Diese Zahl ließ aufhorchen: Nur einer von fünf Beamten arbeite bis zur gesetzlichen Altersgrenze. Das war das Ergebnis einer Frage, die Moderator Günther Jauch am 16. Februar 2025 den Kandidaten des TV-Quadrells vor der Bundestagswahl stellte.
Jauch zog einen Vergleich zur freien Wirtschaft und äußerte Kritik. Würde das Beispiel Schule machen, sei es mit dem deutschen Wirtschaftswunder endgültig vorbei, meinte er. Prompt warf ihm der Beamtenbund mangelnde Seriosität vor.
Der Dortmunder Hauptschullehrer Martin Heuer findet den Jauch-Vergleich „schräg“. Für sein Berufsfeld stellt er fest, dass die Beschäftigten grundsätzlich „eher aufhören und finanzielle Verluste hinnehmen“ - ob verbeamtet oder nicht.
Heuer ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Dortmund. Er arbeitet als Lehrer in einem Angestelltenverhältnis. „Diese Gruppe verliert noch mehr Geld, wenn sie frühzeitig in Rente geht“, stellt er klar.
Tatsächlich trifft die im TV-Quadrell genannte Zahl für verbeamtete Lehrkräfte im Bereich der für Dortmund zuständigen Bezirksregierung Arnsberg zu. Nach den Zahlen aus der Pressestelle sind sogar rund 86 Prozent der im Jahr 2024 pensionierten Lehrkräfte im Beamtenstatus frühzeitig aus dem Beruf ausgeschieden. 2022 und 2023 waren es jeweils rund 83 Prozent.
Scheitern an Erwartungshaltung
Der Unterschied zu den Beamten der Bezirksregierung, die nicht als Lehrkräfte arbeiten, schlägt sich in den Zahlen nieder. Rund 71 Prozent dieser im Jahr 2024 pensionierten Beamten gingen vorzeitig in den Ruhestand. Berücksichtigt sind jeweils auch Versetzungen wegen Dienstunfähigkeit auf Antrag und wegen Dienstunfähigkeit von Amts wegen.
Im Regierungsbezirk Arnsberg sind 31.104 verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt. Hinzu kommen 9021 Lehrerinnen und Lehrer, die in einem Angestelltenverhältnis tätig sind.
Aus seiner langjährigen Erfahrung sagt Martin Heuer über seine Lehrerkollegen: „Bis auf ganz wenige gehen alle frühzeitig.“ Die Veranstaltung „Wege in den Ruhestand“ der GEW Dortmund sei stets die Veranstaltung mit den meisten Teilnehmern.
Viele Lehrkräfte scheiterten an der eigenen Erwartungshaltung. Sie wollten „immer 100 Prozent geben“, stets „korrekt und genau“ sein. Doch die beruflichen Rahmenbedingungen seien so schwierig, „dass man das nicht lange mitmacht“. Martin Heuer nennt beispielhaft Arbeitszeit, die nicht durch Pausen unterbrochen wird.
Lehrkräfte bekämen gesellschaftliche Veränderungen wie verstärkte Ängste und Nöte in ihrem Berufsalltag unmittelbar zu spüren. Im Alter bemerkten sie, dass sie „immer mehr Federn lassen“. Heuer sagt: „Burnout ist bei uns die Regel.“
Beamte bei der Stadt
Markus Michel, Sprecher des Beamtenbundes NRW, stellt fest: „Es sind überwiegend die Lehrer, die vorzeitig gehen.“ Diese müssten dafür aber auch Abstriche bei der Pension hinnehmen. „Die Leute rechnen sich das durch.“ Gleichwohl sei das vorzeitige Ausscheiden auf psychische und körperliche Überanspruchung zurückzuführen. „Die Leute fragen sich: Will ich mir das wirklich noch antun, mit 65 Jahren vor Halbstarken zu stehen und vielleicht verprügelt zu werden?“
Der Beamtenbund NRW geht laut Michel davon aus, dass etwa 80 Prozent der verbeamteten Lehrkräfte vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand gehen.
Die Grenze für das gesetzliche Renteneintrittsalter steigt stufenweise bis auf 67 Jahre. In manchen Berufen gibt es gleichwohl Sonderregeln. Doch dazu später mehr.
Bei der Dortmunder Stadtverwaltung ist der Drang der Beamten, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, offensichtlich geringer als bei den verbeamteten Lehrern. Im vergangenen Jahr wurden dort insgesamt 88 Beamte pensioniert. Nur 45 davon gingen nach Angaben der Stadt vor der jeweiligen Regelaltersgrenze in den Ruhestand. Das entspricht einer Quote von 51,1 Prozent. Insgesamt beschäftigte die Stadtverwaltung zum Ende des vergangenen Jahres 2784 Beamte.
Zahlen der Polizei
Bei den Tarifbeschäftigten, also Arbeitern und Angestellten, war die Quote dagegen deutlich höher. Im vergangenen Jahr ging 68,5 Prozent, also etwa zwei von drei Beschäftigten, vorzeitig in den Ruhestand. Umgekehrt gab es Ende des vergangenen Jahres auch drei Beamte und 18 Angestellte, die über die Altersgrenze hinaus noch im Dienst waren.
Die Zahl der Tarifbeschäftigten in Diensten der Stadt Dortmund ist übrigens deutlich höher als die der Beamten. Es waren Ende des vergangenen Jahres genau 9812.
Etwa für Justizvollzugsbeamte, Feuerwehrleute (verbeamtet bei der Stadtverwaltung) und Polizisten gelten besondere Altersgrenzen. So gehen beispielsweise Polizisten im Alter von 62 Jahren in den Ruhestand.
Bei der Polizei Dortmund sind im Jahr 2024 16 Beamte auf eigenen Antrag vorzeitig aus dem Beruf ausgeschieden – von 101 Ruheständlern insgesamt. Hinzu kamen neun Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit früher aufhören mussten. Das ergibt eine Quote von rund 25 Prozent.
Demgegenüber stehen laut der Polizei Dortmund 29 Beamte, die 2024 auf eigenen Wunsch hin später in Ruhestand gegangen sind, als es die gesetzliche Regelung vorsieht.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. März 2025.
