Tränen haben sich in den Augen einer jungen Karstadt-Mitarbeiterin gesammelt. Joffrey Kallweit, Betriebsratsvorsitzender der Filiale in Dortmund, versucht sie zu trösten und streichelt seiner Kollegin kurz über den Arm. Sie stehen am Montagnachmittag auf dem Westenhellweg vor dem Haupteingang des großen Warenhauses.
Kurz zuvor haben sie erfahren, dass der Aufsichtsrat des in Schieflage geratenen Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof die Dortmunder Filiale auf die Streichliste gesetzt hat. Am 31. Januar 2024 soll in Dortmund Schluss sein. Deutschlandweit werden 52 Filialen geschlossen.
Am Westenhellweg wurde den Mitarbeitern das in einer Betriebsversammlung mitgeteilt. Bis 14 Uhr mussten deshalb alle Kunden das Gebäude verlassen. Die Türen wurden versperrt und blieben am Montag den gesamten Tag verschlossen.
„Es haben viele Mitarbeiter heftig angefangen zu weinen und zum Teil fluchtartig den Raum verlassen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Kallweit.

„Katastrophale Situation“
„Es ist eine katastrophale Situation. So richtig angekommen ist es noch nicht, weil wir damit nicht gerechnet haben. Mein Bauchgefühl sagte, es geht weiter“, sagte Kallweit. Aus Unternehmerkreisen hatte es zuletzt noch Zuversicht gegeben, dass der Standort Dortmund bleiben könnte. „Aufgeben ist noch keine Option“, gab sich Kallweit kämpferisch und ergänzte: „Aber man muss auch realistisch sein. Schließungsliste ist Schließungsliste.“
Dem Betriebsratsvorsitzenden geht die Nachricht nah. Das war ihm am Montag anzumerken. Aber so wirklich zeigen mochte er es nicht. Immer wieder schenkte er seinen Kollegen ein aufmunterndes Lächeln. 190 Mitarbeiter seien direkt bei Karstadt in Dortmund beschäftigt als Festangestellte, als Auszubildende und mit Zeitverträgen, sagte Kallweit.
Insgesamt seien etwa 360 Menschen von dem Standort abhängig. In dem Gebäude ist auch ein Supermarkt von Galeria. Schuster, Uhrmacher und Friseure haben dort Geschäftsflächen.
Schimpfend und weinend traten Karstadt-Beschäftigte um 15 Uhr nach der Mitgliederversammlung aus dem Personaleingang. „Wir bekommen unsere Kündigungen zu Ende April“, sagte eine Mitarbeiterin. „So eine Kacke“, brach es aus einem Mitarbeiter heraus. „Das müssen wir jetzt erst mal verdauen“, hörte man.
Hängepartie hat ein Ende
Alle waren erschüttert, aber es brach sich auch Erleichterung Bahn, dass die jahrelange Hängepartie um das Karstadt-Schicksal nun endlich ein Ende hat: „Das war ja nicht mehr auszuhalten: Ständig neue schlechte Nachrichten und immer mussten es die Mitarbeiter ausbaden. Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind.“
Viele Kunden wussten es am Montag noch nicht, als sie plötzlich vor verschlossenen Türen standen. Gewissheit bekamen sie von den Medienvertretern vor Ort, die sie nach ihren Reaktionen zur Schließung fragten. „Karstadt muss in Dortmund bestehenbleiben, die müssen kämpfen“, sagte Gordana Eierich. Sie war aufgebracht. „Das ist der einzige Laden, in dem man vernünftig einkaufen kann.“ Ansonsten gebe es nur Schrott in Dortmund, sagt sie.

„Das ist der einzige Allround-Anbieter, den es in Dortmund noch gibt. Da wird Dortmund an Zugkraft verlieren. Das ist schade, vor allem in dieser exponierten Lage“, sagte Beate Lammerding-Schubert (62). Einmal in der Woche kaufe sie bei Karstadt für den Alltag ein. Über die Dortmunder Innenstadt sagte sie: „Es ist nicht besonders attraktiv und nicht unbedingt einen Ausflug wert.“

Kaffee und Strümpfe
Die meisten, die am Montag vor verschlossenen Türen standen, sagten, dass sie die Schließung traurig finden. Manche gaben aber auch zu, dass sie immer mehr online kaufen. Ein Mann sagte: Er sei regelmäßig bei Karstadt, zuletzt habe er aber kaum noch etwas gefunden.
Aber Karstadt, das ist für viele eben nicht nur Einkaufen. Das ist auch ein Gefühl. Einer sagt: „Wenn man zu Karstadt geht, ist das, als würde man zum BVB gehen – eine Familie.“ Die 90-jährige Anni Brandt besucht hier auch regelmäßig die Cafeteria – und die Strumpfabteilung: „Ich konnte nirgendwo so gut Strümpfe kaufen wie hier bei Karstadt!“ Dass die Filiale schließen soll, bedauere sie sehr.
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