Martener Forum will mit Unterschriftenaktion Wohnungen retten

Martener Forum will mit Unterschriftenaktion Wohnungen retten

rnAldi-Neubau in Marten

Der geplante Aldi in Marten hat schon viele Kontroversen ausgelöst. Das Martener Forum reagiert mit einer Unterschriftenaktion. Über 500 Unterschriften gibt es schon - auch zwei prominente.

Marten

, 08.08.2018, 17:17 Uhr / Lesedauer: 3 min

Marten soll einen großen und modernen Aldi-Markt bekommen. Klingt eigentlich nach einer guten Nachricht, aber der kollektive Jubel bleibt aus. Denn mit dem Neubau wird Wohnraum verloren gehen und eine gut laufende Augenarztpraxis muss weichen.

Das Martener Forum will die Baupläne nicht einfach so schlucken und hat deshalb eine Unterschriftenaktion mit einer Petition gestartet. Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Was genau ist geplant?

Der bestehende Aldi an der Schulte-Heuthaus-Straße 58 soll durch einen größeren Neubau ersetzt werden. Die Errichtung des neuen Discounters soll hier und auf dem westlich angrenzenden Grundstück der Sparkasse erfolgen. Das ehemalige Gebäude der Sparkasse soll abgerissen werden. In dem Gebäude befinden sich noch die Augenarztpraxis Dr. Helmut Stodollick und vermietete Wohnungen.

Wie weit sind die Neubau-Pläne fortgeschritten?

Für den geplanten Aldi-Neubau ist die Neuaufstellung des Bebauungsplans erforderlich, weil die Verkaufsfläche des geplanten Lebensmittelmarktes deutlich oberhalb von 800 Quadartmetern liegen wird (rund 1500 qm). „Die Schwelle zur Großflächigkeit wird überschritten und ein Planerfordernis ausgelöst. Das Verfahren befindet sich noch am Anfang“, so Stadtsprecher Frank Bußmann auf Anfrage. Es würden noch keine Abbruchanträge vorliegen.

Dieser Aldi soll abgerissen werden, damit hier und auf dem westlich gelegenen Areal ein neuer Markt gebaut werden kann.

Dieser Aldi soll abgerissen werden, damit hier und auf dem westlich gelegenen Areal ein neuer Markt gebaut werden kann. © Beate Dönnewald

Hat der Bebauungsplan schon die politischen Gremien passiert?

Der Aufstellungsbeschluss wurde am 7. Februar durch den Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen gefasst. Eine Bürgerinformationsveranstaltung gab es am 26. April.

Was fordert nun das Martener Forum?

Generell begrüßt das Forum den Neubau, als „Sicherung des Einzelhandelsangebots in Marten“. Gleichzeitig koppelt das Forum aber zwei Forderungen an seine Zustimmung:

1. Die Augenarztpraxis muss dauerhaft erhalten bleiben.

2. Das Wohnungsangebot in Marten soll erhöht werden, Wohnraum darf nicht vernichtet werden.

Auf der Rückseite ihrer Unterschriftenliste hat das Forum eine einseitige Stellungnahme abgedruckt.

Was sind die Kernpunkte?

Zum einen kritisiert das Forum, dass die Sparkasse beim Verkauf ihres Gebäudes weder die Interessen der Mieter noch der Patienten der Augenarztpraxis ausreichend berücksichtigt habe. Das Martener Forum erwartet von der Verwaltung, vom Rat und seinen Ausschüssen sowie von der Bezirksvertretung konstruktive Lösungen.

Hat das Forum auch Lösungsvorschläge?

Falls Aldi nicht bereit ist, auch Praxisräume und Wohnungen zu errichten, sei die Dogewo21 gefordert. „Marten gehört zu den Vororten, in denen die Dogewo bisher nicht aktiv ist“, heißt es in der Stellungnahme. Es gebe eine Unterversorgung in Sachen „sozialer Wohnungsbau“.

Eine weitere Lösung sei, das Plangebiet des Bebauungsplans in Richtung Overhoffstraße auszuweiten. Dort hätte man dann auch Platz für einen „sträflich vermissten Drogeriemarkt“. Die Einzelhandels-Schwerpunkte müssten durch fußläufige Verbindungen besser vernetzt werden, generell dürfe sich der Aldi-Neubau nicht nachteilig auf den Bereich der Schulte-Heuthaus-Straße und den Ortskern bezüglich Wohnbebauung und Infrastruktur auswirken. Das Forum sieht Marten zukünftig als Vorort der Dortmunder Hochschulen, der Aldi-Neubau solle als Startschuss dafür verstanden werden.

Warum sehen die Bürger besonders die Politik in der Pflicht?

Dazu Joachim Schmittgen vom Forum: „Der Rat und die Bezirksvertretung müssen ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen. Es ist Beschlusslage, Bebauungspläne nur zu genehmigen, wenn ein Viertel der Wohnungen für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen sind. Dies ist gerade bei der Unterversorgung Martens mit ,Sozialwohnungen‘ wichtig.“ Gerade einmal 220 Wohnungen mit „Sozialbindung“ seien ein Skandal, „wenn man die Einkommenssituation der Bevölkerung berücksichtigt“, meint Schmittgen. Der bisherige Bebauungsplan gelte für ganz „Alt-Marten“, man könne den Ratsbeschluss nicht dadurch unterlaufen, dass man nur den Teilbereich ändere, in dem der Aldi-Neubau errichtet werden soll, meint Joachim Schmittgen.

Die Unterschriftenaktion läuft ja schon eine ganze Weile. Haben schon viele Bürger unterschrieben?

Ja, sagt Ingo Rößler vom Forum, bislang seien es über 500 Unterschriften. Auch Oberbürgermeister Ullrich Sierau und der Chef der Wirtschaftsförderung, Thomas Westpfahl, hätten unterschrieben.

In Berlin kombiniert Aldi den Bau von neuen Märkten mit Wohnungsbau.

In Berlin kombiniert Aldi den Bau von neuen Märkten mit Wohnungsbau. © dpa

Bedeuten diese beiden Unterschriften, dass die Verwaltung die Forderungen des Forums unterstützen wird?

Auf diese Frage der Redaktion hat die Stadt nur sehr knapp geantwortet: „Die Planungsverwaltung ist mit dem Unternehmen Aldi hinsichtlich der Planung des Marktes im Gespräch. Eine Zeitplanung für die Weiterführung des Bebauungsplan-Verfahrens liegt noch nicht vor“, schreibt Frank Bußmann.

Wie äußert sich Aldi zu den Forderungen der Bürger?

„Unsere konkreten Vorhaben im Bereich Immobilien beziehen sich derzeit ausschließlich auf den Raum Berlin“, schreibt Unternehmenssprecherin Verena Lissek. Bei der Realisierung des Neubaus in Marten sei nach wie vor kein Wohnungsbau vorgesehen. „Da sich das Projekt derzeit noch in Planung befindet, bitten wir um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine weiterführenden Informationen zur Verfügung stellen können“, schreibt Verena Lissek.

Was sagt Augenarzt Dr. Helmut Stodollick zu der Situation?

Er verhandele gerade mit Aldi-Nord, um den augenärztlichen Standort in Marten erhalten zu können – und das in ähnlich idealer Lage. Darüber hinaus fordere er von Aldi-Nord, dass den Mietern, die zum Teil gehbehindert seien, nicht nur Abfindungen, sondern auch Hilfe bei der Wohnungssuche und beim Umzug angeboten werden.

Das Wohnhaus samt Praxis an der Schulte-Heuthaus-Straße hat die Sparkasse im Februar veräußert. Eigentümer soll nun Aldi-Nord sein. „Zu den Mietern unserer Immobilien pflegen wir stets ein partnerschaftliches Verhältnis. Auch nach einem Immobilienverkauf begleiten wir unsere ehemaligen Mieter beim Wohnungswechsel und versuchen, ihnen den Umzug zu erleichtern“, so Sparkassen-Sprecherin Sophie Donat.
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