In Zeiten des Coronavirus werden Lieferdienste stärker beansprucht als vorher. Vielerorts entstehen trotzdem finanzielle Probleme. © picture alliance/dpa
Folgen des Coronavirus
Lieferdienste als Corona-Gewinner? - „Es gibt kaum Nutznießer der Pandemie“
Das Coronavirus hält die Menschen zuhause fest. Deswegen müssen Dortmunder Lieferdienste Getränke und Speisen gehäuft an die Haustür liefern - denkt man. Wir lösen auf, ob das stimmt.
von Nick Kaspers
Dortmund
, 30.03.2020 / Lesedauer: 4 minDie Türen von Restaurants, Cafés und Gaststätten sind seit Montag (23.3.) für die Öffentlichkeit geschlossen. Menschen sind angehalten, zuhause zubleiben. Dafür werden doch jetzt bestimmt die Lieferdienste stark beansprucht, oder? Wir haben bei Dortmunder Unternehmen nachgefragt, wie sehr der Lieferservice wirklich genutzt wird.
Auf unsere Frage, ob der Lieferdienst in Coronazeiten für Profit bei den Gaststätten sorgt, sagt Rachid Saddouk: „Wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, dass wir davon profitieren könnten?“. Er betreibt die Pizzeria Pizzaman in der Kaiserstraße, musste seinen Laden am Donnerstag (26.3.) jedoch schließen.
„Bei uns wird seit dem Coronavirus 50 Prozent weniger bestellt als vorher“, gibt er zu. Zu sehr würden seine Konkurrenten nun im Wettbewerb der Lieferdienste mitspielen. Er habe Kurzarbeit angemeldet; nur ein Viertel seiner Mitarbeiter könnten arbeiten.
„Seit der Coronakrise ist bei uns alles zusammengebrochen“, erklärt Saddouk. Er hofft nun auf staatliche Hilfe, um mit etwas Glück am 20. April wieder öffnen zu können. „Es gibt kaum Nutznießer der Pandemie“, unterstreicht er gegenüber unserer Redaktion.
Viel Stress und lange Einkaufsschlangen
Burim Ziberi, Chef der Pizzeria Calabria in der Westerbleichstraße, sieht in der Coronakrise andere Probleme als zurückgehende Bestellungen. „Ich versuche, den Betrieb mit meiner Familie zu stemmen, weil man nie weiß, ob man den Laden demnächst ganz zu machen muss“, erklärt er auf Anfrage. Damit spielt er auf die Möglichkeit strengerer Maßnahmen der Regierung zur Corona-Eindämmung an.
Ebenfalls habe sich sein Einkauf drastisch geändert: „Vor der Coronakrise konnte man so viel einkaufen, wie man will. Jetzt sind Mehl und Öl stark begrenzt“. Und genau davon benötigt er als Pizzabäcker viel. Außerdem würden lange Schlangen vor den Supermärkten seinen Stress nur noch mehr verstärken.
Ein Mitarbeiter des Restaurants Campus in der Knappenstraße konnte uns diese Entwicklung nicht bestätigen: „Bei uns ist die Anzahl an Bestellungen etwa gleich geblieben“, sagt er. Abholungen gäbe es kaum noch, dafür umso mehr Online-Bestellungen. Daher würde man als Kunde ab und an fünf Minuten länger auf sein Gericht warten.
„Die meisten Gäste sind aber freundlich und verständnisvoll“, ergänzt der Mitarbeiter. Außerdem hat er ein Kuriosum aus Sicht einer Pizzeria festgestellt: „Fragen Sie mich nicht warum, aber Gyros wird teilweise 20 bis 30 Mal am Tag bestellt“.
Auch Positiv-Beispiele der Coronakrise
Dass es in der Coronakrise für einen Gastronomie-Betrieb auch gut laufen kann, zeigt Diari Kadir, Leiter des Restaurants XL Schnitzel und Pizzeria bei Diari in der Saarlandstraße. „Ich bin erst seit drei Wochen hier. Dafür läuft es echt gut“, berichtet er auf Anfrage unserer Redaktion. Bei ihm seien seine XL Schnitzel der Renner.
Diari Kadir habe Angst vor der Coronakrise gehabt. Doch seine „treuen Stammkunden“, wie er sagt, hätten ihm „nicht im Stich gelassen“. Dafür müsse er jedoch aktuell zwölf Stunden am Tag arbeiten - zusammen mit einem weiteren Koch und zwei Lieferanten. Verstärkung könne er deshalb gut gebrauchen.
Problematisch wird die Coronakrise für Lokale, deren Haupteinnahmen zuvor aus dem Restaurantbetrieb und Party-Service resultierten. Das bekräftigt Antonio Di Dino, Chef des Restaurants Mama Mia in der Chemnitzer Straße, auf Anfrage. Er habe vor der Virusverbreitung viele Partys mit hochwertigen Gerichten wie Fisch- und Fleischplatten beliefert. Dieses Geld fehle ihm jetzt.
„Wir arbeiten mit Notbesetzung und leben bisher noch von unseren Rücklagen“, erläutert er. Er habe bereits Kurzarbeit anmelden müssen und erhoffe sich nun staatliche Hilfe. Und dennoch schwärmt er: „Die Solidarität der Gäste ist herzerwärmend“.
Ganz anders sieht es beim Getränke-Lieferanten Flaschenpost aus. In einer Pressemitteilung schreibt das Unternehmen: „Flaschenpost sieht sich seit Tagen mit einer sprunghaft steigenden Bestellmenge konfrontiert“. Das Verrückte: „Viele Kunden bestellen zu Getränken jetzt auch Nudeln, Konserven und Hygieneartikel online, die die Flaschenpost bis vor die Haus- oder Wohnungstür liefert“.
Flaschenpost liefert in der Coronakrise nicht nur Flaschen, sondern auch Nudeln, Konserven und Hygieneartikel. © Archiv
Dr. Stephen Weich, Chef des Unternehmens, erklärt in der Mitteilung weiter: „Wir wollen sicherstellen, dass die Menschen, die jetzt zu Hause bleiben müssen, auch zuhause bleiben können. Und gerade Menschen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko benötigen jetzt unsere Unterstützung“.
Bei der Produktion und Auslieferung der Ware würde man strenge Hygienemaßnahmen einhalten, berichtet Flaschenpost. „Die Lieferung erfolgt kontaktlos unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften“. Dadurch wolle man Mitarbeiter und Kunden vor einer möglichen Ansteckung schützen.
Ähnlich wie beim Restaurant Campus können die neuen Maßnahmen jedoch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Weich betont: „Um die Grundversorgung zu sichern, benötigen unsere Fahrer aktuell mehr Zeit bei der Auslieferung. Nicht in allen Fällen können wir, so wie unsere Kunden es bisher von uns gewohnt sind, innerhalb der sonst üblichen 120 Minuten liefern“.
Bei den Dortmunder Lieferdiensten läuft das Geschäft in der Coronakrise also unterschiedlich. Eine Übereinstimmung hörte man aus der Umfrage jedoch raus: Die meisten Kunden seien gelassen und verständnisvoll.
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