Es war eine zähe Sitzung. Rund vier Stunden waren die Kontrolleure im Aufsichtsrat von DSW21 damit beschäftigt, sich über die Vorgänge zum Gas- und Stromeinkauf bei der Unternehmenstochter DEW aufklären zu lassen. Am Ende der Sitzung (2.7.) stand für die Kontrolleure fest: Heim ist nicht zu halten. OB Thomas Westphal, Aufsichtsratsvorsitzender bei DSW21 und DEW, wurde beauftragt, über einen Aufhebungsvertrag zu verhandeln.
Den Anstoß gab ein brisantes Papier der renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Sie war in einer zurückliegenden Sitzung vom DEW-Aufsichtsrat beauftragt worden, den Energieeinkauf im Krisen-Herbst 2022 genauer zu beleuchten. Der hatte später vor allem beim DEW-Gesellschafter Westenergie Fragen aufgeworfen.
Bei ihren Untersuchungen haben die Prüfer nun festgestellt, dass die damalige DEW-Chefin Heike Heim die vorgegebene „Risikokalkulation“ beim Energieeinkauf missachtet haben soll. Die Abwägung aller Risiken ist für Energieversorger enorm wichtig. Insbesondere bei einem völlig verrückt spielenden Energiemarkt wie 2022, als die Preise durch die Decke schossen. Ein Knackpunkt ist dabei die Frage, ob die Preise noch weiter steigen oder ob sie auf Sicht sinken? Und: Zu welchem Zeitpunkt soll gekauft werden?
Risikogrenze überschritten
Da die Energiepreise teilweise schon Ende 2021 anzogen, war das Thema Beschaffung bereits Gegenstand einer früheren DEW-Aufsichtsratssitzung im vierten Quartal 2021. Dabei hatten die Kontrolleure der DEW-Chefin einen „Risikorahmen“ bis zu rund 13 Millionen Euro genehmigt. Tatsächlich, so die PwC-Prüfer, soll dieser „Risikorahmen“ bei DEW später auf gut 89 Mio. Euro erhöht worden sein – eigenmächtig am Aufsichtsrat und an den beiden DEW-Gesellschaftern DSW21 und Westenergie vorbei.
Offenbar sind die Prüfer der Meinung, die Gremien hätten bei einer solchen Limit-Überschreitung zwingend informiert werden müssen. Stattdessen, so stellen die Prüfer fest, sei die Entscheidung im DEW-internen „Risikokomitee“ gefallen; einer kleinen Runde, der die damalige Chefin Heim vorsaß. Weitere Mitglieder sollen u.a. der damalige DEW-Prokurist Dominik Gertenbach (gleichzeitig Geschäftsführer von stadtenergie) sowie der von Heim engagierte Interims-Leiter Handel gewesen sein, der zuvor als Energieberater tätig war. Beide haben DEW inzwischen verlassen.
Auch die Änderung der Beschaffungs-Strategie soll mit den Gremien nicht abgesprochen worden sein. Statt sich auf einem verrückt spielenden Markt Stück für Stück vorsichtig mit Tranchen einzudecken, soll die Energie für gleich drei Jahre geordert worden sein. Die teuer gekauften Margen sollen noch das Jahr 2025 abdecken. Hinzu kommt, dass DEW sogar zehn Prozent über den eigentlichen Bedarf hinaus eingekauft habe, wie die Prüfer notieren.
DEW muss unter Preis verkaufen
„Es gab wohl die Befürchtung, dass Billig-Anbieter während der Energiekrise in die Knie gehen und Dortmunder Kunden in die Grundversorgung von DEW strömen“, heißt es in Kreisen, die mit den Vorgängen vertraut sind. Umgekehrt aber seien die Potenziale, die sich damals aus den Appellen zur Energieeinsparung ergaben, bei den Überlegungen wohl außer Acht gelassen worden.
Was heißt das alles nun für DEW? Grob formuliert, sitzt Dortmunds Versorger jetzt auf Kontingenten, die damals teuer gekauft worden sind – und die DEW nun zu niedrigeren, aber immer noch stattlichen Preisen wieder loswerden muss. Daraus ergibt sich unter dem Strich für DEW ein millionenschwerer Schaden, der abschließend wohl erst Ende 2025 beziffert werden kann.
Laut PwC sei bereits ein Schaden von rund 40 Mio. Euro eingetreten, der sich schlimmstenfalls auf 100 Mio. addieren könne. Weshalb sich für die Aufsichtsräte die Frage nach Schadenersatz stellt – und sie Heim nicht aus der Haftung entlassen wollen. Sollte es so kommen, müsste ihre Versicherung einspringen.
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