Die Temperaturen werden milder, und zuletzt hat es einige feuchte und verregnete Tage gegeben. Zu diesem Zeitpunkt, ab Mitte Februar bis Anfang April, beginnen Kröten und andere Amphibien die Wanderungen zu ihren Laichplätzen. Es sind Wanderungen, bei denen viele von ihnen ihr Ziel nicht erreichen – weil sie von Autos überfahren werden.
Auch im Wannebachtal im Dortmunder Süden, in Syburg und auf den Straßen, die zur Stadtgrenze in Richtung Schwerte hin durchs Grüne führen, werden die Tiere jetzt aktiv. Wer dann auch aktiv wird, sind rund 40 Helferinnen und Helfer der AGARD, der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Dortmund e.V. Sie gehen unermüdlich einmal am Tag zum Einbruch der Dämerung mit einer Taschenlampe, Handschuhen und einem Eimer, ihre Straßenzüge ab. Dabei tragen sie neongelbe Westen, um für die Autofahrer besser sichtbar zu bleiben. Sie nennen sich scherzhaft die „Krötenschubser“.

„Es erfüllt mich“

Eine der Helferinnen aus dem Wannebachtal ist Petra Gärtner-Kritzler. Die 66-Jährige ist im vierten Jahr dabei. Die Arbeit sei erfüllend. „Ich bewege mich an der frischen Luft und habe abends das Gefühl, Tiere gerettet zu haben.“ Auch Franz-Ulrich Laumeier (71) macht seit drei Jahren mit. „Meine Freunde hatten anfangs nicht alle Verständnis dafür. Sie fragten mich, warum ich das mache. Ich habe ihnen gesagt, dass es mir Spaß macht – und ich es richtig finde.“ Seit einem Monat dabei ist Andreas Hilbrand. Der 56-Jährige sagt: „Das Wannebachtal ist so eine schöne Gegend. Und es ist wichtig, den Tieren zu helfen.“ Dass andere sie für ein wenig verrückt halten, wenn sie täglich mit der Taschenlampe den Straßenrand absuchen, ist ihnen egal.
Auf der Reichsmarkstraße, die von der Wittbräucker Straße hinunter in Richtung Syburg führt, fahren viele Autos entlang. Obwohl dort Tempo 50 und an einigen Stellen sogar nur Tempo 30 gilt, halten sich längst nicht alle daran. Während des Vor-Ort-Termins am Montagabend (31.3.) düsen mehrere Wagen vorbei, die es gut und gern auf 70 Sachen bringen. Die Freiwilligen müssen aufpassen, wenn sie die Wege ablaufen. Sie laufen ja eigentlich in der Dämmerung - beim Fototermin ist es noch rund eineinhalb Stunden zu früh für die Tiere.

Warmer Asphalt
Petra Gärtner-Kritzler hat mit Autofahrern schon unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Manche halten sogar, sind interessiert und wollen wissen, was wir da tun. Andere rasen vorbei. Ich habe auch schon gesehen, wie manche mit Absicht über die Kröten gefahren sind. Das erkennt man ja. Die Tiere sind auf der Straße gut sichtbar.“
Warum sie so gut sichtbar sind, weiß Stephanie Wetzold-Schubert (54). Die Vorsitzende der AGARD rettet seit ihrem 16. Lebensjahr Kröten und Amphibien. „Die Krötenmännchen lieben den Asphalt - nicht nur, weil die Straße abends meist noch schön aufgeheizt ist, sondern weil sie auf der Suche nach Weibchen sind. Und auf der Straße haben sie eine gute Übersicht.“ Anstatt also schnell über die Straße zu kriechen, verweilen die Tiere dort, oft hoch aufgerichtet. Das wird ihnen zum Verhängnis.

Tod durch Strömungsdruck
Andere sterben durch den Luftzug der vorbeifahrenden Fahrzeuge - Strömungsdruck-Opfer werden sie genannt. Das habe Professor Dietrich Hummel vom Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig herausgefunden: Selbst wenn man versucht, die Tiere zwischen die Räder zu nehmen, sterben sie durch den Unterdruck.
„Diese Tiere haben dann einen besonders langsamen und qualvollen Tod“, berichtet Petra Gärtner-Kritzler. Sie zeigt Handyaufnahmen mit mehreren verendeten Kröten. Teile ihrer Innereien hängen ihnen aus dem Maul, ansonsten sehen sie unverletzt aus. Eine mögliche Lösung: Langsam fahren. Bei Tempo 30 ist es viel wahrscheinlicher, dass die Tiere den Druck überleben. Tempo 50 ist schon tödlich.

Regeln für die Krötenrettung
Die Helferinnen und Helfer der AGARD sind über ganz Dortmund verteilt und agieren oft auch im Bereich der Stadtgrenzen - denn Kröten interessiert es nicht, in welchem Stadtteil sie die Straße queren. Das „Hauptquartier“ ist das Naturschutzhaus im Westfalenpark. Dort gibt es jeden Herbst ein „Krötenretter-Treffen“.
Stephanie Wetzold-Schubert freut sich immer darüber, wenn neue Helfer mitmachen möchten. Wenn jemand auf der Straße Kröten sieht, sollte man dabei allerdings einiges beachten.
- Es ist erlaubt, einzelne akut gefährdete Tiere aufzunehmen und auf die andere Straßenseite zu tragen. Dabei sollte man aufpassen, dass man sich selbst und andere nicht in Gefahr bringt.
- Organisiertes Krötenretten ist nicht erlaubt. Dafür braucht auch die AGARD eine Genehmigung - der Verein arbeitet mit dem Umweltamt Dortmund und der biologischen Station Kreis Unna / Dortmund zusammen.
- Der Grund: Die Helfer zählen die Tiere bei der Rettung. Werden Kröten „unbemerkt“ zum Beispiel aus Eimern an Krötenzäunen entnommen, passen die Zahlen nicht mehr - und die Helfer bekommen möglicherweise im Folgejahr keine Genehmigung, einen Zaun dort zu errichten oder selbst zu sammeln.
- Man erkennt meist an der Laufrichtung der Kröten, wo sie hinwollen. Das kann durchaus an der gleichen Straße unterschiedlich sein: Manche sind auf dem Hinweg zum Gewässer, andere bereits auf dem Rückweg.
- Einzelne Tiere kann man retten - größere Krötenaufkommen sollte man der AGARD unbedingt melden, damit die neue Gefährdungsstelle erkannt wird. Eine E-Mail kann man an „naturschutz@agard.de“ schicken.