Nach Vorfall mit Riesen-Hai in Dortmund Wie kommen die Nutrias in den Park?

Nach Vorfall mit Riesen-Hai: Wie kommen die Nutrias in den Park?
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Im Teich des Fredenbaumparks im Dortmunder Norden leben mehrere Nutrias in Familienverbänden. Ihr natürliches Leben kollidierte zuletzt mit dem Freizeitspaß der Menschen im Park.

Durch ihre Bau-Aktivitäten wurde die Konstruktion einer 15 Meter hohen Hai-Figur auf dem Phantastischen Lichter-Weihnachtsmarkt instabil und stürzte letztlich durch den Wind auf die Seite.

Zählung ist schwierig

Wie viele dieser Wassertiere es im Park gibt, ist laut Jan Hohmann, Geograph aus Dortmund an der Ruhr-Universität, schwer zu bestimmen. „Sie zu zählen, ist ziemlich aufwändig“, sagt Hohmann, der vor Kurzem eine wissenschaftliche Arbeit zur Verbreitung der Tiere an den Gewässern in Westfalen veröffentlicht hat.

Lichterweihnachtsmarkt-Veranstalter Gisbert Hiller schätzt die Zahl der Tiere auf knapp 60. Das scheint möglicherweise etwas hoch gegriffen. „Meistens leben sie in Familienbeständen mit maximal 10 bis 15 Tieren“, sagt Jan Hohmann.

Verbreitet an Ruhr und Lippe

Fakt ist anhand der Beobachtungen des Dortmunder Experten: Die aus Südamerika stammenden Nager sind an den Ufern von Ruhr und Lippe verbreitet.

In Dortmund hat Hohmann Bestände rund um den Hengsteysee sowie am Emscherlauf bis zum Roßbach in Mengede und Huckarde nachgewiesen.

Ein einzelnes Exemplar beobachtet Hohmann bereits im Phoenix-See, der von der Emscher gespeist wird. Bisher ist das ein Einzelfall, aber es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass auch dieses Dortmunder Gewässer zu einem potenziellen Lebensraum für Nutrias wird.

Tiere sind frostempfindlich

„Was ihnen in die Karten spielt, ist, dass es seit 2014 keinen härteren Winter mehr mit Frostperioden gab. Deshalb können sie sich hier verbreiten“, sagt er.

Das erklärt immer noch nicht, wie diese laut EU-Recht als „invasive Neozoen“ definierten Tiere in einen Parkteich kommen, auf dem sonst Tretboote umherschippern. Einen direkten Zugang zu einem fließenden Gewässer gibt es im Fredenbaum jedenfalls nicht.

Das erste Paar wurde schon vor circa sieben Jahren gesichtet. „Es ist nicht auszuschließen, dass hier einmal Tiere ausgesetzt worden sind“, sagt Jan Hohmann.

Import für die Pelzindustrie

Der Grund, dass die Biberratten überhaupt ihren Weg in die nord- und mitteleuropäische Fauna gefunden haben, ist – wenig überraschend – der Mensch. Nutrias wurden in der Vergangenheit hauptsächlich für die Pelzindustrie gezüchtet und importiert.

Eine Nutria-Familie im Fredenbaumpark.
Eine Nutria-Familie im Fredenbaumpark. © Gisbert Hiller

Dort, wo Pelzfarmen schlossen, wurden Tiere vielfach ausgesetzt. Andere brachen aus. Weil sie durch Klimaveränderungen günstige Lebensbedingungen vorfanden, konnten sie sich etablieren.

Keine Futter-Konkurrenz

Nutrias ernähren sich von Röhricht, also Schilf und andern Wassergewächsen. Sie sind laut Hohmann keine Fress-Konkurrenz für die lokale Tierwelt. „Sie sind in der heimischen Fauna etabliert“, sagt der Wissenschaftler, der unter anderem zu Stadt- und Landschaftsökologie forscht.

Ein weiterer Faktor für die Vermehrung: Der Kontakt der Tiere zu Menschen. Weil viele – auch Parkgäste im Fredenbaum – den Nagern gerne Gemüse, Salat oder andere Lebensmittel zuwerfen. Für die Nutrias ist das meist ungefährlich – und die gute Verpflegung hilft, sich weiter anzupassen.

Beispiel Bad Sassendorf

Im Kurort Bad Sassendorf hat der (zu) gute Kontakt zwischen Mensch und Nutria für die Tiere kein gutes Ende genommen. Die Gemeinde hat den Bestand durch Jagd dezimiert, weil die „die Natur durcheinander bringen“, so der Bürgermeister im Jahr 2021.

In Dortmund droht das nicht. Die pelzigen Tiere werden wohl ein Teil des Stadtbilds bleiben. Auch im Fredenbaumpark.

Dort ist die Geschichte von „Bruce“, dem Gefallenen Anlass, in Zukunft bei Veranstaltungen im Fredenbaum auch darüber nachzudenken: Was ist mit den Nutrias, von denen niemand genau weiß, wie sie in den Park gekommen sind?

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