Mayday also: elektronische Tanzmusik, harter Techno, noch härterer Techno. Eine Welt, die ich bisher sehr selten betreten habe, obwohl mich elektronische Musik in vielen Spielweisen mitnimmt.
Es gibt diese Veranstaltung seit Anfang der 1990er Jahre, also seit ich ein Jugendlicher war.
Die Westfalenhalle am 30. April war damals eine Art mystischer Ort, zu dem Tausende am frühen Abend pilgern, um erst wieder ausgespuckt zu werden, wenn der erste Mai-Morgen schon graut.
Erst durfte ich nicht hin. Als ich alt genug gewesen wäre, wollte ich nicht mehr. Jetzt bin ich da – bei der Mayday 2023.
Die Mitte der Gesellschaft
Die „Älteren“, die damals schon reindurften, berichten dieses: In den 90er Jahren waren Raver noch absolute Exoten, nach denen die Menschen die Hälse reckten.
Mittlerweile – das ist Erkenntnis Nummer eins dieser Nacht – ist Techno dort angekommen, wo er möglicherweise nie sein wollte: in der Mitte der Gesellschaft.
Das Mayday-Publikum repräsentiert gleichzeitig Jugendkultur und ein würdig mitgealtertes Feier-Publikum. So wirkt das Geschehen im Umlauf der großen Westfalenhalle wie ein schrilles Volksfest.
Das hier ist Kultur

Ein Trio im Renten-Alter aus Berlin feiert am Eingang zur Haupthalle namens „Arena“. Drinnen tanzen Menschen von 16 bis 45. Ein unauffällig gekleidetes Pärchen mittleren Alters sieht vom Rande aus zu, beide nicken leicht mit dem Kopf.
Das hier ist Kultur, genauso wie eine Oper oder ein Pop-Konzert.
Die optischen Eindrücke sind intensiv. Grelle Farben, kontrastiert durch viel Schwarz, Ketten und Riemen am Körper. Masken sind hier ein Ding, auch Trillerpfeifen und Warnwesten gibt es noch.
Hinzu kommt die körperpositive, offene Haltung, die der Rave-Szene schon immer innewohnte. Bedeutet: viel Haut, wenig Stoff, bei Männern wie bei Frauen. Das passiert mit einer unaufdringlichen Selbstverständlichkeit und mit gegenseitiger Rücksichtnahme.
Darum funktioniert die Mayday Dortmund
Mir fehlt der Vergleich zu anderen Jahren. Aber schon nach kurzer Zeit glaube ich zu begreifen, warum dieses Party-Prinzip bei allen programmatischen Schwankungen und Veränderungen seit mehr als 30 Jahren funktioniert.
Ich betrete die „Arena“. Der Beat treibt, beinahe durchgehend, der Bass bebt. Das legt sich um den Körper wie eine wohlige Umarmung. Weil scheinbar alle dieses Gefühl empfinden, ist der „Vibe“ in der Halle trotz vergleichsweise harter Musik und manch noch härter aussehender Kerle positiv.
Das bleibt auf den weiteren Floors „Empire“ und „Factory“ genauso. Obwohl hier Tempo und Härte noch einmal gesteigert sind. Der Artist Tesfy schraubt ultraschnelle Beats unter populäre Melodien („What Is Love“ von Haddaway!). Und die Menge jubelt ekstatisch, wenn die beißende Bassdrum reinkickt.
Spektakuläre Licht-Effekte
Die DJs wirken hinter großen Pulten von weitem winzig. Ihre Performances leben von Licht und Lasereffekten. Beim Auftritt von Amelie Lens ist die „Arena“ ein Käfig aus Lichtkegeln. Bei Gregor Tresher zucken grelle Strahler im 160 bpm-Tempo. Dann wieder bleibt alles dunkel oder wird gleißend hell.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Party noch gar nicht im Mai angekommen. Die richtigen Topacts spielten auf den attraktiven Slots: zwischen 4 und 8 Uhr morgens. So lange schaffe ich es als Rave-Neuling nicht.

Aber ich stelle dennoch fest: Ich bin wohl ein größerer Techno-Fan, als ich es vorher von mir selbst gedacht hätte. Sich gemeinsam mit anderen in der Musik zu verlieren, gibt einem etwas – ob es für 4 oder für 14 Stunden ist.
Das Thema Drogen
Das funktioniert ausgezeichnet unberauscht. Aber wer über die Mayday spricht, muss über Drogen sprechen. Zumindest tun das alle. Womöglich zurecht.
Es dauert unübertriebene 45 Sekunden, bis mich auf dem Weg zum Eingang jemand anspricht. „Weißt du, wie dein Fahrrad von allein fährt?“, fragt er. „Mit Ecstasy. Brauchst du was?“

Irgendwie ein kreativer Anmachspruch, denke ich, lehne aber selbstverständlich ab. Andere haben die gegenteilige Entscheidung getroffen.
Dass hier Menschen unter dem Einfluss von Amphetaminen oder anderen Substanzen stehen, ist nicht die Frage. Sondern, wie sie damit umgehen und wie sie es vertragen.
DRK hilft in Notfällen
Gegen 23 Uhr ist erstmals ein größerer Einsatz für die zahlreichen Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zu beobachten, die über die gesamten 14 Stunden im Einsatz sind. In stabiler Seitenlage wird ein junger Mann abtransportiert. Die Mayday gehört zu den arbeitsreicheren Einsätzen für die Veranstaltungsteams des DRK.
Als die Party vorbei ist, hat der Drogenkonsum für manchen noch Folgen ganz anderer Art. Die Polizei richtet am Montagmorgen auf der B1 im Dortmunder Osten eine Sonder-Kontroll-Stelle für Fahrzeuge ein, die potenziell von der Mayday kommen.
Neben diesem Standard-Vorgang registriert die Polizei am Montag (1.5.) auf Anfrage keinerlei Auffälligkeiten rund um die Veranstaltung in der Westfalenhalle. Eine offizielle Besucherzahl lag am Tag nach dem Festival noch nicht vor.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 1. Mai 2023. Wir haben ihn vor dem Start der Mayday 2024 erneut veröffentlicht.
Mayday 2023 in Dortmund: Tausende feierten in der Westfalenhalle - der Mayday-Blog zum Nachschauen
Großes Festival in der Westfalenhalle: Tausende Techno-Fans zur „Mayday“ in Dortmund erwartet
30 Jahre Mayday: Hinter den Kulissen von Deutschlands größtem Indoor-Rave