Leukämie: Wie Deniz (22) gegen sein schweres Schicksal kämpft
Blutkrebs
Deniz Yelkuvan hat zum zweiten Mal Blutkrebs. Trotzdem blickt er voller Hoffnung in die Zukunft. Eine Typisierung soll sein Leben retten. Wir haben ihn im Krankenhaus besucht.
von Annika Ross
Dortmund
, 13.05.2019, 17:30 Uhr
/ Lesedauer: 3 min
Universitätsklinikum Essen, Tumorzentrum, Station WTZ 1. Hier liegen vorrangig Patienten, die an akuter Leukämie, also Blutkrebs, leiden und eine Stammzellenspende benötigen. Deniz Yelkuvan ist einer von ihnen. Er trägt eine kurze schwarze Sporthose und ein gestreiftes Shirt. Gerade sitzt er im Aufenthaltsraum, wo er mit seinem Freund Muhammed frühstückt. Die beiden haben sich im Krankenhaus kennengelernt. Sie scherzen miteinander. Dass sie ernsthaft krank sind, merkt man ihnen zunächst nicht an. Aber die Krankheit ist da.
„Eigentlich wollte ein Kollege mir gestern Abend noch die Haare abrasieren, aber wir haben es nicht mehr geschafft“, sagt Deniz. Ihm fallen die Haare wegen der erneuten Chemotherapie wieder aus. Bevor er büschelweise Haare verliert, macht er lieber kurzen Prozess. Der 22-Jährige ist gefasst, als er über den Krebs spricht. „Ich kenne das ja alles schon, weiß, was auf mich zukommt.“
Orhan Yelkuvan ist 50 Jahre alt. Täglich besucht er seinen Sohn im Krankenhaus. Meistens morgens vor der Arbeit. Bereits in der vierten Woche. Zum zweiten Mal in seinem Leben. Denn sein Sohn Deniz ist wieder an Blutkrebs erkrankt. Diagnose „rezidiv“. Das bedeutet, dass die Krankheit wiedergekommen ist.
Die erste Diagnose kam sehr unvermittelt: „Deniz hatte ein Fußballspiel. Er spielte nicht mal eine Minute, da ließ er sich wieder auswechseln, klagte über stechende Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Da er auch Fieber hatte, kam er ins Krankenhaus“, berichtet der Vater.
Dort wurde der junge Mann komplett durchgecheckt. Er hat noch aus dem Krankenhaus heraus seinen Vater angerufen und gesagt: „Papa, wir sind auf dem Weg in die Uniklinik Essen. Die Ärzte vermuten, dass ich Leukämie habe.“ Deniz war 18 Jahre alt, wollte seine Abiturprüfungen schreiben. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich noch nie mit der schweren Krankheit befasst, die fortan eine so große Rolle in seinem Leben spielen sollte.
Über ein Jahr musste Deniz im Krankenhaus in Essen verbringen. 387 Tage insgesamt. Die Chemotherapie schlug an, er schien geheilt. Vor vier Wochen dann der Rückschlag: Der Blutkrebs ist zurück. Ein Schock für die Familie.
Aufgeben ist für Deniz keine Option
Auf seinem linken Arm am Handgelenk hat Deniz ein Tattoo. „Sabır“ steht da. Das ist Türkisch und bedeutet Geduld. „Die braucht man bei so einer Krankheit auch. Man muss einfach abwarten und darf sich nicht hängen lassen.“
Der Dortmunder hat seinen Schulabschluss nachgeholt, nachdem er den Krebs besiegt hatte. Weil er durch die Therapie viel Zeit verloren hat, hat er sich für das Fachabitur entschieden. Damit hat er dann an der Fachhochschule Dortmund angefangen, BWL zu studieren. Bis vor drei Wochen.
Jetzt muss Deniz wieder pausieren. Zwei, drei, vielleicht auch vier Semester.
Bis zur ersten Krebsdiagnose hat die Familie ein ganz normales Leben geführt. Dann hat sich aber ihr Fokus komplett geändert. Manche Probleme waren plötzlich ganz klein, fast egal. „Die Gesundheit ist das wichtigste Gut. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen“, so der Vater.
Deniz‘ Vater ist begeistert von seinem Sohn: „Er ist ein Kämpfer. Er gibt nicht auf, bekommt von seinem Umfeld sehr viel Rückhalt, das gibt ihm Kraft.“ Yelkuvan ist ruhig, als er von seinem Sohn und der Krankheit berichtet. Er hatte zunächst auch nicht so viel Ahnung von Leukämie. Blutkrebs, ja, das wusste er. Aber was alles auf seinen Sohn zukommt – da musste er sich informieren. „Jetzt bin ich fast ein halber Arzt“, sagt der 50-Jährige mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Die erste Zeit hat Yelkuvan oft im Auto vor dem Krankenhaus geschlafen, um seinem Sohn nah zu sein. Er möchte ein starker Vater sein, für Deniz und seinen zweiten Sohn. „Das Leben geht weiter. Es ist nicht nur körperlich schwer, auch geistig, aber wir haben keine andere Option, wir müssen positiv denken.“
Registrierungs-Aktion mit der DKMS
Deniz glaubt fest daran, dass er wieder gesund wird. Er ist ebenso zuversichtlich wie die Ärzte in der Klinik. Trotzdem hat er auch mal schwache Momente. „Wenn ich zu viel Zeit zum Nachdenken habe, kreisen schon die Gedanken“, sagt er. Dann denkt er an all die Menschen, die ihm zur Seite stehen. Sie sind auch in der aktuell schlechten Phase seines Lebens für ihn da. „Ich bin stolz auf meine Familie und meine Freunde. Dass sie mich so unterstützen und mich besuchen, ist einfach toll.“
Auch sein Studium will Deniz auf jeden Fall beenden: „Wenn ich den Abschluss in der Tasche habe, würde ich gerne in Richtung Management und Marketing gehen.“ Der junge Mann ist entschlossen: „Ich möchte alt werden – und vor allem ein Vorbild für andere Menschen sein und zeigen, dass man die Krankheit besiegen kann. Ich würde dabei gerne Stiftungen unterstützen, die sich im Kampf gegen Leukämie stark machen.“
Derzeit läuft die Suche nach einem passenden Stammzellenspender, um Deniz‘ Leben zu retten. Vier bis sechs Wochen dauert sie voraussichtlich insgesamt. „Uns ist es wichtig, dass sich so viele Menschen wie möglich registrieren lassen, um nicht nur unserem Sohn, sondern auch anderen zu helfen“, sagen die Eltern.
In der Turnhalle der Marie-Reinders-Realschule, Hochofenstraße 38, findet am 26. Mai (Sonntag) eine Aktion zusammen mit der DMKS (Deutschen Knochenmarkspenderdatei) statt. Dort kann sich jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren typisieren lassen, um zu schauen, ob er für Deniz als Stammzellenspender in Frage kommt. Für die Registrierung ist nur ein Abstrich der Wange mit einem Wattestäbchen nötig.