Einem umstrittenen und international bekannten Regisseur hat sie für einen Film einmal eine Absage erteilt, obwohl sie sein Schaffen sehr respektiert:
Die Dortmunder Schauspielerin Monika Bujinski war sich nicht sicher, ob sie zu dem preisgekrönten Filmemacher in den entscheidenden Momenten hätte „Nein“ sagen können. Zum Beispiel wenn es darum gegangen wäre, nackt in einer Szene aufzutauchen. Das wollte die 51-Jährige nicht.

Auch die gebürtige Wittenerin, heutige Wahlkölnerin und freischaffende Schauspielerin Stefanie Winner hat in ihrem Job Situationen erlebt, bei denen ihre Grenzen schlichtweg missachtet wurden. Just, nachdem sie 2016 frisch ihre Schauspielausbildung abgeschlossen hatte, passierte dies häufiger, berichtet sie.
Einzelfälle? Leider nein. Es gibt andere Beispiele. Unlängst auch ein recht prominentes:
Fall aus Berlin
2021 wurde der damalige Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr, entlassen. Vorausgegangen waren Beschwerden von zehn Schauspielerinnen seines Ensembles bei der Initiative „Themis“, einer Vertrauensstelle für Menschen, die in der Kultur- und Medienbranche Übergriffe bei der Arbeit erleben oder beobachten, so berichtete es die Tageszeitung taz.
Die zehn Kolleginnen hatten ähnliche Situationen beschrieben, in denen Dörr zu starke körperliche Nähe aufgebaut, erotisierende Bemerkungen gemacht und auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gezielt gegeneinander ausgespielt habe. Die Initiative trat laut dem Bericht daraufhin an die Berliner Senatsverwaltung heran. Am Ende habe letztlich die Entlassung gestanden.
Angst vor Kündigung
Zurück zu Stefanie Winner. Sie meint: „Die #metoo-Debatte hat eine Transparenz möglich gemacht, die es vor fünf bis zehn Jahren noch nicht gab.“ Nachdem sie ihre Schauspielausbildung abgeschlossen hatte, folgten auf den anfänglichen Enthusiasmus schnell die ersten ernüchternden Erlebnisse, berichtet sie weiter.
„Am Anfang ist die Freude groß, aber man ist sich seiner Sache natürlich noch nicht so sicher. Da möchte man vor allem eines nicht - kompliziert wirken“, führt sie aus. Und sie fährt fort:
„Das zusammen mit den unsicheren Arbeitsverhältnissen am Theater, wo man aus künstlerischen Gründen gekündigt werden kann, führt dazu, dass man seine Bedürfnisse schnell mal zurückstellt. An manchen Häusern gibt es aber Charaktere in Führungspositionen, die sich gezielt Leute rauspicken und sie fertigmachen. Da entsteht dann aber kein besseres Theater“, so Winner.
Denn: „Angst führt niemals zu etwas Gutem. Trotzdem denkt man anfänglich, man müsse da durch, um einen guten Job zu machen.“
„Frauen in führenden Positionen sind wichtig“
„Nein sagen ist immens wichtig“, sagt Monika Bujinski. „Gerade wenn es darum geht, die eigenen Grenzen klarzumachen.“ Die Dortmunderin begreift sich selbst nicht als die durchsetzungsfähigste Person. Sie hätte in ihrer Karriere vor allem das Glück gehabt, in stabilen Umfeldern zu arbeiten, zum Beispiel am Dortmunder Schauspiel, damals noch unter unter Schauspieldirektor Michael Gruner.
Da habe es immer eine Ansprechperson gegeben, wenn es mal Schwierigkeiten gab. „Man braucht ein Korrektiv - deshalb ist es sehr wichtig, dass es Frauen in führenden Rollen an Theatern gibt.“
Stefanie Winner kennt solche schwierigen Situationen - und die ergeben sich bisweilen sogar aus dem professionellen Tun: „Die Darstellung von sexuellen oder gewalttätigen Handlungen beruhen immer auf Vertrauen, Absprachen und Proben. Mir ist es schon passiert, dass ich am Set mit Anweisungen ,überfallen‘ wurde, dann ist es natürlich um so schwieriger, ,Nein!‘ zu sagen.“
Sie gibt ein Beispiel: „Ein Regisseur wollte während der Proben ständig Gewaltszenen ,improvisieren“ oder er hat angefangen, in jeder Szene sexuelle Handlungen unterzubringen, getarnt als ,spontane Einfälle‘, die aber nichts mit dem Skript zu tun hatten“, so Winner. „Letztendlich war das sein privates Vergnügen.“
Hilfe für Betroffene
Inzwischen gibt es Institutionen und Verbände, in denen sich Schauspielerinnen und Schauspieler engagieren, wie beispielsweise „Themis“ in Berlin, das „Ensemble Netzwerk“ oder den „Bundesverband Schauspiel“, die auch immer wieder gewisse Schieflagen thematisieren. „Pro Quote Film“ wiederum kämpft gegen die Diskriminierung von Frauen in der Filmbranche.
„Der Berufszweig Schauspiel ist gerade für junge Menschen noch an große Erwartungen geknüpft“, erzählt Monika Bujinski. „Viele hoffen halt doch, dass sie das richtige Engagement irgendwann mal nach Hollywood oder sonstwohin bringt. Wenn dann eine gestandene Größe aus Film oder Schauspiel etwas von einem verlangt, überlegt man sich zweimal, ob man das ausschlägt - alleine wegen des Netzwerks.“
Dieses Machtgefälle sei eine der größten Schieflagen im Schauspiel, so Bujinski.
Große Erwartungen enttäuscht

„In manchen Häusern werden auf der Bühne die schönsten Revolutionen gespielt, und hinter der Bühne ist es der größte Scheiß“, sagt Stefanie Winner. Sie hat aber auch positive Beispiele kennengelernt.
Zum Beispiel Filmsets, bei denen im Vornherein ein Intimitäts-Coaching stattfindet. Gemeinsam würden dort die Grenzen ausgelotet. „Es gibt auch Produktionsfirmen, die vertraglich genau festhalten, was von einem Schauspieler oder einer Schauspielerin verlangt werden kann und was nicht“, so Winner.
Jungschauspieler stärken
Und auch schon auf dem Weg zur Schauspielerei als Beruf tut sich etwas: „Mittlerweile wird an den Schulen das Thema Grenzen viel stärker thematisiert, so dass junge Schauspielerinnen und Schauspieler gestärkter ins Berufsleben wechseln“, weiß Stefanie Winner.
Monika Bujinski empfiehlt Jungschauspielern auf jeden Fall, eine staatliche Ausbildung zu machen. „Die Ausbildung ist wirklich handfest - und mit dem entsprechenden Zeugnis in der Hand hat man direkt eine ganz andere Verhandlungsposition, wenn es um Anstellungen geht.“
Beide wünschen sich, dass es am Schauspiel und den Filmsets normal wird, eine feste Ansprechperson zu haben - einen geschützten Raum, wo problematische Verhältnisse angesprochen werden können.
Aktuell ist Monika Bujinski im Theater im U mit dem Trio Austropott und dem Stück „Das Abschiedsdinner“ zu sehen, ansonsten spielt sie am Essener Grillo-Theater und am Bochumer Rottstraße 5 Theater in Bochum.
Stefanie Winner war zuletzt Anfang November in der Produktion „Die Erregten“ im Theater im Depot in Dortmund zu sehen. Sie ist ein Teil des Dortmunder Performance-Kunst-Vereins „Artscenico“. Aktuell hat sie eine Anstellung am Theater Duisburg, wo sie in „Orlando“ zu sehen ist.
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