Von unten dröhnt der Verkehrslärm bis ins Büro von Planungsdezernent Stefan Szuggat hoch oben im Stadthaus am Südwall. Von Verkehrswende ist noch nicht viel zu spüren. Doch sie spielt eine wichtige Rolle beim Ziel, Dortmund klimaneutral zu machen. Der Weg dahin ist kompliziert, erklärt der seit Anfang März amtierende Planungschef der Stadt.
Sie haben bei ihrem Amtsantritt das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 für Dortmund als größte Herausforderung bezeichnet. Jetzt wurde schon eingeräumt, dass das Ziel wohl nicht zu erreichen ist. Woran liegt es?
Ich sehe es weiterhin als Herausforderung, das tatsächlich zu schaffen. Es geht ja nicht nur um den politischen Auftrag, das Klimaziel 2045 umzuschreiben auf den Zeitraum bis 2035, sondern vor allem um die Zielerreichung von Klimaneutralität. Ich sehe eine besondere Verantwortung für die Industrieländer.
Aktuell gibt es eine gutachterliche Einschätzung, die darauf hinweist, dass die CO2-Einsparung rechnerisch nur dann erreicht werden kann, wenn die durchgehenden Autobahn-Verkehre durch Dortmund, soweit diese noch mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, herausgerechnet werden dürfen und eine nachhaltige Stromerzeugung berücksichtigt werden darf. Beides ist in unserer bundesweit abgestimmten Bilanz nicht möglich.
Um zum heutigen Zeitpunkt seriös zu sagen, dass das Ziel zu erreichen ist, müssten die Bilanzierungsgrundlage und die zu berücksichtigten Eingangswerte im Zieljahr 2035 feststehen. Ich nehme an, dass sich dazu noch Änderungen ergeben werden.
Ein Problem ist, dass viele Verkehrswende-Projekte innerhalb der Stadt nur sehr langsam vorankommen. Bestes Beispiel ist der Radschnellweg Ruhr (RS1).
Bei der Klimaneutralität geht es insbesondere um die Treibhaus-Gase. Es geht darum, ein erhebliches Maß an CO2-Äquivalenten zu reduzieren. Dabei gibt es drei wesentliche Sektoren: Das sind Industrie und Gewerbe, das sind die privaten Haushalte und das ist der Verkehrsbereich. Alle drei Sektoren müssen ihre Leistung erbringen, um das Ziel zu erreichen. Wir sind als Stadt aber gar nicht allein in der Lage, die nötigen Einsparungen im Industrie- und Gewerbesektor zu realisieren. Wir können allenfalls Rahmenbedingungen verbessern. Die Unternehmen sind aber sehr ehrgeizig unterwegs. Die Geschwindigkeit ist von außen allerdings schwer einzuschätzen.
Bei den privaten Haushalten ist es ähnlich. Wir unterstützen mit Förderprogrammen und Öffentlichkeitsarbeit. Bei der Wärmeversorgung sind wir aber letztlich darauf angewiesen, dass die Menschen selbst umrüsten und sich beispielsweise an die klimaneutrale Fernwärmeversorgung anschließen. Dazu können wir als Stadt mit der DEW die Voraussetzungen schaffen. Mit einem Energienutzungsplan erarbeiten wir gemeinsam die Potenziale für den notwendigen Netzausbau.
Während der Bundestag momentan über das Gesetz berät, kommunale Wärmeplanung zur Pflicht zu machen, sind wir mit dem Energienutzungsplan weiter. Im Bundesvergleich arbeiten wir in dieser Hinsicht vorauseilend. Bis Ende dieses Jahres wird ein Entwurf vorliegen, um im nächsten Jahr einen Beschluss fassen zu lassen.

Wie steht es um die Verkehrswende?
Entscheidend ist hier, wieviel CO2-Emissionen im Verkehrsgeschehen eingespart werden. Beiträge dazu leisten die Umstellung auf batteriebetriebene Antriebe in allen Fahrzeugkategorien und der Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Fahrrad oder ÖPNV. Die Verkehrswende ist in Wahrheit eine Verhaltenswende und eine Antriebswende. Zur Unterstützung dieser Veränderung gehört ein ganzes Maßnahmenbündel: Etwa der Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur, aber auch die Angebotserweiterung im öffentlichen Nahverkehr. Es geht um Alternativangebote für das Auto, die den Nutzer*Innen schnelle, flexible und günstige Erreichbarkeiten sichern
Die Herausforderung ist gewaltig. Dazu gehört, dass wir organisatorisch Ressourcen bereitstellen. Mit der Gründung des Verkehrswendebüros ist ein Stab von 24 Mitarbeitern vorgesehen. Davon sind 19 Neueinstellungen. Das befindet sich noch im Aufbau. Die Stellenausschreibungen laufen. Ich gehe davon aus, dass wir Mitte nächsten Jahres vollzählig sein werden.

Wie geht es beim RS1 weiter?
Es gibt es viel Abstimmungsbedarf auch mit den übergeordneten Behörden. Die Strecke ist mit 24 Kilometern entsprechend lang. Eine konkrete Linie über die Gesamtstrecke existiert noch nicht. Die Linienbestimmung ist Hoheitsaufgabe des Landes. Dieses Jahr soll noch ein Antrag für die Linienbestimmung eines Abschnittes eingereicht werden. Es wird zeitgleich in der Detailplanung weitergearbeitet. Zu dem nächsten Abschnitt in der Sonnenstraße soll es bis Ende des Jahres einen Vorentwurf geben, der der Öffentlichkeit Anfang 2024 vorgestellt werden soll.
Die Aussagen von Stefan Szuggat zur City sind Teil eines ausführlichen Interviews zu verschiedenen Planungsthemen, das wir in den nächsten Wochen nach und nach dokumentieren.
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