Jutta Falk, Mitglied der Anwohnerinitiative Kreuzstraße/Tremoniastraße, war gerade beim Einkaufen, als der Handy-Anruf kam. Am anderen Ende der Leitung: Bernd Raschke, Ingenieur in Diensten von Thyssenkrupp (tk) Services in Essen. In dem rund 15-minütigen Gespräch bereitete er Jutta Falk auf das vor, was Anfang Januar 2024 im Kreuzviertel kommen soll: zusätzlicher Schwerverkehr. „Ich hatte das anfangs gar nicht richtig verstanden“, sagt Jutta Falk. „Es sollte wohl eine Verfüllung anstehen.“
Die Botschaft ist richtig angekommen, wie die Anwohnerin der Kreuzstraße im späteren E-Mail-Verkehr mit Raschke feststellte. Kernpunkt: Ab Anfang 2024 müssen sich Anlieger wie Jutta Falk im westlichen Kreuzviertel für rund zwei Monate auf weitere Lkw gefasst machen. Ohnehin sind sie genervt von Sattelzügen, Lieferwagen und zwischenzeitlichem Baustellen-Verkehr, nun kommt nun eine neue Belastungsprobe auf sie zu.

Nach aktuellem Stand will tk ab 8. Januar über einen Zeitraum von „sechs bis acht Wochen“ täglich bis zu sechs 36-Tonner durchs Viertel schicken. Entweder über die Kreuzstraße oder über den Neuen Graben. „Die genaue Route ist noch unklar“, sagt tk-Ingenieur Raschke. Eng ist es überall. Beladen sind die schweren Lkw mit einem Gemisch aus Sand und Zement. Ihr Ziel ist ein Grundstück am Übergang der Haldenstraße in den Leierweg: Von dort aus will tk einen alten und fast vergessenen Tunnel aus der Bergbauzeit verfüllen – die Anlagen sind bereits aufgebaut.
"Maßnahme dringend erforderlich"
Der „Tremonia-Tunnel“ zieht sich über 400 Meter und hat seinen anderen Endpunkt in einem unscheinbaren Zugang, versteckt am Sportplatz am Hahnenmühlenweg. 1912 erbaut, diente die Anlage im Dortmunder Untergrund als Seilbahntunnel für Koks und Verfüllmaterial und war Teil des Verbundystems der Dortmund-Hörder Hüttenunion. Seit Kriegsende, sagt Raschke, sei der Tunnel nicht mehr genutzt worden. Er ist 4,50 Meter hoch und 3,50 Meter breit - den Kopf einziehen muss man nach dem Abstieg in die Tiefe nicht. Nun soll der große Hohlraum auf ganzer Länge verfüllt werden. Es handele sich um eine „dringend erforderliche Sicherungsmaßnahme“, hat Raschke in einer mail an Jutta Falk formuliert. „Wir wollen die dauerhafte Standsicherheit herstellen.“

Jutta Falk hat tk als Eigentümer der Anlage vorgeschlagen, die Arbeiten um fünf Jahre zu verschieben. Ihre Idee hat einen konkreten Hintergrund: 2029, so hat sie noch im Ohr, will die Stadt Dortmund endlich die Brücke an der Lange Straße über den DB-Gleisen neu gebaut haben. Sie weist unter anderem Schäden am Spannbeton auf und ist seit geraumer Zeit nur noch einspurig befahrbar – für besonders schwere Lkw gar nicht. Seitdem nehmen die Fahrzeuge (unter anderem vom und zum Werk Rothe Erde) den Weg von der anderen Seite und schleppen sich durch Wohngebiete.. Das nervt die Menschen seit Langem.

Dennoch: Eine Verzögerung um fünf Jahre, wie von Jutta Falk vorgeschlagen, lehnt tk ab. Wie lange das Bauwerk in der Erde nun tatsächlich noch vor sich hat? So ganz klar wird das nicht. „Ein Gutachten zur Standsicherheit gibt es nicht“, sagt Raschke bei der Besichtigung vor Ort. Trotzdem gehe man nicht davon aus, dass der Tunnel noch weitere rund fünf Jahre halten werde. „Wir wollten das Ganze eigentlich schon früher erledigen."
Rückfahrt über die Brücke?
Wie jeder andere Eigentümer, ist auch Thyssenkrupp für die Verkehrssicherung seiner Anlagen zuständig. Zumal der Tunnel 111 Jahre hinter sich hat - und oben von Eisenbahngleisen gekreuzt wird, über die einige DB-Linien führen. Etwa die Regionalbahn RB 52 vom Hauptbahnhof über Hagen nach Lüdenscheid. Oder die Züge der RB 53 nach Iserlohn. Die Stadt Dortmund ist über die Aktion von tk informiert. Da es im Tunnel Grundwasser gibt, hat sich tk von der Unteren Wasserbehörde des Umweltamtes die „wasserrechtliche Erlaubnis“ geholt - und mit der Stadtentwässerung Dortmund den Zeitplan abgestimmt. „Die Verfüllung“, heißt es dort auf Anfrage, „ist aus baulicher Sicht angezeigt und sollte nicht um Jahre verschoben werden.“

Spätestens Ende Februar soll die Arbeit am „Tremonia-Tunnel“ beendet sein. Bis dahin werden einige Anwohner wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen. Jutta Falk hat aber noch einen kleinen Funken Hoffnung, dass es nicht ganz so dicke kommen möge: Wenn schon nicht auf dem Hinweg, könnten die leeren Lkw zumindest auf dem Rückweg über die Brücke an der Lange Straße fahren.
Theoretisch sei das möglich, bestätigt Raschke. Fahrzeuge mit einem Gewicht bis zu 18 Tonnen, immerhin, dürfen das Nadelöhr passieren. Ein Lkw mit Leerfahrt kommt auf 12 bis 13 Tonnen. Wie in solchen Fällen üblich, hat Thyssenkrupp den Transport an eine Fremdfirma vergeben. „Wir können dem Unternehmen nicht vorschreiben, wo dessen Fahrzeuge herfahren sollen“, sagt Raschke. „Aber wir können ihm Empfehlungen geben.“
Faszinierende Bilder: Archäologen erforschen riesige Bunkeranlage unter Dortmund
Exklusive Hausbesichtigung in Traumhaus im Kreuzviertel: Video-Rundgang durch kernsanierte Stadtvill
Tempo-30-Schilder auf vielbefahrener Straße: So denken die Anwohner über die Verkehrsberuhigung