Alexander wer? Selbst in der CDU ist der Name ihres potenziellen Dortmunder Oberbürgermeisters noch nicht allen geläufig. Alexander Omar Kalouti, 56 Jahre alt, leitet seit 2014 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Dortmunder Theaters, und dort vor allem die Musiksparten. Einen guten Job macht er dort, hört man von vielen Seiten. „Er ist sehr angenehm im Umgang“, sagt etwa Ulrich Wantia von den Theater- und Konzertfreunden.
Nun hat die CDU Kalouti als ihren Oberbürgermeister-Kandidaten für die Wahl am 14. September 2025 nominiert - und damit bei den Grünen für Stirnrunzeln gesorgt. Man habe versucht, einen gemeinsamen Kandidaten auf die Beine zu stellen, sagen sowohl CDU-Chef Sascha Mader als auch Grünen-Chefin Hannah Rosenbaum.
Die Chancen, gegen den amtierenden OB Thomas Westphal von der SPD zu gewinnen, wären dadurch gestiegen. Am Ende gab es keine Einigung.
Mader gibt sich dennoch überzeugt, dass Kalouti „deutlich besser geeignet ist als der Amtsinhaber.“ Für die Grünen war er dagegen keine Option, sie wollen Anfang 2025 einen eigenen Kandidaten aufstellen. Kann Kalouti alleine genug Stimmen sammeln?
Alexander Kalouti: „Dortmund ist wirklich einzigartig“
Der studierte Schauspieler hat bereits viele Lebensstationen hinter sich: 1968 geboren in Beirut, wuchs er als Sohn eines palästinensischen Mediziners und einer aus Brandenburg stammenden Deutschlehrerin in Weinheim auf, einer mittelgroßen Stadt zwischen Heidelberg und Mannheim.
In Stuttgart studierte er an der Staatlichen Schauspielschule und später in London am renommierten King‘s Collge und an der Royal Academy of Dramatic Arts. Später wohnte er in Oldenburg, Ingolstadt, Kassel, München und Berlin, bis er sich 2014 auf eine Annonce am Dortmunder Theater bewarb.
„Im Vergleich zu all den anderen Städten ist Dortmund wirklich einzigartig“, sagt er, „weil die Stadt für Zusammenhalt steht: zum Beispiel im Stadion, aber auch in den Kultureinrichtungen.“ Seit dem 3:2 im Champions League-Spiel 2013 gegen den FC Malaga ist Kalouti BVB-Fan und auch häufiger bei Spielen dabei. „Ich war schon immer ein extremer Fußballfan“, sagt er, obwohl sein Herz früher eher für eine andere Borussia geschlagen habe: Borussia Mönchengladbach.
Wollte nicht nur Schauspieler sein
Kaloutis Lebensmittelpunkt lag lange Zeit in Berlin, wo er bis heute eine Wohnung hat. Dort lebte er 34 Jahre zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen Frau und pendelte an die verschiedenen Theater-Spielstätten. Anfangs ans Staatstheater Oldenburg, wo er um die Jahrtausendwende erstmals die Gelegenheit hatte, große Rollen zu spielen, zum Beispiel in „Kugeln überm Broadway“ oder „Frühlings Erwachen“.
Eine Rolle als Bassist der Comedian Harmonists habe für ihn dann aber einen Wendepunkt markiert: „Die Menschen haben zwar applaudiert, aber inhaltlich habe ich eine große Distanz zu meiner Rolle gehabt. Als Schauspieler sagt einem immer jemand, was man zu tun und wie man zu sein hat. Ich habe die ganze Zeit daran gedacht, was ich anders machen würde.“

Deshalb wechselte er auf die unternehmerische Seite des Theaters. Bis 2004 arbeitete er am Staatstheater Kassel als persönlicher Referent des damaligen Intendanten Christoph Nix. „Er war ein Allrounder, hat mit mir den Haushalt des Theaters aufgestellt, ausländische Gäste empfangen und Pressemitteilungen geschrieben“, erzählt Nix. Kalouti habe er als loyal und menschlich aufrichtig empfunden, „wenn auch ein bisschen eigen. Er hatte immer so merkwürdige Anzüge an, er gab sich dadurch so einen Konservatismus.“
Kalouti entfacht Machtkampf bei FDP
Zu der Zeit begann er auch, sich kommunalpolitisch zu engagieren - und zwar bei der FDP. In Ingolstadt, seiner nächsten Station am Theater, avanciert er rasch zum Kreisvorsitzenden. Seine Vision: Ingolstadt mit einer repräsentativen Kunsthalle überregional bekannter machen - und nicht nur für Audi. Ingolstadt solle „eine Metropole werden, und nicht nur ein Vorort von München“.
Seine Kandidatur zum Bundestag bleibt aber erfolglos - und auch seinen Chefposten bei der FDP behält er kaum ein Jahr. Zwischen Kalouti und zwei langjährigen FDP-Veteranen war ein offener Machtkampf ausgebrochen. Der Donaukurier schrieb von einem „Generationenkonflikt“ und von einer „blanken Racheaktion“ Kaloutis, die er selber aber abstritt. „Kalouti war nicht zimperlich und grundsätzlich etwas forsch“, sagt Philipp Philippson heute, der damals Kalouti im Amt des Kreisvorsitzenden folgte.
Kalouti sei ein „flammender Liberaler“ gewesen, „für die alten Damen und Herren war das damals aber einfach zu viel.“ Über Kalouti sagt er: „Er ist ein Machtmensch und er weiß, was er will. Und er weiß sich durchzusetzen - auch gegen andere.“
Berater von bayerischem Minister
Genau das imponierte dem damaligen Generalsekretär und Spitzenkandidaten der FDP für den bayerischen Landtag, Martin Zeil. „Kalouti war sehr rürig, hatte gute Ideen und konnte gut mit den Medien“, erzählt Zeil. Er machte ihn 2008 zu seinem Wahlkampf-Manager - mit Erfolg. Zeil wurde bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident und nahm Kalouti als seinen persönlichen Referenten und Redenschreiber mit ins Ministerium. „Ich brauchte jemanden, der politisch denken und formulieren kann“, sagt Zeil. Im Ministerium legte Kalouti die politischen Linien mit fest, hielt den Kontakt zur FDP und kam mit auf Auslandsreisen. „Er hatte so etwas Kosmopolitisches“, berichtet Zeil. „Ich habe ihn geschätzt, weil er jemand war, der einem ehrlich seine Meinung gesagt hat. Er hat mir auch widersprochen.“

Er habe aber bald gemerkt, dass Kalouti Berlin wichtiger wurde als Bayern, auch aufgrund seiner dort lebenden Frau. Die FDP-Bundestagsfraktion warb ihn 2011 ab und setzte ihn als Referenten für die Bereiche Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik ein. Der damalige Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle hatte dafür im Angesicht des Arabischen Frühlings und des Libyen-Einsatzes einen Planungsstab innerhalb der Fraktion eingerichtet, dessen Teil Kalouti wurde.
Ihn beschäftigten die Themen so sehr, dass er an seiner alten Uni, dem King‘s College in London, den Online-Studiengang „Krieg in der modernen Welt“ belegte. Dort waren vor allem Amerikaner und Briten eingeschrieben, die im Irak oder in Afghanistan stationiert waren.
Kalouti tritt aus FDP aus
Der Glaube an die FDP fing dabei jedoch an zu bröckeln. „Mir war die Haltung von einem Großteil der FDP zu unernst und der Situation nicht angemessen“, sagt Kalouti. Der damalige FDP-Außenminister Guido Westerwelle hatte im Gegensatz zu den anderen Nato-Staaten die Bundeswehr aus der Militärintervention in Libyen herausgehalten. Eine Diskussion über eine europäische Armee habe damals in der FDP niemand führen wollen. „Es gab bei den Liberalen eine Blindheit, sich mit bestimmten Themen auseinander zu setzen“, sagt Kalouti. Die CDU unter Angela Merkel dagegen sei Probleme ernsthaft angegangen.
2013 scheidet die FDP aus dem Bundestag aus, damit verliert auch Kalouti seinen Job in der Fraktion. Sein Parteiaustritt folgt vier Jahre später, als er schon in Dortmund wohnt - er trat aus wegen Christian Lindner.
Auf einem Parteitag habe Lindner eine Anekdote über einen Migranten fallen lassen. Bei dessen Anblick habe sich Lindner gefragt: Ist der legal hier? „Da habe ich an meinen Vater gedacht“, sagt Kalouti, „das hätte Lindner auch über ihn sagen können. Das war der Punkt, wo ich mich entschieden habe.“
Diverse Rassismus-Erfahrungen
Kaloutis arabisch-palästinensische Herkunft sieht man ihm an. „Natürlich kenne ich Rassismus, seit meinem ersten Schultag.“ Die Lehrerin sei auf ihn zugekommen, erinnert er sich: „Sprichst du denn unsere Sprache, kannst du uns folgen?“
„Das war sicherlich keine Absicht von ihr. Aber meine Mutter ist Deutschlehrerin, ich konnte ihr sogar ziemlich gut folgen“, sagt Kalouti. Auch bei Castings sei ihm teils nur die Rolle eines „arabischen Drogendealers“ angeboten worden, bei der Marine stand an der Toilettenwand „Juden und Kalouti vergasen!“
Zuhause bei den Kaloutis wurde nur Deutsch gesprochen. Arabisch hat er nie gelernt, heute betrachtet er das eher als Manko. In London dagegen sei er immer „The German“ genannt worden. „Da habe ich dann gemerkt, wie sehr ich in dieser Kultur und in diesem Land verhaftet bin. Mir sagt niemand, wo ich hingehöre, sondern das bestimme nur ich.“
Seine Botschaft auch an die Dortmunder Migranten, die rund 40 Prozent der Einwohner ausmachen: „Begreift euch selbst als Deutsche, denn ihr seid Deutsche. Dies ist eure Heimat, euer Zuhause.“
Mehr Sauberkeit in der Innenstadt
Europäische Werte wie Offenheit, Demokratie und Freiheit will Kalouti auch in der Kommunalpolitik verteidigen. „Meine beiden Eltern mussten fliehen, meine Mutter aus der DDR, und mein Vater aus Israel. Das hat mir gezeigt, dass das System, was wir in Deutschland haben, das Menschlichste ist, was wir jemals hatten und wir es bewahren müssen.“
Wenn Leute aus Angst vor Drogenkonsumenten oder Kriminalität nicht mehr in die Dortmunder Innenstadt gehen wollten, verlören sie nicht nur ihr Vertrauen in die Stadt, sondern auch in das demokratische System. „Das ist gefährlich.“

In Dortmund will sich Kalouti vor allem für höhere Sauberkeit in der Innenstadt, die wirtschaftliche Stärke und besseren ÖPNV einsetzen. „Die Außenpolitik mache ich lieber zu Hause, wenn ich lese“, scherzt er. Dass Andreas Hollstein, für den er 2020 Wahlkampf gemacht hat, nur knapp gegen Thomas Westphal verloren habe, habe ihm gezeigt, dass die Dortmunder eben doch nicht so festgefahren seien. „Hier ist es egal, ob man seit Generationen hier lebt oder gestern erst angereist ist“, sagt er.
2022 hat Kalouti erfolglos versucht, für die Dortmunder CDU in den Landtag zu kommen. Schafft er es diesmal zum Oberbürgermeister?
Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals am 9.12.24 erschienen.