Mit der Straßenbahn in Richtung Vernichtungslager Vor 80 Jahren wurden Dortmunder Juden nach Auschwitz deportiert

Vor 80 Jahren: Mit der Straßenbahn in Richtung Vernichtungslager
Lesezeit

Genau 1.973 Namen stehen auf der Bahn, die seit Ende Februar auf der Linie U43 durch Dortmund fährt. Sie erinnern an 1.973 Dortmunder Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Einige Hundert von ihnen mussten am 2. März 1943 - vor genau 80 Jahren - den Weg in den Tod antreten. Die Deportation ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz begann mit einer Straßenbahn-Fahrt.

Die Deportation am 2. März 1943 war der letzte große Transport jüdischer Menschen aus der Region. Tausende waren zuvor schon in verschiedene Lager gebracht worden - von denen aus ebenfalls der letzte Weg oft nach Auschwitz führte.

Die Deportationen hatten Ende Oktober 1938 mit dem Abtransport von 609 polnischstämmigen Jüdinnen und Juden begonnen. Am 27. Januar 1942 mussten 332 Dortmunder Jüdinnen und Juden vom Güterbahnhof an der Treibstraße aus im Rahmen eines Sammeltransports die Fahrt nach Riga antreten.

Die aus der Steinwache gemachte Aufnahme zeigt den Marsch jüdischer Familien von der Sammelstelle "Zur Börse" an der Steinstraße zum Südbahhnhof am 29. Juli 1942.
Die aus der Steinwache gemachte Aufnahme zeigt den Marsch jüdischer Familien von der Sammelstelle "Zur Börse" an der Steinstraße zum Südbahhnhof am 29. Juli 1942. © Stadtarchiv

Am 30. April 1942 wurden vom Südbahnhof am Heiligen Weg aus 791 Jüdinnen und Juden aus Dortmund und anderen Städten im Regierungsbezirk Arnsberg ins polnische Zamosc deportiert. Sammelpunkt waren Turnhalle und Sportplatz des TSC Eintracht an der Eintrachtstraße.

Die Gaststätte „Die Börse“ an der Steinstraße war wie schon beim ersten Transport im Januar 1942 Ausgangspunkt für eine Deportation von 324 Jüdinnen und Juden nach Theresienstadt am 29. Juli 1942, die ebenfalls über den Südbahnhof abgewickelt wurde.

Gaststätte als Sammellager

Ende Februar / Anfang März 1943 war dann neben der „Börse“ für Jüdinnen und Juden aus dem weiten Umlan, das Gasthaus Gerold am Brackeler Hellweg, das als „Deutsches Haus“ firmierte, das Sammellager. Betroffen von der letzten Deportation waren vor allem Jüdinnen und Juden, die noch im Arbeitseinsatz waren, und ihre Familienangehörigen. Viele wurden im Betrieb oder auf dem Weg von der oder zur Arbeit verhaftet und oft noch in Arbeitskleidung ins Sammellager gebracht, wie es in Zeitzeugenberichten heißt.

Am frühen Morgen des 2. März mussten alle Inhaftierten den Weg zum Südbahnhof antreten. Von der „Börse“ aus zu Fuß, vom „Deutschen Haus“ in Brackel aus zunächst mit der Straßenbahn. „Auf dem Brackeler Hellweg mussten die Juden in Straßenbahnwagen einsteigen, die sie bis zum Ostentor brachten. Von dort ging die Kolonne ungefähr einen Kilometer zu Fuß bis zum Südbahnhof“, berichtete der damals 16-jährige Dortmunder Hans Frankenthal als einer der wenigen Überlebenden.

Am Wasserturm am Heiligen Weg erinnert eine Gedenktafel an die Deportationen Dortmunder Jüdinnen und Juden vom benachbarten Südbahnhof.
Am Wasserturm am Heiligen Weg erinnert eine Gedenktafel an die Deportationen Dortmunder Jüdinnen und Juden vom benachbarten Südbahnhof. © Oliver Volmerich

„Als wir den Südbahnhof erreichten, stand der Zug, die Lokomotive, unter Dampf schon zur Abfahrt bereit. Der Zug bestand fast ausschließlich aus Viehwaggons - mit Ausnahme der Personenwagen, in denen die Bewacher untergebracht waren“, berichtet Frankenthal weiter. Unter unmenschlichen Bedingungen ging so die Fahrt nach Auschwitz, wo der Zug am Abend des 3. März ankam.

Direkt in die Gaskammern

An der Bahnrampe dort fand die Selektion statt. Einige Männer und Frauen wurden für den Arbeitseinsatz ausgewählt, die meisten Menschen - vor allem Ältere und Mütter mit Kindern unter 16 Jahren - wurden noch in derselben Nacht in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. „Mit dem Transport nach Auschwitz war die Phase der großen Deportationen in die Ghettos und Lager Mittel- und Osteuropas für Dortmund wie für das gesamte Reich weitgehend abgeschlossen“, bilanziert der Historiker Rolf Fischer im Gedenkbuch für die Dortmunder Opfer der Shoah.

DSW21 erinnert mit der Gedenkbahn zu der vom Jüdischen Weltkongress (WJC) initiierten Kampagne „#WeRemember“ an diese Gräueltaten. Mit dem Straßenbahn-Transport der Opfer vom 2. März war man offenbar „ein Rädchen im Getriebe“, stellt das Unternehmen selbstkritisch fest. Der DSW21-Vorstand hat deshalb beschlossen, einen Historiker zu beauftragen, die Rolle der Stadtwerke in der NS-Zeit wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Straßenbahn erinnert an Nazi-Horror: 1973 Namen stehen für 1973 Opfer aus Dortmund

Erste „Höllenfahrt“ für Dortmunder Juden begann vor genau 80 Jahren