
© Screenshot Stadt Dortmund
Mehr als 2000 Hasskommentare wegen eines Stadt-Videos gegen Rechtsextremismus (mit Video)
Shitstorm
Die Stadt Dortmund veröffentlicht ein Video gegen Rechtsextremismus auf Youtube. Zwei Wochen später bricht ein Shitstorm von rechts los. Das Vorgehen der Multiplikatoren folgt einer Strategie.
Über die Stadt Dortmund bricht gerade ein Hasswelle ein, deren Ursprung in rechten Blogs liegt. Auslöser dafür war ein Youtube-Video der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Was ist passiert? Und welche Strategie steckt dahiner?
Worum es eigentlich geht
Entzündet hat sich die Aufregung an der letzten Szene des etwa anderthalb Minuten langen Videos: Ein Mann, der als Rechtsextremist bezeichnet wird, wird mit einer Art Gefrier-Gewehr beschossen. Dann wird ihm ein Hakenkreuz aus dem Kopf genommen und er taut wieder auf.
Direkt am Tag, an dem das Video veröffentlicht wird, kritisiert ein rechter Dortmunder Blog die Szene. Daraufhin passiert erstmal nichts.
Am Montag (17.2.), also über zwei Wochen später, greift ein anderer Blog, den man als sowas wie ein Leitmedium der extremen Rechten sehen kann, das Video der Stadt Dortmund an. Der Vorwurf: Das steuerfinanzierte Video rufe zur Gewalt gegen „Andersdenkende“ auf. Und diesmal passiert wesentlich mehr als nichts.
Strategie der Radikalisierung
Weitere rechte Plattformen springen auf das Video an. Zwei Tage später, am Mittwoch (19.2.) vergleicht der bundesweite Twitter-Account der AfD das Video gegen Rechtsextremismus mit „Umerziehungslagern“. Ein international bekannter Multiplikator der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ lädt ein Kommentarvideo hoch.
Danach habe die Menge und Qualität der Kommentare unter dem Youtube-Video und auf anderen Plattformen zugenommen, sagt Soeren Spoo, Leiter Social Media bei der Stadt Dortmund.
Rund 2.500 Kommentare seien eingegangen. Überwiegend Hasskommentare und Drohungen. Rund 40 Prozent davon hält Spoo für strafrechtlich relevant. Diese Kommentare bringe die Stadt Dortmund auch zur Anzeige. Inzwischen ist die Kommentarfunktion unter dem Video deaktiviert.
„Ein Shitstorm dient immer dazu, Menschen zu radikalisieren“, erklärt Professor Dierk Borstel, Politikwissenschaftler an der FH Dortmund. Durch den Vergleich mit Umerziehungslagern oder der Bezeichnung als Gewaltaufruf solle die Demokratie an sich verächtlich gemacht werden. „Das übergeordnete Ziel solcher strategischen Aktionen ist es, den Rechtsextremismus stückweise zu normalisieren.“
Missverständliche Schlüsselszene
Solche Strategien der extremen Rechten sind bekannt - und kommen hier nicht zum ersten Mal zu Einsatz. Für Dierk Borstel spielt im Falle des Videos der Stadt aber auch die Machart eine Rolle: „Die entscheidende Szene ist in ihrer Schlichtheit missverständlich.“ Zudem sei das Gewehr als militantes Symbol von den Verursachern des Shitstorms aufgegriffen worden.
Ob eine stilisierte Waffe das richtige Symbol in einem Video gegen Rechtesextremismus ist, sei diskutiert worden, sagt Michael Plackert von der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Man habe sich aber dem Vorschlag der ausführenden Agentur angeschlossen. Auch richte sich das Video an eine junge Zielgruppe und eine provokante Note sei daher durchaus gewollt gewesen.
Keine Schere im Kopf
Abgesehen von dieser Besonderheit, folgt der Shitstorm laut Dierk Borstel einem bekannten Muster: „Daraus entwickelt hat sich dann das typische Narrativ, in dem sich Rechtsextremisten als Opfer darstellen.“
Die Stadt will aus dem Shitstorm lernen, insbesondere für ihr Community-Management. Die Lehre sei aber nicht, das Video offline zu nehmen oder beim Engagement gegen Rechtsextremismus zukünftig „die Schere im Kopf“ anzusetzen.
Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
