Ermittlungen und Trauerfeier Was passiert nach dem Tod zweier Obdachloser in Dortmund?

Was passiert nach dem Tod zweier Obdachloser in Dortmund?
Lesezeit

So gut wie jedes der vielen Urnengräber in der Liebfrauenkirche schmückt eine Blume. Die Grabeskirche an der Amalienstraße empfängt ihre Besucher mit einem Farbenmeer und sanfter Musik. Hierhin könnte auch die letzte Reise der zwei kürzlich in Dortmund verstorbenen Obdachlosen, Jörg M. und Yetkin, führen.

Entdeckt wurde der leblose Körper von Jörg M. (56) am Sonntagvormittag an der Reinoldikirche, der von Yetkin (49) am frühen Mittwochmorgen am Freistuhl. Beide wurden vom Rettungsdienst und im Krankenhaus versorgt, bis ihr Tod festgestellt wurde. Doch damit ist es in Fällen wie diesen oftmals nicht getan.

Todesermittlungsverfahren

Ist die Ursache für den Tod eines Menschen ungeklärt, beginnt ein Todesermittlungsverfahren der Polizei. Es soll ausschließen, dass jemand anders für den Tod des Verstorbenen verantwortlich sein könnte. Ergeben sich Hinweise auf ein Fremdverschulden, übernimmt den Fall eine Mordkommission.

„Es gibt jeden Tag mehrere Fälle, bei denen ein Todesermittlungsverfahren aufgenommen wird“, erklärt Polizeisprecher Kai-Christopher Becker. „Zum Beispiel, wenn ein älterer Mensch tot in seiner Wohnung gefunden wird.“

Wie aufwendig die Verfahren geführt werden müssen, sei sehr unterschiedlich und hänge vom Einzelfall ab. In manchen Fällen sei beispielsweise eine Obduktion nötig, manchmal reichen einfachere körperliche Untersuchungen, in wieder anderen komme es stärker auf die Umstände des Leichenfundes an.

Bei Leichenfunden an prominenten Orten wie der Reinoldikirche und dem Freistuhl könne laut Becker auch die Frage eine Rolle spielen, ob eventuell vorbeigehende Passanten hätten Hilfe leisten müssen.

Zehn Fälle in 2024

Im Jahr 2024 seien zehn obdachlose Menschen im öffentlichen Raum gefunden worden, bei denen die Todesursache unklar war. In dreien dieser Fälle sei im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens eine Kombination aus Alkoholmissbrauch und Kälte als Todesursache ausgemacht worden.

Gedenkveranstaltung nach dem Tod von Jörg M. an der Dortmunder Reinoldikirche
Am Donnerstagabend (23.1.) haben etwa 30 Menschen an der Reinoldikirche des verstorbenen Jörg M. gedacht. © Philipp Pohl

Erst, wenn das Todesermittlungsverfahren abgeschlossen ist, kann die verstorbene Person bestattet werden. Im Fall der verstorbenen Obdachlosen könnte auch das eine Aufgabe für die Behörden werden.

Wenn niemand da ist

Für die Bestattung verstorbener Menschen sind im Normalfall die Angehörigen zuständig. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass sich diese nicht um die Bestattung kümmern, sich keine Angehörigen finden lassen oder keine mehr vorhanden sind. In solchen Fällen übernimmt das Ordnungsamt die Bestattung.

„Grundsätzlich erfolgt dann eine Einäscherung und anonyme Beisetzung der Totenasche auf einem städtischen Friedhof, es sei denn, der oder die Verstorbene hat zu Lebzeiten eine andere Verfügung getroffen“, heißt es von der Stadtverwaltung.

Ob dieses Vorgehen auch bei Jörg M. und Yetki zum Tragen kommen wird, ist noch nicht klar.

Unterstützung für Hinterbliebene

Neben den Behörden wird auch die Wohnungslosenhilfe bei Todesfällen mit einbezogen. „Unsere Seelsorge bekommt dann in der Regel eine Information vom Ordnungsamt“, erklärt Katrin Lauterborn vom Verein Gast-Haus. Sie stehen dann als Gesprächspartner zur Verfügung, auch für Menschen aus dem persönlichen Umfeld verstorbener Obdachloser - die in vielen Fällen selbst wohnungslos seien.

Oft gebe es für verstorbene Obdachlose außerdem eine Trauerfeier in der Grabeskirche Liebfrauen. Dort befindet sich eine Gedenkstätte für unbedacht verstorbene Menschen: ein Schrein aus edlem, dunklem Metall mit goldener Inschrift und Tafeln mit den Namen Verstorbener. In einem Gedenkbuch können Besucher Botschaften hinterlassen.

Katrin Lauterborn vor dem Gast-Haus an der Rheinischen Straße in Dortmund
Katrin Lauterborn vor dem Gast-Haus an der Rheinischen Straße © Benjamin Trilling (A)

„Selbst wenn sich Angehörige finden lassen, teilen die oft den Wunsch, dass der Verstorbene hier in Dortmund beigesetzt wird, wenn hier sein Lebensmittelpunkt war“, sagt Katrin Lauterborn. Mit der Stadtverwaltung gebe es eine Absprache, dass Menschen, die auf der Straße versterben und bei denen es keine anderweitigen Wünsche gibt, in der Liebfrauenkirche beigesetzt werden.

„An solche Gedenkveranstaltungen nehmen manchmal dreißig Menschen teil, manchmal kommt auch niemand“, sagt Katrin Lauterborn. Ob auch für Jörg M. und Yetkin Gedenkfeiern in der Liebfrauenkirche stattfinden werden, steht noch nicht endgültig fest.

Offene Fragen

Doch auch, wenn dieser Weg nach dem Leben für Jörg M. und Yetkin in den kommenden Wochen abgeschlossen sein wird, dürfte ihr Tod nachhallen. „Ich denke, die zwei Fälle zeigen wieder, dass immer mehr Menschen auf der Straße verelenden und versterben. Die Tendenz ist seit fünf Jahren steigend“, so Katrin Lauterborn.

Eine Passage aus dem Johannes-Evangelium steht auf dem Gedenkschrein für unbedacht verstorbene Menschen in der Grabeskirche Liebfrauen in Dortmund.
Eine Passage aus dem Johannes-Evangelium steht auf dem Gedenkschrein für unbedacht verstorbene Menschen in der Grabeskirche Liebfrauen. © Bastian Pietsch

Und auch der Obdachlosenhilfe-Verein Bodo sieht in den beiden Todesfällen den Ausdruck eines größeren Problems. „In unserer Arbeit merken wir, dass die allermeisten gern Hilfen annehmen würden, aber an einem für sie zu starren System oder an Bürokratie scheitern“, so Bastian Pütter vom Verein.

Darin steckt eine Kritik an der Dortmunder Stadtverwaltung. Bodo appelliert aber auch an alle Dortmunder und Dortmunderinnen: „Schauen Sie nicht weg! Wenn Sie eine obdachlose Person sehen und sich Sorgen machen, sprechen Sie sie an. Meist wissen Menschen gut, wie es ihnen geht und was sie gerade brauchen. Wenn Sie den Eindruck haben, es liegt ein medizinischer Notfall vor, rufen Sie die 112.“