Die Ermittlungen zu dem Tod des 16-jährigen Mouhamed D. laufen noch. Es gibt viele offene Fragen zu dem genauen Verlauf des Polizeieinsatzes. Eine Recherche des WDR und ein Bericht eines Augenzeugens in einem Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ liefern nun weitere Details.
Laut dem WDR sollen bei dem Einsatz am 8. August beteiligte Polizeibeamte ausgesagt haben, dass der 16-Jährige zu keinem Zeitpunkt aggressiv gewesen sei. Eskaliert sei die Situation erst, als der Einsatzleiter anordnete, den Jugendlichen mit Pfefferspray anzugreifen. Das Messer, das Mouhamed ersten Erkenntnissen nach gehabt haben soll, wird in der WDR-Recherche nicht erwähnt.
„Last man standing“
Ähnlich schilderte ein angeblicher Zeuge dem „Spiegel“ die Vorkommnisse des Nachmittags. Acht Beamte hätten sich an einem in der Nähe liegenden Kiosk versammelt. „Ein Beamter hat bereits die Maschinenpistole fertig gemacht, der etwas ältere Einsatzleiter den Einsatzplan ausgegeben“, habe der Zeuge dem „Spiegel“ gesagt.
Dieser solle vier Stufen beinhaltet haben. Demnach sollte erst versucht werden, Mouhamed D. anzusprechen. Beim Nichtgelingen solle Pfefferspray und danach Taser eingesetzt werden. Sollte das alles nicht klappen, so soll es der Einsatzleiter gesagt und sich dabei zu dem mit der Maschinenpistole bewaffneten Polizisten umgedreht haben, „bist du unser last man standing, unsere last chance“. Dann seien die Beamten in den Hof des Kirchengeländes gegangen.
Laut WDR habe ein Polizeibeamter vor dem Einsatz des Pfeffersprays auf Spanisch gefragt, ob Mouhamed die Sprache spreche und ob es ihm gut gehe. Ein anderer Polizist habe ihn nur mehrfach kurz gerufen. Das habe auch Lisa Grüter, die Anwältin von Mouhameds Familie, dem WDR bestätigt.
Pfefferspray ohne Vorwarnung
Beteiligte Polizeibeamte hätten außerdem ausgesagt, dass Mouhamed bis dahin ruhig in einer Ecke gesessen habe, seine Position nicht veränderte und keine anderen Menschen bedrohte. Von dem Einsatz des Pfeffersprays habe er nichts bemerkt, da der Jugendliche nach unten geschaut habe, wie ein anderer Polizist gesagt haben soll. Das deckt sich mit den Schilderungen des Zeugens gegenüber dem „Spiegel“
Mouhamed soll also ohne Vorwarnung mit Pfefferspray angegriffen worden sein. Danach soll er sich nicht, wie es in einem ersten Einsatzbericht der Polizei hieß, „schnell“ auf die Polizisten zubewegt haben. Laut dem Zeugen sei der 16-Jährige langsam aus der Ecke heraus gekommen, so der „Spiegel“.
„Messer weg und auf den Boden“ hätten die Beamten geschrien. Darauf habe Mouhamed nicht reagiert. Die Arme habe er in diesem Moment unten gehabt. Dann folgte der Einsatz des Pfeffersprays und ein erster Taser-Schuss, durch den Mouhamed D. wohl nicht handlungsunfähig wurde.
Schüsse fast zeitgleich
Knapp 20 Sekunden später folgten dann fast zeitgleich Taser- und die tödlichen Maschinenpistolenschüsse. Das gehe laut WDR aus dem Funkverkehr der Dortmunder Polizei hervor.
Nachdem Mouhamed von den Schüssen aus der Maschinenpistole getroffen wurde, habe er auf dem Boden gelegen und sich vor Schmerzen gerollt, habe der Zeuge gegenüber dem „Spiegel“ berichtet. Die Beamten hätten ihm Handschellen angelegt, und diese erst wieder abgenommen, als die Sanitäter vor Ort eintrafen.
Der Mitschnitt des Funkverkehrs der Polizei zeige laut WDR außerdem, dass zwischen der erfolglosen Kontaktaufnahme und dem Einsatzbefehl nur zwei Minuten lagen: Die Beamten sollten Pfefferspray einsetzen, die ganze Flasche. Der Einsatzleiter habe den Befehl sogar wiederholen müssen, weil er zunächst nicht verstanden wurde.
Vom Zaun aus sollten die Beamten auf Mouhamed sprühen. Der Jugendliche saß auf der anderen Seite. Das wurde dem Einsatzleiter noch bestätigt. 16 Sekunden später kam es zur Schussabgabe, die das Leben des 16-Jährigen kostete.
Tödliche Polizeischüsse in der Nordstadt: Was über den Tod von Mouhamed Dramé bekannt ist
Protest-Demonstration für Mouhamed D.: Route führt am Samstag quer durch die Innenstadt
Gedenken an Mouhamed D.: Tafel am Tatort erinnert an getöteten Jugendlichen