Die Stadt Dortmund sieht sich nicht in der Lage zu tun, was 767 andere Städte und Gemeinden geschafft haben: eine Katzenschutzverordnung zu erlassen. © Illustration Verena Hasken
Kolumne Klare Kante
Macht es wie 767 andere Städte: Führt endlich die Kastrationspflicht für Katzen ein!
Auch den vierten Anlauf der Tierschützer, eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen einzuführen, versucht die Verwaltung abzuschmettern. Das wird allmählich absurd.
Fast die Hälfte der Katzen, die zurzeit im Dortmunder Tierheim auf ein neues Zuhause warten, sind Katzenwelpen – 33 von 71. Sie sind in der Regel das Ergebnis lustwandelnder, nicht kastrierter Katzen. Wenn der Trieb ruft, paaren sich freilaufende Besitzerkatzen mit frei lebenden Straßenkatzen. Die unkontrollierte Vermehrung führt zu Überpopulation und Tierleid; denn oft sind die frei lebenden Tiere krank, unterernährt oder verletzt.
Das Problem haben in Deutschland 767 Städte und Gemeinden erkannt und eine Katzenschutzverordnung erlassen, die die Kennzeichnung und Kastration von Freigänger-Katzen vorschreibt. Die Dortmunder Verwaltung allerdings stellt sich beharrlich quer, und die Politiker zucken mehrheitlich mit den Schultern – ausgenommen Grüne sowie Linke & Piraten.
Das Mantra der Verwaltung
Jeden neuen Anlauf von Katzenschutz- und Tierschutzverein kontert die Verwaltung mit dem Mantra, eine Katzenschutzverordnung lasse sich in Dortmund nicht rechtssicher machen. Weil man in das Eigentum der Katzenhalter eingreife, sei das ein juristisch komplexer Bereich, ließ Rechtsdezernent Norbert Dahmen die Politik wissen. Gefürchtet sind wohl eher lästige Arbeit und Kosten, die mit einer solchen Katzenschutzverordnung verbunden sein könnten.
Die Voraussetzung für eine Katzenschutzverordnung hat bereits vor sechs Jahren der Bund mit einer Änderung des Tierschutzgesetzes (§13b) geschaffen. Das ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung den unkontrollierten freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen zu beschränken oder zu verbieten, soweit dies zur Verhütung erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden erforderlich ist.
Musterverordnung vom Land
Das Land NRW überlässt es den Städten und Gemeinden, darüber zu entscheiden, ob sie eine Katzenschutzverordnung einführen, und hat ihnen im Jahr 2015 als Empfehlung eine Musterverordnung an die Hand gegeben. Ob Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Köln, Unna oder Schwerte – alle haben die Verordnung eingeführt mit Ordnungsgeldern bis zu 1000 Euro. Nur in Dortmund soll das angeblich nicht gehen. Hier miauen die Katzen wohl anders.
Vor einem Jahr schien der Knoten durchschlagen, als der Ratsausschuss für Anregungen und Beschwerden sogar einstimmig beschloss, eine rechtssichere Katzenschutzverordnung für Dortmund zu erlassen. Allerdings wieder mit einem Hintertürchen für die Verwaltung. Sollten weitere Daten und Belege zum Nachweis des Tierleids erforderlich sein, sollte die Verwaltung diese mit den Tierschutzvereinigungen beibringen.
Auch das Land empfiehlt zu dokumentieren, ob die Voraussetzungen für eine Katzenschutzverordnung gegeben sind. Allerdings ohne konkrete Zahlen zu nennen, wie viele frei lebende Katzen auf welcher Fläche für eine Katzenschutzverordnung notwendig sind.
Mehr als die Hälfte der Tiere leidet
In Dortmund gab es vor einem Jahr schon jede Menge Zahlen, aber die reichten der Verwaltung nicht. Andere sollten sich die Arbeit machen und weitere Zahlen herbeischaffen. Ein Jahr lang hat das der Dortmunder Katzenschutzverein brav getan, Für jede eingefangene Katze einen umfangreichen Fragebogen unter anderem über den Zustand der Katze, ihre Krankheiten und die Behandlung ausgefüllt. 266 Mal.
Mehr als die Hälfte der 266 Tiere waren krank, verletzt und/oder unterernährt. Sie litten unter chronisch unheilbaren Viruserkrankungen wie Katzenaids, dem so oft tödlich verlaufenden Katzenschnupfen und Augenentzündungen, Zahnerkrankungen und Durchfall. 80 Prozent wurden gegen Parasiten behandelt. 7 Prozent mussten eingeschläfert werden. Hinzu kommen 103 Totfunde. Einen Zusammenhang mit einer Überpopulation kann die Verwaltung nicht erkennen.
Gleichzeitig hat die Verwaltung die im Tierheim untergebrachten Fundkatzen in ihrer Aufzählung für die Politik wohlweislich weggelassen. Das waren im vergangenen Jahr 253 Tiere und in diesem Jahr bislang 183. Rund 90 Prozent, so schätzen die Tierheim-Mitarbeiter, waren nicht kastriert, die meisten davon Welpen und Jungkatzen. Diese Information kommt auf Nachfrage vom Presseamt.
Von anderen lernen
Der Katzenschutzverein hat sonst jährlich 400 bis 500 Katzen eingefangen und kastrieren lassen, doch die Mitstreiter werden älter und weniger. Und damit die frei lebenden Katzen mehr. Die Ordnungsverwaltung ficht das nicht an, obwohl sie sicherlich nicht hinter jeder Katze herlaufen müsste. Bei Wildpinklern, die eine Ordnungswidrigkeit begehen, tut sie das schließlich auch nicht. Nebenbei: Nirgendwo hat jemand bislang gegen eine Katzenschutzverordnung geklagt.
Und die Politik überlegt, die Katzenschützer mit Geld zu unterstützen. Doch darum geht es nicht. Sondern darum, ihnen beim Einfangen fremder Katzen mehr Rechtssicherheit zu geben und ihre Arbeit weitgehend überflüssig zu machen.
Oberbürgermeister Ullrich Sierau erzählt gern, dass er aus anderen Städten oft die Frage höre: „Wie macht ihr das in Dortmund?“. Jetzt wird es mal höchste Zeit für den umgekehrten Weg, sprich bei 767 anderen Städten anzuklopfen und zu fragen: „Wie macht ihr das?“ Und macht es dann endlich!
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