Was passiert mit nicht perfekten Lebensmitteln? © Katharina Roß

Lebensmittel

Noch gut? Nicht gut? Ab wann gehört das Obst in die Tonne?

Wird Obst, was nicht mehr perfekt ist, einfach weggeschmissen? Ein Einkauf in einem Supermarkt in Kirchlinde wirft Fragen auf: Wer darf entscheiden, wann Supermärkte ihre Lebensmittel wegwerfen?

von Katharina Roß

Kirchlinde

, 29.03.2021 / Lesedauer: 4 min

Lebensmittel sind ein hohes Gut. Das bemerken wir alle jeden Tag beim Einkaufen. Letztens in Kirchlinde: Bei einem Einkauf in einem Vollsortimenter wurde an der Kasse ein Stück Obst mit einer kleinen Fehlstelle aussortiert. „Das ist doch noch gut?“ Haben wir uns gesagt, durften es aber nicht kaufen.

Warum? Man könne es umtauschen, an der Kasse habe man seine Vorschriften, heißt es. Doch warum ist das so? Wird das Lebensmittel nun weggeworfen? Wer darf entscheiden, ab wann ein Lebensmittel ungenießbar für den Verbraucher ist und wer regelt, ob man es verkaufen darf? Passiert die Entscheidung an der Kasse oder vorab?

12 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle jedes Jahr

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (kurz: BMEL) schreibt in einer Pressemitteilung vom 11. März 2021, dass „rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland jedes Jahr entlang der Lebensmittelversorgungskette als Abfall entsorgt werden („Lebensmittelabfälle in Deutschland – Baseline 2015“)“.

Das ist erstmal viel. Was sagen die Supermärkte dazu? Wir sprechen mit den lokalen Pressesprechern. Im konkreten Fall des Kirchlinder Supermarktes bekommen wir als Antwort: „Der Sachverhalt lässt sich ohne Beschau des in Rede stehenden Obstes nur schwer klären.“ Konkrete Antworten auf unsere Fragen gibt es nicht. Nur die Information, dass man an die Tafel spende.

Auf Nachfrage bei der Konkurrenz, den Supermarktketten Lidl, Aldi, Rewe und Edeka Rhein-Ruhr stellt sich heraus: Viele tun schon einiges, um die unnötige Lebensmittelverschwendung zu stoppen. Ob und wie die Mitarbeiter tatsächlich und professionell im Umgang mit den frischen Lebensmitteln geschult werden, bleibt jedoch unklar. Es heißt im Stimmungsbild: „Sie werden je nach Bedarf ab und zu geschult.“

Retten Frischekontrollen das Lebensmittel?

Edeka Rhein-Ruhr schreibt uns, dass sie unsere Frage „nicht pauschal beantworten können.“ Auch bei Rewe gibt es nur wenige Informationen. Laut Aussagen der Supermarktketten Aldi Nord und Lidl soll durch schon vorab stattgefundene Frischekontrollen schlechtes Obst und Gemüse gar nicht mehr im Umlauf sein.

Was mit so manchen Lebensmitteln passiert ist unklar. © Katharina Roß

Doch rettet das die Lebensmittel? Lastet die Verantwortung über die Entscheidung eines „noch guten“ Lebensmittel folglich bei den sogenannten „Frischebeauftragten“ von Lidl oder bei den Kassierern und Kassiererinnen von Rewe?

Die frischen Lebensmittel werden bei den Supermärkten „täglich geprüft“, heißt es von Lidl. Lidl nutzt beispielsweise das Konzept: „Ich bin noch gut“. Hier werden einige Tage vor Erreichen sowie bei Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums Waren mit „50 Prozent“-Rabatt versehen und in einer grünen Box mit der Aufschrift „Ich bin noch gut“ angeboten.

Bei Aldi Nord heißt es „dass in der Regel an der Kasse, speziell bei Obst, auf Druckstellen hingewiesen werden solle“. Danach könnten Kunden entscheiden, ob sie das Obst kaufen. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass die Alternative der Weg in die Mülltonne ist.

Bestrebungen, das Obst sofort zu reduzieren, gibt es auf Nachfrage von Lidl, Edeka und Aldi Nord nicht. Wenn man etwas nicht mehr verkaufen kann, heißt es von Aldi, werde es „leider entsorgt“.

Obst soll möglichst makellos sein. © Katharina Roß

Anders verhält es sich bei einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schreibt uns an dieser Stelle ergänzend: „Die Verantwortung über die Sicherheit der Ware im Falle einer Weitergabe liegt uneingeschränkt beim jeweiligen Lebensmittelunternehmen (...) Bei überschrittenem Verbrauchsdatum darf die Ware nicht mehr in den Umlauf gebracht werden.“ Sicherheit stehe an erster Stelle und diese habe in diesem Fall der Supermarkt zu leisten.

Seitens Aldi Nord heißt es daher ganz klar: „Bei einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum sind unsere Mitarbeiter dazu angehalten, diese Artikel, auch wenn vom Kunden gewünscht, nicht mehr zu verkaufen, da nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr gewährleistet werden kann, dass die Ware einwandfrei ist.“

Das BMEL bietet Unternehmen an, innerhalb der „Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ eine Beteiligungserklärung an Wahlpflichtmaßnahmen zu unterzeichnen.

In dieser können sich die Unternehmen in mindestens vier von 13 Maßnahmen dazu verpflichten, die dort festgelegten Maßnahmen umzusetzen und dabei alle drei Kategorien abzudecken.

Diese sind:

Maßnahmen an den Schnittstellen zu den LieferantenInterne Markt-MaßnahmenVerbesserung der Weitergabe nicht mehr verkaufs- aber noch verzehrfähiger Lebensmittel

Im Punkt „Schnittstellen zu den Lieferanten“ heißt es, man verpflichte sich: zum Verkauf von Obst und Gemüse mit „Schönheitsfehlern“.“ Was das genau heißt und wer sich genau dazu verpflichtet hat, wird nicht weiter ausgeführt.

Fazit

Im Beispiel des Kirchlinder Supermarktes ist aufgefallen, dass nicht klar ist, was mit den Lebensmitteln geschieht, die nicht mehr gespendet oder verkauft werden können. Am Ende ist es die oder der verkaufende Mitarbeiterin oder Mitarbeiter, die/der die Lebensmittel sichtet, entscheidet, aussortiert und wegwirft. Fest steht jedoch: Keiner der Pressesprecher der oben genannten Ketten konnte uns detailliert erklären, wie die Mitarbeiter geschult werden. Der Verkauf von Obst und Gemüse mit „Schönheitsfehlern“ ist vage definiert.

Die gute Nachricht

Eine gute Nachricht gibt es dennoch, im Handel fallen „nur“ eine halbe Tonne Lebensmittelabfälle an, das sind gerade mal vier Prozent der gesamten Lebensmittelabfälle, welche in Deutschland pro Jahr entstehen. Das ist nicht wenig, aber weniger, als die etwa 6,1 Millionen Tonnen (52 Prozent), die wir alle im Haushalt entsorgen.

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