Die Nachricht wird viele sicher völlig unerwartet getroffen haben. Die Familie Mohrenstecher aus Lütgendortmund gibt ihr Geschäft auf. Ende März 2025 werden Wilhelm und Beate Mohrenstecher sowie ihre Tochter Henrike Stahlschmidt die „Drogerie Zimmermann“ für immer schließen, wie die drei uns Ende Januar sagten.
Das „Dorf“ ohne die Drogerie in der Limbecker Straße – das ist eine Zäsur, schließlich gibt es das Geschäft seit nunmehr 88 Jahren. Ein Leerstand an prominenter Stelle, zwischen dem „Café Blickpunkt“ und „Schreibwaren Köhler“, droht, wenn nicht ein Nachfolger gefunden wird. Immerhin: Eine Option sei auch, aus dem Ladenlokal Wohnungen zu machen.
Mehrere Gründe, so sagt die Familie, hätten zu der schweren Entscheidung geführt, Schluss zu machen. Ein wesentlicher seien die gescheiterten Pläne für die seit langem leer stehende Großimmobilie mitten im Ortskern, dem ehemaligen Kaufhaus Konze.
Wäre alles nach Plan gelaufen, wäre aus dem Gammelobjekt schon längst ein modernes Geschäftshaus geworden, mit Mietern wie Kik, Rossmann und Tedi. Dann „hätten wir hier am Tag 150 Kunden mehr“, ist sich Wilhelm Mohrenstecher sicher. So aber kämpfen Einzelhändler in Lütgendortmund seit Jahren um mehr Kundschaft; sie beklagen, dass die Ruine das Einkaufen im „Dorf“ unattraktiv mache – gerade, da der Weg in den Indupark oder den Bochumer Ruhrpark nicht weit ist.

Man kommt nicht drumherum: Wer der Frage nachgeht, wie es der Geschäftswelt in Lütgendortmund geht, landet unweigerlich bei dem Schandfleck, der alles überschattet: Große Pläne hatte es für den Umbau der ehemaligen Konze-Immobilie am Marktplatz gegeben, verbunden mit großen Hoffnungen der Lütgendortmunder. Doch vor zweieinhalb Jahren ging der Investor in die Insolvenz. Seitdem gammelt das Gebäude weiter vor sich hin.
Allerdings: Es gibt einen Hoffnungsschimmer. Der Insolvenzverwalter, der seit 2022 neue Investoren für das Gebäude sucht, hat zuletzt von so konkretem Interesse gesprochen wie nie zuvor. Es gebe bereits Gespräche mit der Stadt, die Verhandlungen mit einem der möglichen Investoren seien so weit fortgeschritten, dass bereits ein Kaufvertragsentwurf erstellt worden sei. Frühestens im Februar 2025 aber könne unterschrieben werden, sagte Jurist Martin Lambrecht im Dezember.
Für die Mohrenstechers käme ein erfolgreicher Abschluss zu spät. Trotz der Gammel-Immobilie hat es aber gerade in jüngster Vergangenheit dennoch einige mutige Neueröffnungen gegeben. Und wer genau hinschaut, muss feststellen: Viel steht zurzeit nicht leer.

Bäckerei „Mavish“
Eine mutige Neueröffnung findet sich unweit der Bauruine: Im Eckhaus der Werner Straße 2 war bis Anfang 2023 ein Wettbüro, doch das musste schließen, nachdem sich gesetzliche Bestimmungen geändert hatten. Nur wenige Monate später wurde das Ladenlokal renoviert: Am 1. August 2023 eröffnete Dilara Celik dort ihre türkische Bäckerei mit Café. Lahmacun, Fladenbrote, Sesamringe, süßes Gebäck sowie ein türkisches Frühstück stehen unter anderem auf der Speisekarte.
Geschäftsführerin Dilara Celik weiß ein starkes Team hinter sich: Ihr Vater Murat Celik ist bereits erfahren in der Gastronomie.

„Storebox“ und „Akademie für Arbeitssicherheit“
„Mavish“ ist nicht der einzige Neustart an der Werner Straße 2. In den vergangenen Jahren haben alle Ladenlokale in dem großen Gebäudekomplex gewechselt. So zog im Winter 2022 eine „Akademie für Arbeitssicherheit“ ein, in der unter anderem Erste-Hilfe-Kurse gegeben werden. Chefin ist Daniela Reich, deren Firma seit Anfang 2022 alle Ladenlokale in der Werner Straße 2 vermietet.
Hauptmieter war dort bis zum Sommer 2022 ein großes Fachgeschäft: das Bettenstudio „Rega Prestige“. Dessen Inhaberin Gabriela Reffelmann allerdings überwarf sich mit ihrer neuen Vermieterin. Es ging um eine Mieterhöhung. Letztlich wurde Reffelmann gekündigt; sie verließ sehr plötzlich Lütgendortmund und siedelte nach Castrop-Rauxel über. Für einen Teil des Lokals konnte Reich schnell einen Nachmieter finden: Seit Anfang 2023 bietet dort das österreichische Startup „Storebox“ Lagerfläche für Privat- und Geschäftskunden in unterschiedlichen Größen an. Mehr als die Hälfte der Boxen ist laut Buchungstool belegt.

„Kommen Bleiben Gehen“
Zum Bettenstudio gehörte noch ein zweiter, kleinerer Raum. In diesem hatte Reffelmann noch bis Ende 2022 vor allem Deko-Artikel angeboten. Knapp ein Jahr stand es leer, ehe Daniela Reich einen prominenten wie zuverlässigen Mieter gewinnen konnte: die Stadt.
Sie hat das Geschäft für „Kommen Bleiben Gehen“ angemietet, ein Projekt, das die Kultur- und Kreativwirtschaft unterstützen soll. Gleichzeitig soll es den Vororten helfen. Die Idee: Leerstand mit Leben füllen, indem in den Ladenlokalen Ausstellungen, Projekte und Präsentationen zu sehen sind.
Die Kunst-gegen-Leerstand-Aktion startete Mitte Februar 2024 mit „Viola Welker – fantastische Welten“. Mittlerweile waren bereits fünf Ausstellungen zu sehen, am 8. Februar startet die sechste mit dem Namen „Spielräume von Oettingen bis Lange“ und es werden wohl noch einige folgen – die Stadt hat einen Mietvertrag bis September 2025 unterschrieben.

„Calvin Home“
Im anderen Eck-Ladenlokal der Werner Straße 2 war bis Anfang 2022 das Luftakrobatikstudio „Aerial Gym“; im Sommer 2022 zog dort die Physiotherapeutin Marina Maßner mit ihrem Yoga- und Pilatesstudio „Flowing Balance“ ein. Hierzu hat sie das 222 Quadratmeter große Ladenlokal komplett renoviert und ein Loft-artiges Studio entstehen lassen.
Seit September 2023 aber war klar: Maßner möchte das Studio wieder verlassen: Bei Kleinanzeigen suchte die Physiotherapeutin einen Nachmieter für das Studio, und das bereits ab November 2023. Gefunden wurde er erst jetzt: Im Januar 2025 zog „Calvin Home“ ein, ein etwas ungewöhnliches Möbelgeschäft, in dem die Wünsche der Kunden eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Denn: Wie Verkäufer Furkan Bayram erklärt, gibt es keine Katalog-Ware. Kunden können mit ihren Ideen kommen und sich Möbel individuell anfertigen lassen. Ein Foto von einem Tisch oder einem Schrank beispielsweise genüge – „Calvin Home“ lässt dann nachbauen. Größe, Farbe, Material, alles könne frei gewählt werden. Das Ladenlokal in Lütgendortmund dient „nur“ als Showroom, hier können sich die Kunden inspirieren lassen. Gefertigt werden die Möbel in der Türkei.

„Sluna Photography“
Zu den jüngeren Neueröffnungen gehört auch die von Saadet Keskin: Im Frühling 2024 übernahm sie eines der kleinsten Ladenlokale im „Dorf“. In der Limbecker Straße 26, wo einst ein beliebtes Lotto-Geschäft war, hat die 31-Jährige ein Fotostudio eingerichtet.
Ein kleiner Raum für ihre kleine Kundschaft: Keskin hat sich auf Neugeborenen- und Babyfotografie spezialisiert. Eigentlich ist sie Sozialarbeiterin bei der Stadt Dortmund, die Fotografie ihr professionelles Hobby. Während ihrer Elternzeit hat sie sich als Fotografin selbstständig gemacht. Auch, weil sich der Job besser mit Baby vereinbaren lasse, wie sie sagt.
Monatelang hatte die Lütgendortmunderin die Shootings zu Hause gemacht, doch die Nachfrage sei schnell gestiegen und ihr sei klar geworden: „Ich brauche ein Studio, am besten direkt um die Ecke.“ Das hat sie im „Dorf“ gefunden.

Seniorenresidenz „perPedes“
Die optisch auffälligste Veränderung der letzten Jahre ist glasklar die „Seniorenresidenz perPedes“. Hierzu wurde entlang der Limbecker Straße eine Reihe von Häusern komplett abgerissen. In ihnen hatten sich zuvor unter anderem ein Fachgeschäft für Heimtierbedarf befunden, die Bäckerei „Grobe“ und der „Weinverkauf Uecker“. „Grobe“ und „Uecker“ sind dem Dorf aber erhalten geblieben und frühzeitig innerhalb der Limbecker Straße umgezogen. „Grobe“ hat im Sommer 2024 zudem eine große Außenterrasse eröffnet.
Die Seniorenresidenz wurde von Grund auf neu gebaut – und das in nur zwei Jahren und ohne beim Bau oft übliche Komplikationen und Verzögerungen. Auch die 35 Wohnungen sollen in Rekordzeit vergeben worden sein, so der Vermieter, die Seniorenwohnen NRW GmbH. Ende August zogen die meisten neuen Bewohner ein.

„Thera for life“
Im Erdgeschoss der neuen Seniorenresidenz ist ein Ladenlokal untergebracht. Jahrelang haben die Investoren vergeblich nach einem Mieter gesucht, letztlich hat sich etwas ganz Naheliegendes ergeben: Die Therapiepraxis „Thera for life“ hat die Räume gemietet. Die Praxis, die 2022 in die Limbecker Straße 18 gezogen war, habe ohnehin expandieren wollen, erklärte Sami Saleh, einer der beiden Geschäftsführer. Praktisch: Die Seniorenresidenz liegt direkt gegenüber.
Saleh und sein Geschäftspartner haben nun nicht nur mehr Platz, sie wollten auch Logopädie ins Angebot aufnehmen, zusätzlich zu Physio- und Ergotherapie. Der Name der Praxis wurde daher geändert: von „Physio for life“ in „Thera for life“.

„Cake Lounge“
Mitten im Sommer 2024 ging in Lütgendortmund ein weiteres ambitioniertes Projekt an den Start: Ruzanna Hochstein zog ins „Dorf“. Sie hatte bereits zwei Jahre lang die Patisserie „Cake Lounge“ in Mengede betrieben. In dem kleinen Ladenlokal gab es optisch beeindruckende wie leckere Torten für besondere Anlässe, für die Kunden auch von weit her kamen. Das Geschäft lief so gut, dass die Räume zu klein wurden.
In Lütgendortmund hat Hochstein schließlich einen Ort gefunden, an dem sie noch weiter durchstarten möchte: Sie hat das große Ladenlokal an der Limbecker Straße 34 angemietet. Das war sicher eine Überraschung für viele Lütgendortmunder: 2022 versuchte dort das indische Restaurant „Marsala Project“ Fuß zu fassen. Es hielt aber nur vier Monate durch. Seitdem war das Lokal verwaist.
Anfang August eröffnete die „Cake Lounge“ – wie gewohnt, bereitet Hochstein ganze Torten auf Bestellung zu. Außerdem ist die Konditorin nun auch Gastronomin, bietet im großen Café-Restaurant „Joie“ sowohl Kaffee und Kuchen als auch warme Speisen und Salate an. Immer wieder lockt sie auch mit Events, wie zum Beispiel einer Halloween-Party.
Einen Rückschlag musste die 49-Jährige allerdings hinnehmen: Das Frühstücksangebot hat sie zu Mitte November wieder von der Karte streichen müssen. Es sei nicht verlässlich gut gelaufen, erklärte Hochstein. Ganz anders aber sehe es bei der Torten-Produktion oder den Familienfeiern aus, für die sie ihre Räumlichkeiten auch vermietet.

„Beguinen-Apotheke“ und „Dorf-Kiosk“
Verändert hat sich 2024 Jahr auch etwas bei der „Beguinen-Apotheke“ am Markt. Auf den ersten Blick ist das nicht unbedingt erkennbar, aber: Die Apotheke hat seit Anfang März einen neuen Inhaber. Apotheker Amer Mohammad hat sie übernommen. Seine Leitlinie: intensiv bedienen und menschlich mit allen umgehen. Er wolle „der beste Versorger sein“. Hierfür würde er zur Not auch mal ein Medikament selbst ausfahren, verspricht er.
Auch Sven Hardt ist im vergangenen Jahr in Lütgendortmund in die Selbstständigkeit gestartet: Der dreifache Papa hat den „Dorf-Kiosk“ in der Theresenstraße zum 1. September übernommen. Der ausgebildete Verkäufer und Gastronom habe schon immer selbstständig sein wollen und liebe den Kontakt zu Kunden, sagt er. Ein Jahr hat er sich gegeben, um zu testen, ob sein Kiosk sich trägt.

Es gibt sie auch: Leerstände oder aktuell nicht geöffnete Geschäfte. So ist bereits seit mehr als einem Jahr ein neuer Friseursalon komplett eingerichtet: „Der Cityfriseur Salon“ an der Lütgendortmunder Straße schräg gegenüber der Polizeiwache scheint nur noch auf Kunden zu warten. Wie zu vernehmen ist, soll es Schwierigkeiten bei der Personalsuche geben.
Komplett leer steht dagegen das kleine Ladenlokal an der Ecke Limbecker Straße/Beguinenstraße, in dem einst ein Lotto-Geschäft war. Auch die Herren-Boutique an der Ecke zur Bertastraße ist ausgezogen. An dem Standort hatte zuletzt niemand lange durchgehalten. Und auch das ehemalige Ladenlokal des Sanitärgeschäfts „Steinhaus“ in der Werner Straße scheint noch auf einen Nachmieter zu warten.


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