Nach der Insolvenzanmeldung Wie es mit Karstadt in Dortmund jetzt weitergeht

Insolvenz angemeldet: Kommt Karstadt erneut auf eine Streichliste?
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Es ist ein Einzelhandelsdrama in mehreren Akten. Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof steht zum dritten Mal innerhalb von fast vier Jahren vor der Pleite. Wie es tags zuvor bereits erwartet wurde, hat das Unternehmen am Dienstag (9.1.) beim Essener Amtsgericht einen Insolvenzantrag gestellt. Die Frage ist, ob damit ein Schlussakt oder ein Befreiungsschlag eingeläutet wurde.

Die Kunden des Karstadt-Hauses am Westenhellweg werden von den Turbulenzen des Unternehmens, die durch die finanzielle Schieflage im Firmenimperium des österreichischen Immobilieninvestors René Benko entstanden sind, zunächst einmal nicht viel mitbekommen. Abgesehen von kurzzeitigen Schließungen aufgrund von Betriebsversammlungen, in denen die noch gut 120 Beschäftigten über die Situation und den Fortgang des Insolvenzverfahrens informiert werden, wird das große Kaufhaus weiterhin ganz normal geöffnet sein.

Jenseits des stationären Handels könnte es zu kurzfristigen Verzögerungen bei der Rücksendung von Online-Bestellungen kommen. Der Sanierer muss sich jetzt einen Überblick über die finanzielle Situation des Unternehmens verschaffen. In der Folge sind dann Filialschließungen, Sortimentsanpassungen und auch Entlassungen möglich.

Drei Monate Insolvenzgeld

So groß die erneute Sorge in Dortmund auch ist, geschlossen ist Karstadt noch längst nicht. „Bejaht der vorläufige Insolvenzverwalter in seinem Gutachten das Vorliegen von Insolvenzgründen, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens, wie es jetzt bei Karstadt der Fall ist, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vollständig auf den Insolvenzverwalter über“, sagt Rechtsanwalt und Insolvenzrechts-Experte Dr. Timo Floren von der Dortmunder Kanzlei Spieker & Jaeger am Phoenix-See.

Dass es zu größeren und für Kunden spürbare Lücken im Sortiment kommt, muss nicht sein. „Das hängt davon“, sagt er, „ob es der Geschäftsführung gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter gelingt, mit den Zulieferern Vereinbarungen zu treffen, um diese im Hinblick auf zukünftige Lieferungen abzusichern. Dies gelingt jedoch häufig.“

Rechtsanwalt Dr. Timo Floren von der renommierten Dortmunder Kanzlei Spieker & Jaeger hat schon viele Insolvenzverfahren begleitet. Eine Prognose, wie es für Karstadt ausgehen könnte, wagt er nicht.
Rechtsanwalt Dr. Timo Floren von der renommierten Dortmunder Kanzlei Spieker & Jaeger hat schon viele Insolvenzverfahren begleitet. Eine Prognose, wie es für Karstadt ausgehen könnte, wagt er nicht. © Spieker&Jaeger

Während der vorläufige Insolvenzverwalter, der von nun an allen Geschäften für deren Wirksamkeit zustimmen muss, sich ein Bild von der wirtschaftlichen Situation macht, können die Angestellten in Anbetracht der geplanten Sanierung wahrscheinlich zunächst weiter arbeiten. „Bei allen Insolvenzverfahren wird ihnen durch die Bundesagentur für Arbeit für maximal drei Monate Insolvenzgeld gezahlt“, so Dr. Timo Floren.

680 Millionen Euro vom Staat

„Wie dieses Insolvenzverfahren jetzt genau läuft, was es am Ende heißt, ob es um einzelne Standorte geht oder auch um die Insolvenz des gesamten Unternehmens, das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht“, erklärte Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) kurz nachdem die Hiobsbotschaft am Dienstag (9.1.) gegen 11.45 Uhr offiziell bekannt geworden war. „Aber“, fügte er an, „wir stellen uns auf alles ein.“

Nicht ohne Grund erwähnte er wohl, dass es in dem jetzigen Regelinsolvenzverfahren in erster Linie um den Gläubigerschutz gehe. Das heißt, all jene gegenüber denen Galeria Verbindlichkeiten hat, bekommen vorrangig ihr Geld. In den beiden zurückliegenden Insolvenzverfahren hatten die Gläubiger von Galeria auf Milliardenforderungen verzichtet, damit die Warenhauskette einen Weg aus der Krise findet.

Auch der deutsche Staat half mit viel Geld: 2021 und 2022 hatte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Unternehmen mit insgesamt 680 Millionen Euro unter die Arme gegriffen.

Abkopplung von Signa?

Wie Galeria Karstadt Kaufhof wissen ließ, sucht man jetzt nach einem neuen Eigentümer. Gespräche mit potenziellen Investoren seien bereits angelaufen, Ziel sei die Fortführung von Galeria.

Galeria-Chef Olivier van den Bossche sagte: „Galerias operativer Erfolg wird durch die Rahmenbedingungen der alten Eigentümerstruktur belastet. Wir sehen in dem heutigen Tag ausdrücklich einen Befreiungsschlag.“ Weiter heißt es in der Mitteilung: „Die Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigen Galeria massiv, behindern das laufende Geschäft und schränken durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftige Entwicklungsmöglichkeit stark ein.“

Mit dem Insolvenzverfahren versucht das Galeria-Management um Olivier Van den Bossche und Finanzvorstand Guido Mager nun augenscheinlich, sich vom Desaster beim Mutterkonzern Signa, der eben zu dem durch gestiegene Zinsen, Baukosten und Energiepreise ins Wanken geratene Firmenimperium des österreichischen Immobilieninvestors René Benko gehört, abzukoppeln und zumindest noch einen Kern des Warenhausbetreibers zu retten.

„Zuletzt gute Geschäfte“

In den vergangenen Wochen hatten mehrere Unternehmen aus der Handels- und Immobiliengruppe von René Benko Insolvenz angemeldet - darunter die Signa Retail Selection AG, zu der Galeria Karstadt Kaufhof gehört. Sie hatte Ende November angekündigt, ihr Geschäft geordnet abzuwickeln, was einen Verkauf von Galeria bedeutet.

Simone Bergmann, Handelsexpertin bei der IHK zu Dortmund sagt: „Ohne die notwendige Finanzspritze vom Mutterkonzern Signa war die Insolvenz nun wohl nicht abzuwenden.“
Simone Bergmann, Handelsexpertin bei der IHK zu Dortmund sagt: „Ohne die notwendige Finanzspritze vom Mutterkonzern Signa war die Insolvenz nun wohl nicht abzuwenden.“ © IHK

„Ja, die Nachricht von der Insolvenzanmeldung kommt nach der Insolvenz der Signa-Gruppe nicht unerwartet“, sagt Simone Bergmann, Geschäftsführerin für den Bereich Handel bei der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, „ist aber natürlich sehr bedauerlich und wirkt sich negativ auf den Einzelhandelsstandort aus. Es ist auch deshalb so bitter, weil Galeria Karstadt Kaufhof zuletzt gute Geschäfte gemacht hat und offenbar erfreuliche Zahlen präsentieren konnte. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich gerade im Weihnachtsgeschäft sehr engagiert und erleben jetzt die nächste Enttäuschung. Aber ohne die notwendige Finanzspritze von Signa war die Insolvenz nun wohl nicht abzuwenden.“

„Aus der Berichterstattung verschiedener Medien kann entnommen werden, dass nun eine Sanierung durch den Einstieg eines Investors im Raum steht“, sagt Anwalt Dr. Timo Floren. Allerdings erwies sich die Käufersuche schon in der Vergangenheit stets als schwierig.

Nervenaufreibende Wochen

Dementsprechend äußert sich Michael Adel, Geschäftsführer und Rechtsexperte bei der IHK zu Dortmund, vorsichtig: „Grundsätzlich ist die Insolvenz auch ein Schutzschirm für das Unternehmen. Insofern bietet sich jetzt die Chance, einen neuen seriösen Investor für Galeria Karstadt zu finden, was vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre allerdings nicht einfach sein dürfte, zumal das Zeitfenster für einen neuen Rettungsversuch nicht sehr groß ist.“

Michael Adel von der IHK zu Dortmund hofft, dass für die schwierige Suche nach einem Karstadt-Retter genügend Zeit bleibt.
Michael Adel von der IHK zu Dortmund hofft, dass für die schwierige Suche nach einem Karstadt-Retter genügend Zeit bleibt. © IHK/Thiel

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern hatte erst Ende 2022 Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Im März 2023 stimmte die Gläubigerversammlung dem Insolvenzplan zu. Während nervenaufreibender Wochen gelang es bis Ende Mai, das Dortmunder Karstadt-Haus noch von der Streichliste zu nehmen. Sonst wäre es Ende Januar 2024 - also in den nächsten Tagen - geschlossen worden.

Signa hatte im vorigen Jahr für die Galeria-Sanierung 200 Millionen Euro zugesagt, die in mehreren Tranchen bis 2025 fließen sollen - die ersten 50 Millionen dem Vernehmen nach im Februar. Ob man mit der Zahlung rechnen kann, ist unwahrscheinlich. Wesentliche Signa-Gesellschaften sind finanziell einfach wohl zu angeschlagen. Der österreichische Insolvenzexperte Karl-Heinz Götze von der Gläubigerschutzorganisation KSV1870 geht nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa nicht von der Zahlung aus.

OB startet Krisenmodus neu

Wie geht es dann weiter? Möglicherweise müssen weitere Filialen geschlossen werden. Und möglicherweise kommt Dortmund wieder auf die Streichliste. Oberbürgermeister Thomas Westphal bleibt nichts Anderes als erneut zu appellieren: „Wir sind erstmal so unterwegs, dass wir alle auffordern, alles zu tun was wirtschaftlich möglich ist, um den Standort in Dortmund zu erhalten. Wir glauben, dass es nach wie vor ein funktionsfähiger Standort ist, auch für ein großes Warenhaus in dieser Form.“

Die Frage danach, wie es denn nach einem Karstadt-Aus weitergehen könnte, mag er nicht beantworten. „Noch ist es nicht so“, sagt er und verweist auf den erneuten Karstadt-Krisenmodus: „Wir werden jetzt wieder Kontakt mit dem Betriebsrat aufnehmen und möglicherweise den Runden Tisch einberufen.“

Schlussakt oder Befreiungsschlag? Selbst Timo Floren, der schon viele Insolvenzverfahren begleitet hat, wagt da keinen Tipp: „Aufgrund der möglichen Wechselwirkungen mit den Insolvenzverfahren über das Vermögen von Signa-Gesellschaften ist das kaum möglich zu prognostizieren.“

Dieser Bericht wurde mit Material von dpa erstellt

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