Dicke grün-rote Weihnachtssocken, gemütlicher Pulli, das Lächeln auf dem Gesicht so breit wie das Schoko-Hörnchen in seiner Hand: So sitzt Jaroslav auf der Couch neben seiner Mutter Anna und seinem Vater Igor.
„Das Lächeln bekomme ich einfach nicht aus dem Gesicht“, sagt Jaroslav auf Ukrainisch. Dolmetscherin Natalya Heuchel übersetzt. Dieser Junge setzt einem sich rasant überschlagenden Leben positive Energie entgegen.
Es stand ernst um Jaroslav
Dass er hier wie selbstverständlich sitzt, sogar einige Meter stabilen Schrittes durch den Raum läuft, macht alle hier im Raum dankbar und glücklich. Denn es ist erst ein knappes halbes Jahr her, dass es ernst stand um das Kind stand, das aus der ukrainischen Stadt Tschernihiw stammt.
„Wir haben viel Glück gehabt, dass wir hier sein dürfen“, sagt Anna Yasko.
Die Unterstützung des Dortmunder Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Löwenzahn ermöglicht es der Familie, in Deutschland zu leben. Medizinisch versorgt und regelmäßig betreut von ehrenamtlichen Mitarbeiten des Vereins, der Familien mit schwer oder lebensverkürzend erkrankten Kindern hilft.
Eines der ersten Kriegsziele
Als Tschernihiw im Norden des Landes im Februar 2022 zu einem der ersten Ziele des russischen Angriffskrieges wurde, befand sich Jaroslav in einem kritischen Zustand im Krankenhaus, Anfang März entschied sich die Familie zur Flucht mit dem Auto in Richtung Polen – auch wenn das für ihren Sohn ein erhebliches Risiko bedeutete.
Im Sommer 2021 war die Familie an Covid-19 erkrankt. Bei Jaroslav löste das Virus eine Autoimmunenzephalitis, eine Gehirnentzündung, aus. Nach und nach verschlimmerten sich die Symptome, bis er kaum noch bewegungsfähig war. Sprachverlust, Sehverlust, alles außer Liegen bereitete ihm Kopfschmerzen.
Bis zum Zeitpunkt der Erkrankung war Jaroslav ein vitales Kind, das wie viele in seinem Alter das Fußballspielen und Bewegung allgemein liebte. Seine Mutter zeigt Bilder von seinem zehnten Geburtstag.
Spaß zum zehnten Geburtstag
Ihr Sohn durfte auf einem privaten Hof einige Meter auf einem benzinbetriebenen Motorroller fahren. „Ein bisschen Abenteuer zum ersten runden Geburtstag“, sagt Vater Igor. Es ist eines der letzten Bilder, bevor sich das Leben von Familie Yasko komplett verändert.
Sie schafften es aus ihrer umkämpften Heimatstadt heraus. Wie Zehntausende andere Geflüchtete kamen sie zunächst an der ukrainisch-polnischen Grenze an. Dort hatte Jaroslav nur eine rudimentäre medizinische Versorgung, weil er als Notfallpatient ins Krankenhaus musste.
Kinderhospizverein hilft
Ohne Hilfe von außen wäre die Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlich geworden. An dieser Stelle kam der Kinderhospizverein Löwenzahn aus Dortmund ins Spiel.
Der spendenfinanzierte Verein hatte sich nach Ausbruch des Krieges daran gemacht, gezielt Familien zu unterstützen, die sich durch die Krankheit eines Kindes in einem Ausnahmezustand befinden.
„Sie haben häufig gar keine Chance auf Evakuierung. Und wenn sie flüchten, müssen Pflegemittel und Medikamente oft zurückbleiben“, sagt Irene Steiner, Ehrenamtlerin bei Löwenzahn.
Dass der Verein - dessen Arbeit eigentlich einen anderen, viel lokaleren Fokus hat - sich einen solchen Einsatz leisten kann, liegt an der Hilfsbereitschaft vieler Dortmunderinnen und Dortmunder.
Die Lions Clubs Dortmund und Rothe Erde veranstalten im Sommer ein Benefiz-Golfturnier. 26.500 Euro kamen dabei zusammen, die Vereine stockten mit dem Ziel, humanitäre Zwecke zu fördern, auf 35.000 Euro auf.
Damit können fünf Familien in Dortmund unterstützt werden, fünf weitere in Bochum und nochmals zehn im gesamten Bundesgebiet. „Wir sind sehr dankbar, dass wir durch die Spenden dazu in der Lage sind“, sagt Irene Steiner.
Große Fortschritte
In der Kinderklinik in Bochum erhielt Jaroslav eine neurologische Behandlung, machte in einer Reha große Fortschritte.
Schwierigkeiten in der sprachlichen Artikulation und andere Dinge werden ihn vermutlich weiter begleiten. Aber er kann wieder laufen. Was langsam zu dem „Problem“ führt, dass dem Elfjährigen in der Förderschule, die er besucht, „die Action fehlt“, wie er erzählt.
Dagmar Petzgen vom Deutschen Kinder- und Jugendhospizdienst betreut die Familie seit ihrer Ankunft in Deutschland Anfang Mai. „Wenn man an die unendlichen Stunden denkt, die man braucht, um eine Familie so weit zu bringen, durchzuschleusen und dann sieht, wie der Junge sich entwickelt, muss man sagen: Ja, es ist den Aufwand wert.“

Wie geht es für die Yaskos weiter? „Im Moment dreht sich unser ganzes Leben um die Therapie. Wir hatten noch gar keine Zeit, das deutsche Leben und den deutschen Rhythmus zu lernen“, sagt Mutter Anna.
Sie ist gelernte Krankenschwester mit Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendmedizin, ihr Ehemann Igor ist Fernfahrer. Im Jobcenter habe man ihnen schon in Aussicht gestellt, dass mit diesen Berufsbildern durchaus die Aussicht auf eine Beschäftigung bestehe.
Wohnung ist noch intakt
Die Wohnung der Familie in Tschernihiw ist noch intakt. Das zu wissen, helfe, die Sorge um die Heimat und um die dort verbliebenen Angehörigen auszuhalten, sagen die Eltern.
Nach Beobachtungen von Menschenrechtsorganisationen sind weite Teile der Stadt zerstört. Zahlreiche Zivilisten starben bei russischen Angriffen in der ersten Kriegswoche. Seit April ist Tschernihiw wieder unter ukrainischer Kontrolle. Der Wiederaufbau dauert an, die Lage bleibt unsicher.
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