Wirt gibt Eckkneipe in Dortmund auf „Ich bin einfach 30 Jahre zu spät Gastronom geworden“

Stefan Altstadt ist nur noch wenige Wochen Wirt der „Linnertschänke“
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Zehn Jahre lang lebte Stefan Altstadt seinen Traumjob. 2015 wurde er Wirt der letzten Eckkneipe im Dorf. In wenigen Wochen zieht der 53-Jährige einen Schlussstrich. Denn aus Leidenschaft wurde am Ende eine zu schwere Last. Die große Hoffnung des scheidenden Gastronomen ist es, dass er noch rechtzeitig eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger finden wird.

Ansonsten werde er irgendwann im Juni 2025 die Tür der „Linnertschänke“ für immer abschließen müssen. „Im Juni beende ich meine Ausbildung und habe danach auch direkt eine Festanstellung“, sagt Stefan Altstadt am Donnerstag (3.4.) im Telefonat mit dieser Redaktion.

Wirt Stefan Altstadt steht mit einer Tafel in der Hand vor seiner Kneipe in Dortmund-Oespel.
Die Coronapandemie war für Stefan Alstadt wie für viele andere Gastronomen in Dortmund eine große Herausforderung. Nicht alle Kneipen und Restaurants haben sie überlebt. © Beate Dönnewald

Nachdem der bekannte Dorfwirt coronabedingt bereits als Zugbegleiter gearbeitet hatte, wechselt er nun ins Sicherheits- und Bewachungsgewerbe. Diese Branche habe er sich bewusst ausgesucht, „weil ich dort auch viel mit Menschen zu tun haben werde“. Aufgrund der Ausbildung habe er die Öffnungszeiten seiner Kneipe bereits reduziert, außerdem bekomme er Unterstützung von „vielen Menschen, die unentgeltlich arbeiten.“

„Ich habe kein Feuer mehr“, sagt Stefan Altstadt. Ums große Geld sei es ihm nie gegangen, aber für viel mehr als fürs Essen und Trinken hätten die Einnahmen nie gereicht. Es gebe einfach nicht mehr genügend Menschen, die es schätzten, in einer Kneipe ein kühles Blondes trinken und sich dabei über Gott und die Welt unterhalten zu können. „Ich bin einfach 30 Jahre zu spät Gastronom geworden“, sagt er. Das Kneipensterben sei wohl nicht mehr aufzuhalten.

15 bis 25 Stammgäste

Er habe alles versucht, um viele und auch junge Leute für seine „Linnertschänke“ in Dortmund-Oespel zu begeistern. Mit Sommerfesten samt Live-Musik, mit Pfefferpotthast- und Grünkohlessen, mit Schnitzeltagen und kulinarischen Spaziergängen. Denn ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass eine Zapfanlage allein als Konzept für eine Kneipe nicht genügt. Dennoch: „Der Porsche steht immer noch nicht vor der Tür“, sagt Stefan Altstadt schmunzelnd.

Aktuell hielten ihm 15 bis 25 Stammgäste freitags und samstags die Treue, unter der Woche habe er im Schnitt 6 bis 7 Gäste pro Abend. Über Wasser gehalten hätten ihn bislang zudem zwei Dartvereine. „Dart ist gerade eine große Nummer. Wenn man noch einen dritten und vierten Verein installieren könnte, wäre das für meinen Nachfolger eine gute Basis.“

Vor allem für seine Stammkundschaft täte es ihm leid, wenn die letzte Kneipe im Ort tatsächlich schließen müsste. Allein für sie habe er so lange darum gekämpft, dass Oespel seinen sozialen Treffpunkt behält. Heute wüsste er: Im Grund hätte er schon während der Coronapandemie die Reißleine ziehen müssen. „Corona war eine schlimme Sache. Die Fördergelder, Laschets Gerede, das alles war eine Riesenmogelpackung. Da hätte ich den Schlüssel schon wegschmeißen sollen.“

Ein Bild aus dem Jahr 2015: Joachim Dalinghaus (l, Getränke Weidlich) und Alexander Olschowka (r.) von den Dortmunder Brauereien stehen mit Wirt Stefan Altstadt (Mitte) vor der Linnertschänke in Dortmund-Oespel.
Ein Bild aus dem Jahr 2015: Joachim Dalinghaus (l, Getränke Weidlich) und Alexander Olschowka (r.) von den Dortmunder Brauereien freuten sich mit Wirt Stefan Altstadt (Mitte) auf den Neustart in der Linnertschänke in Dortmund-Oespel. © Foto: Privat

Stefan Altstadt geht mit gemischten Gefühlen. „Natürlich ist das Herz schwer, ich bin mit der Kneipe quasi aufgewachsen.“ Dennoch spüre er bereits jetzt mit Blick auf sein baldiges Ausscheiden eine große Erleichterung: „Ich bin sicher, dass ich unheimlich befreit sein werde und mir tonnenweise Sachen vom Rücken fallen werden. Es ist dann einfach der Druck weg, zum Ersten eines Monats alles bezahlen zu können. Ich freue mich darauf, für mich ein neues Kapitel aufschlagen zu können.“

Mittlerweile suche er mithilfe eines Maklers offiziell nach einem Nachfolger. Eineinhalb Jahre habe er sich bereits umgehört, ob jemand Interesse daran hat, die „Linnertschänke“ weiterzuführen. Vergeblich. „Mit ihr würde auch ein Stück Geschichte von Oespel verloren gehen“, bedauert Stefan Altstadt. Aber er sagt auch: „Wenn sich keiner findet, dann hat der Ort einfach keine Kneipe verdient.“

Bislang ein Interessent

Bislang habe sich ein Interessent bei seinem Makler gemeldet. Was sein Nachfolger betrifft, hat Stefan Altstadt klare Vorstellungen: „Er muss ein überzeugendes Konzept haben, sonst hält er keine 12 Monate durch.“

Still und leise werde er nicht gehen „Wir feiern im Juni noch eine große Abschiedsfeier“, verspricht der 53-Jährige. Bis dahin sei er für Interessenten, die die Kneipe weiterführen wollen, täglich ab 18 Uhr unter Tel. (0177) 8777837 erreichbar.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 4. April 2025.