Zuerst startet ein Motor, Sekunden später peitschen erst fünf, kurz danach zwei weitere Schüsse durch die Tiefgarage: Sieben Pistolenkugeln löschen am 7. März das Leben eines Dortmunder Telekom-Mitarbeiters aus. Ein Mord mit den Etiketten Hass und Vernichtung. Getroffen im Gesicht und am Hals, sitzt das Opfer zusammengesackt am Steuer eines grauen Audi TT. Kaltblütig hingerichtet.
Sechs Monate nach den tödlichen Schüssen am Hustadtring in Bochum startet am Dienstag, 12. September, am Bochumer Schwurgericht der Prozess um den „Garagenmord“.
Angeklagt ist ein Pizzakurier (26) aus der Dortmunder Nordstadt. Es geht um ein vermeintliches Handyfoto und um gekränkten Stolz. Es geht um Heimtücke und niedrige Beweggründe. Laut Anklage war der aus der Türkei stammende Pizzakurier angetrieben von „Hass auf deutsche Staatsangehörige“.
Die Tötung des Telekom-Mitarbeiters hatte die Ermittler vor große Rätsel gestellt. Recherchen im Umfeld des so grausam erschossenen Opfers hatten keinerlei Hinweise auf ein mögliches Tatmotiv geliefert.
Der Telekom-Mitarbeiter lebte bescheiden, alleine und zurückgezogen. Hinweise auf Streitigkeiten, Feinde oder Neider ergaben sich zunächst nicht.
Wochen später zahlten sich Ausdauer und Akribie bei den Ermittlungen der Mordkommission „MK Garage“ jedoch aus. Auswertungen der zur Tatzeit in den Funkzellen am Tatort eingeloggten Mobiltelefone kombiniert mit Spurenuntersuchungen an den tödlichen Projektilen lieferten am Ende die entscheidende Spur zu dem Dortmunder Pizzakurier.
Der Tatverdächtige hatte sich nämlich fünf Tage vor der Tötung des Telekom-Mitarbeiters selbst bei der Polizei gemeldet und über ein angeblich im Straßenverkehr – von dem späteren Opfer – unerlaubt von ihm geschossenes Foto beklagt.
Darüber hinaus hatten kriminaltechnische Untersuchungen ergeben, dass die bei dem „Garagenmord“ verwendete Tatwaffe dieselbe gewesen ist, mit der am 21. Dezember 2022 ein Autoraub („Carjacking“) auf der Hellerstraße in Dortmund verübt worden ist.
Ein Porschefahrer war seinerzeit von einem Baumschnittarbeiten vortäuschenden Täter in gelber Warnweste angehalten und mit einer Schusswaffe bedroht worden. Bevor der Täter mit dem schwarzen Porsche Cayenne flüchten konnte, hatte er zur Verhinderung eines Notrufes das Handy des Überfallopfers auf den Boden geworfen und zwei Schüsse auf das Display abgefeuert.
Wie es hieß, wurden der späteren Festnahme des Pizzakuriers die Porscheschlüssel sichergestellt. Auch die doppelte Tatwaffe soll geladen in dessen Nordstadt-Wohnung gelegen haben.
Im Prozess ist der Pizzakurier jetzt auch wegen des bewaffneten Porsche-Raubs angeklagt.
Durch den Treffer bei der Funkzellenauswertung und den Beschwerdeanruf des 26-Jährigen, hatte sich herauskristallisiert, dass Auslöser für den „Garagenmord“ ein Verkehrsstreit gewesen sein könnte.
Am 2. März waren der Pizzakurier und das spätere Opfer laut Anklage an einer Kreuzung in der Nordstadt aneinandergeraten. Der Angeklagte soll sich von dem Telekom-Mitarbeiter unerlaubt fotografiert gewähnt und ihm deswegen bis zu seiner Dortmunder Arbeitsstelle gefolgt sein.
Foto-Löschung abgelehnt
Auf dem Parkplatz soll es zu einem Wortgefecht gekommen sein, der Telekom-Mitarbeiter sich von der Forderung des jetzt Angeklagten, das Foto sofort zu löschen, allerdings unbeeindruckt gezeigt haben.
Um nicht als Verlierer dazustehen, um sein Gesicht zu wahren und „aufgrund seines Hasses auf deutsche Staatsangehörige“, so die Anklage, soll der Pizzakurier sich daraufhin entschlossen haben, den Telekom-Mitarbeiter zu töten.
Wohnort ausgespäht
Am Vorabend der Tötung soll der Angeklagte den Wohnort des Telekom-Mitarbeiters ausgespäht und sich auch mit der Tiefgarage in der Bochumer Hustadt vertraut gemacht haben.
Als der Telekom-Mitarbeiter am 7. März gegen 8.12 Uhr zu seinem geparkten Audi ging, soll der Pizzakurier in der Nähe gelauert haben. Laut Mordanklage wartete er, bis der Telekom-Mitarbeiter in seinem Pkw saß und den Motor startete. Dann soll er aus seinem Versteck gekommen, eine Pistole (Typ Viking MP 446, Kaliber 9 Millimeter Luger) gezogen, von hinten um das Fahrzeug gelaufen und insgesamt sieben Schüsse abgefeuert haben. Die letzten zwei durch das bereits zerstörte Seitenfenster auf der Fahrerseite.
Mutmaßlicher Helfer aus Witten
Der Telekom-Mitarbeiter war praktisch sofort tot. Der Motor seines Audi TT soll danach noch stundenlang weitergelaufen sein, erst am Abend soll ein Zeuge aufmerksam geworden und die Polizei alarmiert haben.
Der Pizzakurier soll nach den tödlichen Schüssen einen Bekannten (29) aus Witten angerufen haben, damit dieser ihn aus Bochum abholt. Der Mann ist wegen Beihilfe zum Mord mitangeklagt. Laut Anklage soll er den Pizzakurier bereits vor der Bluttat – im Wissen um den Handyfoto-Streit – animiert haben, „das Problem endlich zu lösen“.

Die beiden Tatverdächtigen wurden am 24. Mai durch Spezialeinheiten der Polizei festgenommen.
Während der Pizzakurier seitdem durchweg in U-Haft sitzt, wurde der mutmaßliche Gehilfe (ebenfalls aus der Türkei stammend) vor wenigen Wochen vorerst aus der U-Haft entlassen. Sein Dortmunder Verteidiger Boris Strube: „Mein Mandant hat ja bereits bei der Polizei ausführlich Rede und Antwort gestanden. Und von Anfang an beteuert, mit dem Tötungsdelikt nichts zu tun zu haben.“
Lebenslange Haft droht
Im Rahmen einer Pressekonferenz hatte Staatsanwalt Philipp Rademacher im Mai bekanntgegeben, dass insbesondere die Observierungen zu Tage gefördert haben, dass bei der Tötung ganz offensichtlich auch „Wut und Ablehnung gegenüber deutschen Staatsbürgern“ eine Rolle spielte.
Für den Prozess vor dem Bochumer Schwurgericht sind vorerst 22 Verhandlungstage bis zum 1. Dezember anberaumt. Dem Pizzafahrer aus der Nordstadt droht im Falle einer Verurteilung wegen Mordes die Verhängung von lebenslanger Haft.
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