
© Susanne Riese
Neue Wohnungen in der alten Polizeiwache Hörde
Wohnprojekt
In der ehemaligen Polizeiwache Hörde sollen 23 neue Wohnungen entstehen. Ein kurioses Tauchbecken im Keller gehört dazu – und ebenso das düstere Kapitel in der Geschichte des Gebäudes.
Lange Flure mit vielen Türen, schmucklose Räume, gleichförmige Fensterreihen und ein zentrales Treppenhaus: Die ehemalige Polizeiwache in Hörde ist ein typisches Behördenhaus. Ein Wohnprojekt aber soll etwas ganz Besonderes aus der rot verziegelten Immobilie an der Alten Benninghofer Straße machen, aus der die Polizei 2014 ausgezogen ist.
„Wir aufm Revier“ will die alte Hörder Wache zu einem Zuhause für ganz unterschiedliche Menschen entwickeln. Familien, Singles, junge Menschen und Senioren sollen dort einziehen. Sie sollen aber nicht nur in einer der 23 Wohnungen leben, sondern auch die Gemeinschaftsräume und die Projektidee mit Leben füllen.
Angela Roelofsen hatte schon lange nach so einem Projekt gesucht und war gleich dabei, als die Idee im Frühjahr 2018 entstanden ist. Ebenso Evi Müllenberg. Sie fände es gut, nicht alleine zu wohnen, aber trotzdem auch mal die Tür hinter sich zumachen zu können. „Man kann sich spontan treffen, ohne sich erst groß zu verabreden“, sagt sie.
Christoph Klein schätzt besonders den Mehrgenerationen-Gedanken. „Hier sind alle Altersklassen vertreten“, sagt der 78-Jährige, der sich für eine kleine Wohnung im Erdgeschoss entschieden hat. Die jüngste zukünftige Mitbewohnerin ist noch kein Jahr alt.

Der kleine Josha fühlt sich schon zuhause, auch wenn es bis zum Einzug noch eine Weile dauern wird. © Susanne Riese
Ein attraktives Wohnumfeld, nette Nachbarn und bezahlbare Mieten – all das bewegte auch Martin Lohsträter und Silvia Beckmann dazu, sich an dem Vorhaben zu beteiligen.
Inzwischen sind mehr als die Hälfte der genossenschaftlichen Wohnungen vergeben, sagt Birgit Pohlmann, Expertin für gemeinschaftliches Wohnen. Sie begleitet das Projekt.
Empfangstresen der alten Wache steht noch
Silvia Beckmann zieht mit ihrer Frau und den Kindern Noah (3) und Josha (1) in eine große Wohnung in der Hochparterre, zu der auch die Rezeption der alten Wache gehört. Der Empfangstresen, an dem einst die Bürger Anzeigen aufgaben, steht noch.
Zur anderen Seite schauen Silvia Beckmann und ihre Familie auf den großen Hinterhof. Die fünf Garagen sollen zu Fahrradstellplätzen werden, gegenüber entstehen Carports mit begrünten Dächern. Ein kleines Backsteingebäude, die ehemalige Heizzentrale, soll zu einem Gartenhaus umfunktioniert werden.
Ein Voll- und ein Dachgeschoss kommen hinzu
Die drei Geschosse des alten Reviers werden um ein Voll- und ein Dachgeschoss aufgestockt. 1700 Quadratmeter Wohnfläche sind dann zu vergeben, verteilt auf Wohnungen mit 34 bis 130 Quadratmetern. Bis auf eine Wohnung haben alle einen Balkon oder eine Terrasse.
Ende 2021/Anfang 2022 hoffen die Genossen und Genossinnen einziehen zu können. Bis dahin trifft sich die zukünftige Hausgemeinschaft alle 14 Tage – zurzeit virtuell –, um sich besser kennenzulernen und weitere Schritte zu besprechen.
Die zukünftigen Bewohner setzen Eigenkapital ein und zahlen ein monatliches Nutzungsentgelt. Langfristig sollen die Mieten sinken. Wer aussteigt, erhält seine Einlagen zurück. Von der Wertsteigerung der Immobilie profitiert er dann allerdings nicht.
Mieter sind zugleich auch Eigentümer
In dem genossenschaftlichen Projekt sind die Beteiligten Mieter und Eigentümer zugleich. Das bedeutet, sie können alle Entscheidungen mitbestimmen und sichern sich auf Lebenszeit ihr Wohnrecht bei stabilem Mietpreis.
Die Kooperativ eG ist Eigentümerin der Immobilie und damit faktisch Vermieterin, die Bewohner sind Miteigentümer der Genossenschaft und gleichzeitig Nutzer in der eigenen Wohnungsgenossenschaft.
Jeder Genosse muss Pflichtanteile für seine Wohnung zeichnen, rund 600 Euro pro Quadratmeter. Die Miete soll zwischen 6,20 bis 7 Euro bei den geförderten Wohnungen liegen und bei 9,50 bis 10,50 Euro für die freifinanzierten Wohnungen. Die Mischung soll Menschen mit unterschiedlichen finanziellen Ressourcen zusammenbringen.
Düsteres Kapitel in der Geschichte ist Bewohnern bewusst
Ihnen allen stehen ein Gemeinschaftsraum, Gästezimmer und das Gartenhaus zur Verfügung. Ein Mittelpunkt des Miteinanders soll der große Dachgarten werden. Auch die gemeinsame Nutzung von Lastenrädern und Car-Sharing sind geplant.
Angela Roelofsen fand die Geschichte ihres zukünftigen Zuhauses zunächst nicht so ansprechend, aber es war genau das Projekt, was sie suchte. „Eine ehemalige Polizeiwache ist natürlich nicht so attraktiv, aber die Wohnungen haben große, helle Räume.“

Eine Gedenktafel an der Fassade erinnert an ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Polizeigebäudes. Sie soll erhalten bleiben. © Felix Guth (Archiv)
Ein düsteres Kapitel in der Geschichte der alten Wache, in deren Keller während der NS-Zeit ein Gestapo-Gefängnis untergebracht war, ist den neuen Bewohner bewusst. Auch zukünftig sollen Kranzniederlegungen und die Gedenktafel an der Frontseite an die Verbrechen erinnern, die einst dort stattgefunden haben. „Aber wir haben jetzt die Chance, dem etwas Positives gegenüberzustellen“, sagt Silvia Beckmann.

Das alte Tauchbecken im Keller des Gebäudes. © Susanne Riese
Wie mit den etwas kuriosen Überresten der jüngeren Vergangenheit im weitläufigen Keller umgegangen wird, darunter ein tiefes türkisfarben gefliestes Becken, ist noch nicht entschieden. Birgit Pohlmann vermutete, es handelt sich um ein Tauchbecken, das zu einer Sauna gehörte: „Die Polizei hatte offenbar einen Sinn für Work-Life-Balance.“
Seit 2001 in der Redaktion Dortmund, mit Interesse für Menschen und ihre Geschichten und einem Faible für Kultur und Wissenschaft. Hat einen Magister in Kunstgeschichte und Germanistik und lebt in Dortmund.
