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Mehr als 1000 Kinder gehen ohne wichtige Untersuchung zur Schule
Schuleingangsuntersuchung
Zahlreiche Dortmunder Kinder werden eingeschult, obwohl nicht klar ist, ob sie dazu gesundheitlich in der Lage sind. Dem Gesundheitsamt fehlt das Personal für Untersuchungen.
Das Gesundheitsamt der Stadt Dortmund kann derzeit keine Schuleingangsuntersuchungen durchführen. Im Verhältnis zu den großen Wirrungen des zu Ende gegangenen Schuljahres wirkt das wie eine vermeintlich kleine Meldung. Doch sie hat eine große Tragweite.
Bei einem für alle Eltern vorgeschriebenen amtsärztlichen Termin wird normalerweise geprüft, ob Kinder die medizinischen und psychologischen Voraussetzungen für die Schule besitzen. Die abschließende Entscheidung treffen die Schulen. Verzichtbar sind die 30 bis 45-minütigen Untersuchungen aber dennoch nicht.
Übungen zur Schuleignung rund um den sechsten Geburtstag
Sie finden in der Regel zeitnah zum sechsten Geburtstag eines Kindes statt. Mit standardisierten Übungen werden verschiedene Fähigkeiten der Kinder abgefragt, etwa Zahlenverständnis, Hörvermögen oder Sprachentwicklung. Es geht auch um allgemeine Daten wie den Impfstatus eines Kindes und um Fragen zur Entwicklung und Krankheitsgeschichte.
Daraus folgen Empfehlungen zu möglichem Therapiebedarf oder zur Wahl der Schulform. Ergebnis der Untersuchung kann auch eine „Zurückstellung“ sein, also die Empfehlung, dass ein Kind noch ein weiteres Jahr im Kindergarten bleibt.
Fragen zur Entwicklung des Kindes und Übungen zu verschiedenen Fähigkeiten
Der Grund für den Ausfall: Durch die Corona-Pandemie sind zu viele Mitarbeiter des Gesundheitsamts in anderen Aufgaben gebunden.
Laut Stadtsprecherin Katrin Pinetzki werden von den rund 5600 Schuleingangsuntersuchungen für den Einschulungsjahrgang 2020/21 bis Schuljahresbeginn am 13. August deshalb wohl nur drei Viertel durchgeführt worden sein.
Bei rund 1400 Schulkindern wird die Untersuchung im August noch nicht durchgeführt sein
Das bedeutet: Rund 1400 Kinder gehen in den Unterricht, obwohl noch nicht offiziell festgelegt ist, ob das aus gesundheitlicher Sicht wirklich gut für sie ist.
Stadtsprecherin Pinetzki betont, dass Kinder, bei denen bereits besondere Bedarfe und Entwicklungsverzögerungen bekannt sind, zur Untersuchung eingeladen worden seien. „Es besteht darüber hinaus weiterhin die Möglichkeit, schulpflichtige Kinder mit entsprechenden Bedarfen dem Gesundheitsamt zu melden.“ Dies gelte auch nach Beginn des Schuljahres.
Eltern können telefonisch Fragen zur Gesundheit und Entwicklung stellen
Familien haben das Angebot erhalten, telefonisch Fragen zur Entwicklung und Gesundheit ihres Kindes im Zusammenhang zu stellen. „Falls die aktuelle Lage weitere Untersuchungen zulässt, werden hierfür kurzfristig Termine vergeben“, sagt Katrin Pinetzki.
Das Gesundheitsamt hat alle betroffenen Eltern schriftlich über die Situation informiert. Schulärzte und -ärztinnen stünden im regelmäßigen Kontakt mit den Leitern der Dortmunder Grundschulen, heißt es aus der Stadtverwaltung.
Zur Reaktion der Eltern sagt Stadtsprecherin Katrin Pinetzki: „In der überwiegenden Zahl der Fälle reagieren die Eltern mit Verständnis für die getroffenen Regelungen In Einzelfällen waren Eltern zunächst unzufrieden. Diesbezüglicher Unmut konnte aber im Gespräch ausgeräumt werden.“
Kinderschutz-Expertin sieht Gefahr
Aus Sicht von Martina Niemann, Leiterin des Kinderschutzzentrums Dortmund, könnten der Wegfall der Untersuchungen in einzelnen Fällen durchaus „das Kindeswohl gefährdend“ sein: „Es wird dann ein Problem, wenn nicht erkannt wird, dass ein Kind noch keine Schulreife hat und dann einen Schulstart mit vielen negativen Erlebnissen hat.“
Zusätzlich erschwert werde die Situation dadurch, dass viele Vorschulkinder in den vergangenen Monaten gar nicht oder nur unregelmäßig in den Kindertagesstätten waren. Dort ist die regelmäßige Rückmeldung zum Entwicklungsstand eines Kindes vorgesehen, wird aber sehr unterschiedlich gehandhabt.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
