Jeder Pinselstrich muss sitzen: Volker Bley ist ganz vertieft in seine Arbeit. In der Werkstatt werden die Arbeiten ausgeführt, für die er eine besonders ruhige Hand braucht. © Stephan Schütze
Geigenbau
Nur der Krieg konnte Volker Bley von seinem Handwerk abhalten
Nach etlichen Berufswechseln hat Volker Bley in Dortmund zu seiner Passion, dem Geigenbau, zurückgefunden. Eine Geschichte über eine besondere Liebe, die auch seinen Sohn erfasst hat.
Kreuzviertel
, 06.07.2018 / Lesedauer: 5 minIn grüner Schürze sitzt Volker Bley in seiner Werkstatt im Kreuzviertel. „Das ist Mittenwalder Tradition“, erklärt er stolz. Denn an der renommierten Fachschule in Mittenwald hat er seine Grundausbildung zum Geigenbauer absolviert. Seine Werkstatt ist für jeden einsehbar. Große Fenster erlauben Einblicke in den Arbeitsalltag. Heute führt sein Sohn Jonathan den Betrieb. „Früher waren Geigenbauwerkstätten irgendwo im dritten Stock eines Wohnhauses. Nur Insider wussten von ihnen“, sagt Volker Bley.
Das wollte er ändern. Die Leute sollen sehen, wie gearbeitet wird. Nur für Arbeiten, bei denen sie sich sehr konzentrieren müssen, gehen er oder sein Sohn in den hinteren Teil der Werkstatt. Bei klassischer Musik aus dem Radio oder bei absoluter Stille wird dann gearbeitet. „Manchmal darf dann auch kein Telefon stören“, sagen beide. An die Tradition des Berufs erinnert auch die Einrichtung der Verkaufsräume und der Werkstatt: Stuck und Tapeten, die an Königshäuser erinnern.
Karriere mit Umwegen
Nach seiner Zeit in Mittenwald wollte der gebürtige Sachse sich in New York weiterbilden, zwei Jahre sollte die Ausbildung gehen. Eine Stelle bei einem berühmten Geigenbauer hatte Bley sicher. Doch zwei Wochen vor der Überfahrt mit dem Schiff entschließt er sich, die Reise abzusagen. Der Grund: seine pazifistische Einstellung. „Ich war damals einer der ersten Kriegsdienstverweigerer“, erzählt Volker Bley. Im Amerika der späten 60er Jahre, während des Kriegs in Vietnam, wurde man eingezogen und in den Krieg geschickt. Zwei Jahre hätte er den Wehrdienst ableisten müssen. Dann wäre er amerikanischer Staatsbürger geworden. „Das wollte ich ja gar nicht. Ich wollte meine Ausbildung abschließen und zurück nach Deutschland kommen“, sagt Bley.
Zahlreiche Instrumente finden sich heute in den Räumen des Geigenbaumeisters. © Stephan Schütze
Volker Bley absolviert seine Gesellenjahre in namhaften Werkstätten, unter anderem in Stuttgart. Dann, am 8. Juni 1968, ein einschneidendes Erlebnis, das seinen Werdegang enorm ändern soll. Zwölf Jahre lang wird er seine grüne Schürze an den Nagel hängen. „Nicht nur wegen meiner Ebenholz-Allergie“, sagt Bley und schnäuzt sich die Nase. In der Werkstatt, in der Bley zu dieser Zeit arbeitete, stand Ludwig Hoelscher, ein Cellist, der im Dritten Reich Karriere gemacht hatte. „In seinem Cello-Koffer lag ein Bild von ihm, auf dem er vor Adolf Hitler gespielt hat“, erzählt Bley. Da wurde ihm bewusst: für solche Kunden wolle er nicht arbeiten. Nur wenige Straßen von seinem Arbeitsplatz entfernt war die 68er-Bewegung im vollen Gange. „Deutschland brauchte keine Geigen, Deutschland braucht Trommeln“, war damals sein Einfall.
Nachdem er 2000 Trommeln gebaut hatte, führte Bley sein Weg in die Jugendarbeit. Über die politische und kulturelle Bildung, der Gründung des Kulturzentrums Schlachthof in Kassel und über diverse Bildungsprojekte für Studenten, kam er schließlich zum Kinder- und Jugendtheater nach Dortmund. Bei allem, was er machte, half ihm sein handwerkliches Geschick. Von Fotografieprojekten mit den Studenten bis hin zu Siebdrucken, die er für Künstler wie Andy Warhol anfertigte.
Dann schließt das damalige Kinder- und Jugendtheater in Dortmund. Mitarbeiter von Volker Bley zieht es zu anderen Theatern. Für Bley keine Option. Er war grade frisch verheiratet, hatte einen Sohn. „Meine Frau hätte mir einen gehustet“, sagt der 75-Jährige und lacht. 1982 eröffnet er sein Geschäft, zunächst in kleinen Räumlichkeiten am Neuen Graben. Vier Jahre später zieht der Betrieb in das heutige Ladenlokal. Grund dafür war der Platzmangel. „Als ich eine Lieferung von zwölf Contrabässen bekommen hatte und diese auf der Straße auspacken und bearbeiten musste, habe ich gemerkt, dass ich mehr Platz brauche“, sagt Volker Bley.
Wie der Vater, so der Sohn?
Heute, 36 Jahre nach der Gründung, führt sein Sohn das Geschäft. Auch Jonathan Bley legt seinen Fokus auf die Restauration von Streichinstrumenten. „Mir macht es Spaß, kaputte Sachen wieder so hinzubekommen, dass niemand sieht, dass sie repariert wurden“, sagt der 37-Jährige. Ob er immer schon Geigenbauer werden wollte? „Ich sage immer: Mir ist das Handwerk nicht in die Wiege gelegt worden, sondern die Wiege in die Werkstatt gestellt worden“, erzählt er. Seit er 15 Jahre alt ist, arbeitet er im väterlichen Betrieb. „Manchmal wäre ich auch gern kellnern gegangen“, erzählt Jonathan Bley. Aber seinem Vater zu helfen sei immer die bessere Alternative gewesen.
2002, nach seinem Abitur und dem Ersatzdienst, beginnt er die Ausbildung bei seinem Vater. Seit 2005 ist er staatlich geprüfter Geigenbauer und Geselle in der Werkstatt.
Das Familienunternehmen mit Tradition und Geschichte: Volker (l.) und Jonathan Bley lieben ihren Beruf. © Stephan Schütze
Die Werkstatt hat sich darauf spezialisiert, Streichinstrumente zu kaufen, zu restaurieren, zu verkaufen und sie an Schüler und Studenten zu vermieten. Dabei hat Volker Bley gelernt, Instrumente zu bauen. Stolz präsentiert er ein Arbeitsergebnis aus seiner Schulzeit. Eine sogenannte Gambe. 1963 gebaut, wurde sie von der Schule und dem Land Bayern bis nach Tokio gebracht und dort ausgestellt. Voller Stolz ist Volker Bley auch heute noch, wenn er das Instrument in den Händen hält.
Ebenso interessant wie Bleys Geschichte ist auch die der Viola-da-Gamba. Nachdem das Streichinstrument verkauft wurde, spielte eine Musikerin das Instrument. 50 Jahre später ist es wieder in Bleys Besitz. „Mein Sohn hat die Gambe im Internet wiedergefunden und dann haben wir sie zurückgekauft“, erzählt Bley strahlend. Bis heute spiele er das Instrument. Auch sein Gesellenstück von 1964 ist heutzutage noch in Volker Bleys Besitz. Ein Violoncello. Bis heute spielt er es und „keines klingt besser, keines sieht schöner aus“, sagt er, und man merkt deutlich, wie viel Freude er an seinen Instrumenten hat.
Zukunftspläne
Seit frühster Kindheit macht er Musik, baut und erfindet schon damals eigene Instrumente. Insgesamt 30 verschiedene Instrumente spielt der 75-Jährige. Dabei fertigt Bley viele seiner Werkzeuge selbst. „Gerade die Formen müssen immer an das zu bearbeitende Instrument angepasst sein“, erklärt er. Denn nur so kann es perfekt werden.
Dass der Laden auch in Zukunft Bley und Sohn heißen wird, darüber ist sich Volker Bley sicher. „Mein Sohn hat ja schließlich auch einen Sohn“, sagt er, lacht und greift zur nächsten Geige.
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