verstehen die mögliche Kandidatur nicht als Reaktion auf unsere Kandidatin“, teilt Grünen-Chefin Hannah Rosenbaum mit. OB-Kandidatin Katrin Lögering gibt zu, eigentlich einen anderen Kandidaten erwartet zu haben. „Jemanden, den man in der Stadtgesellschaft zum Beispiel aus der Gremienarbeit kennt“.
Zudem bestünden die politischen Themenfelder im Kontext Stadt aus mehr als Wirtschaft, so Lögering. „Man muss Allrounder für alle Themen sein, und dieses Netzwerk sowie diese politische Bildung bieten Parteien.“
„Gelt entscheidet keine Wahlen“
Die SPD begreift Cremer vor allem als Reaktion auf den CDU-Kandidaten Alexander Kalouti. Er nehme im bürgerlichen Lager eine Unzufriedenheit mit ihrem Kandidaten war, sagt der Parteivorsitzende Jens Peick. Zudem sei Geld nicht das Ausschlaggebende im Wahlkampf. „Finanzmittel sind zwar eine Möglichkeit, sich bei Menschen, die einen bislang nicht kennen, bekannt zu machen“, so Peick. „Es geht aber auch darum, dass die Kandidaten hier in der Stadt verankert sind. Das scheint mir bei ihm nicht zu sein.“
Dass Cremer eine Konkurrenz für ihren OB-Kandidaten Kalouti sein könnte, bestreitet jedoch auch die CDU. „Ob er irgendeinen Erfolg hat, hängt davon ab, ob er genügend Unterstützer findet“, so Parteichef Sascha Mader. „Ich kenne bislang nur einzelne Unterstützer, es sieht mir nicht wie eine Volksbewegung aus.“
Ohne parteiliche Unterstützung werde er es schwer haben. Auch Alexander Kalouti sagt: „Mit Geld allein gewinnt man noch keine Wahlen.“ Aus der Mittelstandsunion gebe es keine Unterstützung für Cremer, man stehe geschlossen hinter Kalouti, sagt deren Vorsitzende David Finger. „Die Kandidatur Cremers scheint eher in kleineren Runden entstanden zu sein.“
450 Unterschriften nötig
Um als Oberbürgermeister-Kandidat auf dem Wahlzettel zu landen, müsste Cremer zunächst einige Hürden nehmen. In Dortmund benötigen Einzelbewerber 450 Unterschriften. Der ehemalige, gescheiterte Einzelbewerber aus dem Wahlkampf 2020 Carl Hendrik Draub erzählt: „Das Unterschriftensammeln ist mühsam. Du musst jedes Mal erklären, wofür man unterschreibt und dass man damit keine Lebensversicherung abschließt.“
Im Wahlkampf sei er bewusst nicht auf Social Media aktiv gewesen, habe dadurch aber wohl einiges an möglichem Bekanntheitsgrad nicht ausgeschöpft. Stattdessen habe er mehrmals in der Woche einige Stunden auf dem Westenhellweg gestanden. Sein direkter Unterstützerkreis habe aus sieben bis acht Personen bestanden, das Geld für gerade einmal 75 Plakate gereicht. Zum Schluss reichte es gerade einmal für rund 2.500 Stimmen.
„Wenn man nicht über das Budget von Elon Musk verfügt, schafft man es in Dortmund nicht ohne Kooperationen“, ist seine Schlussfolgerung heute. Wer sich hinter Martin Cremer stellt, wird in den nächsten Wochen klar werden. Bislang war Cremer wegen eines Auslandsaufenthalts selbst nicht zu erreichen.