Krankenhäusern fehlen wichtige Medikamente Chef-Apotheker ist „traurig und wütend“

Krankenhäusern fehlen wichtige Medikamente: Chef-Apotheker ist „traurig und wütend“
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Schon lange ist die Lage am Medikamentenmarkt angespannt. Dr. Felix Tenbieg, Sprecher der Apotheker in Dortmund, schlug schon im November Alarm und berichtete von Lieferengpässen oder -ausfällen bei Medikamenten. „Wenn nicht bald Nachschub kommt, wird es eng“, sagte er damals im Gespräch.

Von dem Medikamentenmangel sind jedoch nicht nur die Apotheken betroffen: Es häufen sich Berichte, dass auch bei Kliniken zahlreiche Medikamente fehlen. Doch wie ist die Lage in Dortmunds Krankenhäusern? Werden Medikamente dort auch langsam knapp?

In der Zentral-Apotheke im St.-Johannes-Hospital, von der aus insgesamt elf Krankenhäuser mit 3450 Betten versorgt werden, sind Lieferengpässe, -abrisse und Kontingentierung schon seit Jahren beruflicher Alltag, heißt es von Ulrich Sommer, der dort leitender Apotheker ist. Tendenz steigend.

170 Medikamente auf der Kippe

„Momentan haben wir in unserem Sortiment bei 170 Arzneimitteln akute Lieferprobleme beziehungsweise stehen kurz davor. Das bedeutet: Wir sind viele Stunden damit beschäftigt, durch vorausschauenden Einkauf Lieferproblemen vorzubeugen oder Alternativen zu beschaffen“, erläutert Sommer.

Betroffen seien Arzneimittel für Krebspatienten, Antibiotika und Lokalanästhetika, aber auch Schlaganfallpräparate und Schmerzmittel für Kinder. Durch verschiedene Maßnahmen könnten die Apotheker die Versorgung der Patienten bislang sicherstellen.

Teure Importe sind nötig

Dazu gehöre ein umsichtiges Beschaffungsmanagement, der Einkauf teurer Importe, eine Umstellung der Packungsgrößen oder auf Alternativpräparate sowie eine zusätzliche zeitintensive Eigenherstellung bestimmter Medikamente.

Sommer betont: „Ich bin froh und dankbar, dass ich in dieser Beschaffungskrise auf erfahrene und sehr motivierte Mitarbeiter zählen kann. Nur so können wir die zusätzliche Arbeitsbelastung stemmen.“ Gleichzeit habe er jedoch die Sorge, dass die Zusatzbelastung zum Normalzustand werden könnte – das dürfe nicht sein. Der Druck, unter dem man arbeite, sei enorm, schließlich gehe es um die Gesundheit der Menschen.

„Das macht wütend und traurig“

Sommer: „Wir können ja nicht sagen: Gut, die blauen Smarties gibt es heute nicht, dann nehmen wir einfach mal die roten. Der Ernst der Lage ist immer noch nicht angekommen. Heute können wir Patienten nicht mit Folinaten versorgen, ein Medikament, das die Wirkung der Chemotherapie verbessert. Das macht uns wütend und traurig zugleich. Und dann fragt man sich: Was ist morgen?“

Die Situation sei in ganz Deutschland vergleichbar schlecht, die Zukunftsaussichten besorgniserregend. Es sei unter anderem davon auszugehen, dass die Lieferprobleme weiter zunehmen.

Lage herausfordernd

Auch am Klinikum Dortmund sei man von den Lieferengpässen betroffen, heißt es. Die Lage sei teils herausfordernd, durch verschiedene Maßnahmen schaffe man es aber, die Auswirkungen so minimal wie möglich zu halten.

„Die meisten Lieferengpässe können wir durch den Einkauf wirkstoffgleicher oder wirkstoffähnlicher Arzneimittel kompensieren“, heißt es vom Klinikum. Zudem stelle man Arzneimittel selbst her oder stelle durch Portionierung eine optimale Nutzung der vorhandenen Mengen sicher. Die Auswirkungen für Patienten habe man am Klinikum somit bisher sehr gering halten können, heißt es.

Beim Klinikum Westfalen, zu dem die Knappschaftskrankenhäuser in Brackel und Lütgendortmund gehören, läuft die Medikamentenversorgung über eine Zentral-Apotheke in Bochum. Man profitiere davon, dass man über den Verbund der knappschaftlichen Krankenhäuser organisiert sei.

Verbundgröße von Vorteil

Die Zentral-Apotheke habe eine gute vorausschauende Lagerhaltung und man könne auf Alternativ-Medikamente umsteigen. Zudem könnten sich die knappschaftlichen Krankenhäuser bei Bedarf untereinander aushelfen.

Auch dort könne man in Teilen auf die eigene Herstellung umsteigen. Insofern sei man vom Mangel aktuell nicht betroffen.