Wie geht es weiter an der Chorakademie Dortmund – nun, da ein schwerer Vorwurf gegen eine Lehrperson im Raum steht? Zu sexualisierter Gewalt gegen ein Kind soll es gekommen sein. Und auch wenn die betreffende Person bereits nicht mehr Teil der Chorakademie ist – Vorstand und Eltern trafen sich direkt am Wochenende.
„Es ist bei niemandem der Eindruck entstanden, dass etwas vertuscht werden sollte“, sagt ein Vater nach diesem internen Gespräch. Ganz im Gegenteil: Gemeinsam habe man überlegt, welche Schlüsse man aus diesem Fall ziehen könne.
Schutzkonzept schon in Arbeit
Konstruktiv und sachlich habe man miteinander geredet – das berichten Eltern und Vorstand übereinstimmend. Ohnehin sei man sich einer Gefahr schon vorher bewusst gewesen, unterstreicht Geschäftsführer Stephan Quehl: dass man einen sexuellen Übergriff nie hundertprozentig ausschließen könne, so viele Vorsichtsmaßnahmen man auch treffe.
Ein Kinderschutzkonzept sei längst auf dem Weg. Nun stelle man sich gemeinsam die Frage: Lässt sich irgendwo noch etwas verbessern? Und für eine Anregung aus der Elternschaft sei man tatsächlich sehr dankbar.
Zusatz für die Verträge?
Schon jetzt ist festgelegt, dass Unterricht nur in den Räumen der Chorakademie selbst, niemals in Privaträumen stattfinden darf. Viele Übungsräume haben zudem Glastüren. Und es gibt die Möglichkeit, den Unterricht aufzuzeichnen.
Sollte man dieses Detail nicht zukünftig in die Verträge schreiben, die Chorakademie und Eltern unterschreiben? So der Vorschlag aus der Elternschaft. Sehr gute Idee fand der Vorstand. So schaffe man das Bewusstsein, dass entsprechendes Fehlverhalten verdächtig sei.

Vorstand handelte schnell
Der mutmaßliche Übergriff, um den es geht, soll in genau so einer Situation passiert sein: in privaten Räumen. Und wie schnell man gehandelt habe, unterstreichen Geschäftsführer Quehl und die Chor-Verantwortlichen auch: Zwischen dem Verdacht und dem Entfernen der Person sei nur ein Tag vergangen. Nur ein einziges Mal sei der mutmaßliche Täter überhaupt noch zur Chorakademie gekommen.
Zwei Tage später sei das passiert – allein zum Abgeben der Schlüssel. Und dabei seien keine Kinder anwesend gewesen, nur Chor-Verantwortliche. Parallel hatte sich schon der Vorstand zusammengeschlossen, um alle Eltern per abgestimmtem Brief zu informieren – nicht nur diejenigen, die zu diesem bestimmten Chor gehören, sondern alle.
„Opferschutz an erster Stelle“
„Der Opferschutz steht an erster Stelle“, unterstreicht Stefan Quehl. Nicht nur mit der Polizei schloss man sich kurz. Man kontaktierte auch den Kinderschutzbund und all das mündet nun in ein Angebot an alle Kinder und Eltern.
Gemeinsam wolle man es aufarbeiten und dabei auch psychologische Hilfe anbieten – nicht nur für das betroffene Kind und seine Eltern, sondern für alle, die es wünschen. Schließlich solle die Chorakademie „ein Wohlfühlort“ sein und bleiben, wie es jemand Erwachsenes formuliert, der sich im betreffenden Chor engagiert.
Wie geht man damit um?
Wie geht man mit so einem Fall um? Diese Frage beantworte wohl jede Familie, die ein Kind zur Chorakademie schickt, anders – da sind sich Eltern wie Lehrkräfte wie Vorstand sicher. Spricht man das eigene Kind überhaupt darauf an oder lieber nicht? Möchte das Kind überhaupt darüber sprechen?
Da komme es auf viele Details an, nicht zuletzt auf das Alter des Kindes, erklärt eine Lehrkraft. Zur Chorakademie gehören schon Sechsjährige, den unterschiedlichen Kinderchören darf man bis zum Alter von 13 oder 14 Jahren angehören. Doch auch Jugend- und Erwachsenenchöre gibt es.
„Arbeiten an Abwehrkräften“
Aber egal, in welchem Alter – weiterhin gehe es darum, die Kinder stark zu machen, verdeutlicht eine Lehrkraft. „Wir arbeiten gewissermaßen an Abwehrkräften.“ Einige der anwesenden Eltern nicken. Eine Mutter sagt: Man habe wirklich den Eindruck, dass der Fall gemeinsam aufgearbeitet werden solle.
Wie erstaunlich sachlich die Diskussion läuft, zeigt ihr nächster Gedanke: Einige Kinder würden die „entfernte“ Lehrperson natürlich auch vermissen. „Kein Mensch ist nur gut oder nur böse“, findet die Mutter. Es gehe um offenbar missbrauchtes Vertrauen, aber eben auch darum, was jeder Einzelne daraus lerne für sein Leben – das gelte auch für die Kinder.
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