Plötzlich deutlich mehr Coronaviren im Abwasser Stadt Dortmund hat kuriose Erklärung

Mehr Corona-Viren im Abwasser: Stadt hat eine kuriose Erklärung
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„Ich kann nicht kommen. Ich habe Corona.“ Eine Absage, die man in den vergangenen Wochen gefühlt immer häufiger hört – ganz gleich, ob es um private Feiern oder dienstliche Termine geht. Das Problem ist: Weil sich kaum noch Menschen testen, bleiben viele Corona-Erkrankungen wohl im Verborgenen. Zugleich wachsen die Sorgen vor einer neuen Corona-Welle mit einer neuen Virus-Variante.

Immerhin gibt es einen Fingerzeig, dass die COVID-19-Infektion tatsächlich ansteigen – über den Nachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 im Abwasser. Seit dem Frühjahr 2020 gibt es das sogenannte Abwassermonitoring in Nordrhein-Westfalen als Teil eines bundesweiten Forschungs- und Pilotvorhabens. In 16 Kläranlagen in NRW werden zweimal wöchentlich Proben genommen, um Corona-Viren nachzuweisen. Dazu gehören auch das Klärwerk der Emschergenossenschaft in Dortmund-Deusen und des Lippeverbands in Dortmund-Scharnhorst.

„Corona-Inzidenzen lassen sich aus den Daten des Abwassermonitorrings nicht ableiten“, betont man dazu beim Landeszentrum Gesundheit (LZG), das die Federführung für die Auswertung des Abwassermonitorrings hat. Die systematische Überwachung ermögliche aber Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens. Dabei ergänze das Abwassermonitoring die etablierten Indikatoren wie die Sieben-Tage-Inzidenz und die Hospitalisierungsrate in den Krankenhäusern, heißt es in der Erläuterung des LZG.

Immerhin wird über die beteiligten Kläranlagen fast ein Drittel der NRW-Bevölkerung erfasst. Und dabei ist mit Blick auf das Abwasser der Befund der letzten Wochen eindeutig: Es gibt einen deutlich steigenden Trend beim Nachweis von Corona-Viren im Abwasser – allerdings auf „geringem Grundniveau“, wie man sowohl beim LZG als auch bei der Stadt Dortmund betont. „Anhand der Viruskonzentration im Abwasser kann grundsätzlich keine exakte Aussage zu Inzidenzen getroffen werden“, erklärt Stadtsprecherin Anke Widow.

Dabei sind die Zahlen auch für Dortmund deutlich: Im aktuellen Kurzbericht des LZG wird der prozentuale Anstieg der Corona-Viren im Abwasser für jedes einzelne Klärwerk im Vergleich zur Messung von vor zwei Wochen angegeben. Für die Kläranlage an der Emscher in Deusen ergab sich so im Vergleich vom 19. bis zum 26. Juli ein Sprung um 149 Prozent, bis zum 2. August dann ein Plus von 193 Prozent.

Grund, Alarm zu schlagen, ist das für das LZG noch nicht: Die hohen prozentualen Anstiege seien bedingt durch das sehr geringe Grundniveau der Viruslast nicht ungewöhnlich. Die Entwicklung werde aber weiter beobachtet, erklären die Fachleute. Die Gesundheits-Expertinnen und -Experten der Stadt Dortmund sehen das ähnlich – und liefern eine kuriose Erklärung für den hohen Anstieg der Viruslast im Emscher-Abwasser.

Sie vermuten als Grund für den Anstieg die zu Ende gegangene Reisezeit. Dies sei auch schon in der Vergangenheit häufig zu beobachten gewesen, heißt es. Konkret führen sie die hohen Werte am Klärwerk Deusen auf die Abwasserzuführung des Flughafens zurück, „weil ankommende Reisende aus Endemiegebieten nach dem Flug zunächst das WC im Flughafen aufsuchen“. „Weil die ankommenden Passagiere nicht zwingend Dortmunderinnen und Dortmunder sind, können Ableitungen auf das lokale Infektionsgeschehen nicht genau vorgenommen werden“, heißt es auf Anfrage.

Lassen ankommende Fluggäste am Airport Dortmund die Corona-Werte im Abwasser steigen? Das vermutet zumindest das städtische Gesundheitsamt.
Lassen ankommende Fluggäste am Airport Dortmund die Corona-Werte im Abwasser steigen? Das vermutet zumindest das städtische Gesundheitsamt. © Kevin Kindel (A)

Gegen diese Theorie spricht allerdings, dass an anderen Messstellen in NRW und auch am heimischen Klärwerk in Scharnhorst, indem kein Abwasser vom Flughafen erfasst wird, in den letzten Wochen ebenfalls deutlich höhere Corona-Virus-Werte verzeichnet wurden. Für den 26. Juli wird so für Scharnhorst vom LZG ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem 19. Juli und für den 2. August ein Plus von 164 Prozent angegeben.

Keine akute Gefahr

Gleichwohl halten sowohl die Fachleute des städtischen Gesundheitsamtes wie des LZG die Lage noch nicht für besorgniserregend – nicht zuletzt mit Hinweis auf den hohen Immunschutz der Bevölkerung. „Nach bisheriger Erkenntnislage ist auch die Virusvariante EG.5, auch wenn sie sich weltweit gerade verbreitet und die Infektionszahlen steigen, klinisch nicht gefährlicher als die bisherigen Varianten“, erklärt Anke Widow. „Das Gesundheitsamt steht stets in einem engen Austausch mit den örtlichen Kliniken. Dort sind keine Auffälligkeiten zu erkennen.“ Die Lage werde natürlich weiterhin intensiv beobachtet.

Grundsätzlich gibt es keine strengen Coronaschutz-Vorschriften mehr in NRW. Es wird lediglich empfohlen, sich bei Symptomen drei bis fünf Tage oder bis zu einer deutlichen Verbesserung der gesundheitlichen Lage zu Hause aufzuhalten und Kontakte zu vermeiden. PCR-Tests seien bei den Hausärzten möglich. „Öffentliche Teststellen gibt es nicht mehr“, teilt die Stadt mit.

Und wie sieht es mit Impfungen aus? Hier verweist das Gesundheitsamt auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Danach sollten alle Menschen ab 18 Jahren einen guten Schutz durch die Basisimmunität haben. Die sei in der Regel bei drei sogenannten „Antigenkontakten“ vorhanden – also durch frühere Corona-Erkrankungen und mindestens zwei Impfungen. Über 60-Jährige oder Kinder ab sechs Monaten mit relevanten Grunderkrankungen, Bewohnerin und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie Pflegepersonal sollten ihren Impfschutz alle zwölf Monate, möglichst im Herbst, auffrischen, heißt es vom Gesundheitsamt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. August 2023.

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