Am Donnerstag (13.2.) streikt in Dortmund der öffentliche Dienst. Busse und Bahnen werden ausfallen und auch einige Kitas dürften voraussichtlich geschlossen bleiben. Welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen rund um den Streik haben, hat uns der Fachanwalt für Arbeitsrecht Fritz-Martin Przytulla, LL.M. (Berkeley) im Interview erklärt.
Wenn Busse und Bahnen nicht fahren: Muss ich dann trotzdem zur Arbeit kommen?
Prinzipiell ja. Die Bewältigung der Wegstrecke von zu Hause zum Arbeitsplatz ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers. Dies nennt man Wegerisiko. Der Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer ja seinen Wohnsitz frei gewählt hat. Theoretisch hätte er ihn auch direkt neben dem Arbeitsort wählen können. Und dann hätte er das Wegerisiko nicht in dieser Form.
Es würde ja auch zu einer ungleichen Behandlung führen, wenn die Beschäftigten, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zum Betrieb kommen, anders behandelt würden als diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen lieber den ÖPNV nehmen.
Was muss man denn zumutbar tun, um noch zur Arbeit zu kommen?
Das ist so nicht allgemein entschieden. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer im Normalfall pünktlich an seinem Arbeitsplatz sein.
Dafür muss ich dann zum Beispiel auch ein Taxi nehmen?
Ein entschiedenes Jein, wie eigentlich häufig bei Juristen. Das kann natürlich, wenn jemand hier in Dortmund arbeitet und aus Duisburg kommt, relativ schwierig werden. Also wenn es immense Beträge sind, denke ich, muss der Arbeitgeber auch mit sich reden lassen, dass er den Tag dann kurzfristig als genommen Urlaub behandelt.
Man darf aber eben auch nicht unterschätzen, wie viele Beschäftigte mit dem Auto zur Arbeit kommen. Und viele Beschäftigte, die mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren, haben aber zu Hause ein Auto oder ein Motorrad oder sonst was. Dann werden sie das aktivieren müssen.
Wenn man selbst kein Kraftfahrzeug besitzt, muss man unter Umständen fragen, ob einen ein Kollege, eine Kollegin mitnehmen kann. Oder ob es andere Möglichkeiten gibt, zum Arbeitsplatz zu kommen. Also man sollte auch die Kreativität der Menschen nicht unterschätzen.
Begründet so ein Streik bei Tätigkeiten, die von zu Hause aus ausgeübt werden können, eine Art Recht auf Home-Office?
Wenn ein Arbeitnehmer sagt, dass er nicht kommen kann, dann wird ein Arbeitgeber vermutlich sagen: „Okay, machen sie Homeoffice an dem Tag.“ Ob man einen Anspruch darauf geltend machen kann, wage ich zu bezweifeln. Nur in Ausnahmefällen scheint es denkbar, dass Home-Office in derartigen Konstellationen verlangt werden kann. So zum Beispiel, wenn auch andere Kollegen regelmäßig Home-Office machen dürfen.
Da geht es aber um Einschätzungsfragen der Gerichte. Kein Richter ist ein Rechtsautomat. Eine Rolle spielen dann sicher, wie verhältnismäßig eine Wegstrecke und der Zeitaufwand bis zur Arbeitsstätte sind. Man kann jedenfalls nicht sagen, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet dann in jedem Fall, Home-Office zu gewähren.
Was droht mir, wenn ich einfach zu Hause bleibe?
Es droht Ihnen rechtlich eine Abmahnung, wenn Sie der Arbeit ferngeblieben sind. Dies kann der Arbeitgeber gegebenenfalls als Arbeitsverweigerung ansehen. Und Sie bekommen für den Tag keine Vergütung.
Grundsätzlich rate ich aber dazu, Dinge einvernehmlich mit dem Arbeitgeber zu lösen – und dann auch rechtzeitig mit ihm zu sprechen. Denkbar ist ja zum Beispiel auch, eine Regelung zu vereinbaren, wonach man an einem Tag zu Hause bleibt und die Arbeitszeit an den folgenden Tagen nachholt. Oder eben, dass man kurzfristig einen Urlaubstag nimmt. Also: Rechtzeitig reden und eine sachliche, vernünftige Regelung finden ist sicher der klügste Weg.
Von dem Streik werden voraussichtlich auch Kitas betroffen sein. Darf ich der Arbeit fernbleiben, wenn ich mein Kind zu Hause betreuen muss?
Nein. Auch dann können Sie ja zum Beispiel Urlaub nehmen. Es ist ja auch während der Corona-Pandemie vielfach so praktiziert worden, dass Eltern sich bei der Kindesbetreuung abgewechselt haben: ein Elternteil am ersten Tag, der andere Elternteil am nächsten Tag. Und man hat auch vielfach versucht, Verwandte zu aktivieren. Auch in diesem Fall befürworte ich aber, sich mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin abzustimmen. Sang- und klanglos der Arbeit fernzubleiben, geht in keinem Fall.
Kinder haben ja auch so etwas Ähnliches wie Arbeit: die Schule. Müssen Eltern ihre Kinder vor der Arbeit auch noch zur Schule bringen, wenn der ÖPNV streikt, oder können jedenfalls die Kinder an Streik-Tagen zu Hause bleiben?
Grundsätzlich sind die Eltern auch dazu verpflichtet, weil ja Schulpflicht besteht. Nur wenn das wirklich nicht möglich sein sollte, dann sollte man in der Schule anrufen und mitteilen, dass man sein Kind nicht bringen kann. Das sind aber meiner Einschätzung nach auch immer Ausnahmefälle. Und auch hier gilt: Viele dieser Dinge lassen sich durch vernünftige Kooperation zwischen Erwachsenen lösen.