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Kündigung wegen Kinderlärm einkassiert - Familie darf wohnen bleiben
Mietstreitigkeit vor Gericht
Anfang 2019 kündigte die Dortmunder Wohnungsgesellschaft Dogewo einer Familie wegen Kinderlärm fristlos. Medien berichteten bundesweit. Jetzt ist eines klar: Die Familie muss nicht ausziehen.
„Die Hölle sind immer die anderen“ wusste Jean-Paul Sartre in seinem Drama „Die geschlossene Gesellschaft“ zu berichten, das Stück wurde 1944 uraufgeführt.
2019 wurde in Dortmund ein Konflikt öffentlich, dem man das Zitat aus dem Stück Sartres als Überschrift hätte geben können: Einer Familie mit einer damals 19 Monate alten Tochter wird die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus von ihrem Vermieter, der Dortmunder Wohnungsgesellschaft Dogewo fristlos gekündigt.
Grund dafür waren Lärmprotokolle von Nachbarn aus dem gleichen Haus. Diesen Protokollen zufolge muss der Lärm beträchtlich gewesen sein. Von Gepolter und Gerenne, Türen- und Fensterschlagen war die Rede, von Gestampfe und stundenlangem Möbelrücken.
Familie Schikorra, der nach einer Abmahnung dann im Januar 2019 gekündigt worden war, wandte sich an die Öffentlichkeit, der Widerhall war enorm: Bundesweit wurde über die Familie berichtet, vom Herzlos-Vermieter Dogewo war die Rede, von dem unglaublichen Zustand, dass da eine Familie einfach auf die Straße geworfen worden war.
Doch Familie Schikorra hatte sich nicht nur gegen die Kündigung, sondern auch gegen die erste Abmahnung juristisch gewehrt. Es kam zum Prozess vor dem Amtsgericht in Dortmund. Und Mitte Mai 2020 dann zu einem Urteil: Familie Schikorra darf in ihrer Wohnung bleiben.
Dogewo wird nicht in Berufung gehen
Die Dogewo, in Dortmund ein durchaus angesehener und gefragter Vermieter, bleibt seiner Linie in dem Verfahren treu und sagt, dass sie zu dem Urteil nichts sagen wird. Man habe eine Fürsorgepflicht für die Mieter.
Lediglich, dass sie das Urteil nicht anfechten wird, lässt die Dogewo verlauten. Familie Schikorra freut sich, grundsätzlich wohnen bleiben zu können.
Kinderlärm keine unzumutbare Lärmbelästigung
Das Urteil des Amtsgerichtes seinerseits ist relativ klar: Die Klage der Dogewo ist unbegründet, die Kündigung ist unwirksam. Im Wesentlichen könne der Kinderlärm nicht als unzumutbare Lärmbelästigung angesehen werden, erst recht nicht von einem anderthalb- bis zweijährigem Kind.
Auch war das Gericht „nicht davon überzeugt, dass die von der Tochter der Beklagten ausgehende Störung deutlich über den Normbereich hinausgegangen“ sei.
„Wohnen ist mit Lärm verbunden“
Jeder Mieter in einem Mehrfamilienhaus habe einen gewissen Geräuschpegel aus den umliegenden Wohnungen hinzunehmen. „Wohnen“, so steht es in der Urteilsbegründung, „als solches ist mit Lärm verbunden, kein Mieter hat Anspruch darauf, aus Nachbarwohnungen keine Geräusche hören zu können.“
Grundsätzlich zweifelte das Gericht auch einige der Lärmprotokolle an. Einerseits, weil das dort notierte stundenlange Möbelrücken nichts mit Lebensrealität zu tun habe. Andererseits, weil die Schikorras durch Fotos mit Zeitstempel belegen konnten, das sie zu manchen Zeitpunkten, an denen sie angeblich in der Wohnung gelärmt haben sollen, gar nicht in der Wohnung waren.
Weiter Ärger in Eving
„Gut“, sagt Familie Schikorra, sei die Situation in dem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Eving aber längst nicht. Auch Vormieter ihrer Wohnung, die sie in der Zwischenzeit ausfindig gemacht hätten, hätten großen Ärger mit den Nachbarn gehabt.
Umzugspläne gebe es nach wie vor. Doch der Mietmarkt in Dortmund ist nicht besser geworden und Corona habe die Situation insgesamt verkompliziert.
Ich wurde 1973 geboren und schreibe seit über 10 Jahren als Redakteur an verschiedenen Positionen bei Lensing Media. Als problematisch sehen viele meiner Kollegen oft die Länge meiner Texte an. Aber ich schreibe am liebsten das auf, was ich selber bevorzugt lesen würde – und das darf auch gerne etwas länger sein.
