„Das ganze System ist massiv auf Kante genäht“, sagt Benjamin Gottstein. Der 38-jährige Dortmunder ist nicht nur Familienvater. Er hat auch sehr gute Einblicke in das „System Kita“.
Gottstein ist Vorsitzender der Kita-Elternschaft, die offiziell die Abkürzung „JAEB“ trägt, und den etwas sperrigen Namen „Jugendamtselternbeirat“. Dahinter steckt aber ein Netzwerk, das nicht etwa zum Jugendamt und der Stadt Dortmund gehört, sondern in dem Eltern sich austauschen und sich beim Vorstand melden.
Große Unterschiede zwischen Kitas
Vor allem eben, wenn etwas schlecht läuft. Und Gottstein weiß: Es läuft gerade vieles schlecht im System Kita. Viele Eltern würden sich bei ihm und seinen Vorstandskollegen melden und über Missstände berichten – vor allem über Personalknappheit.
Doch die sei eben nicht gleichmäßig auf alle Kitas verteilt. Es gebe große Unterschiede, erklärt Gottstein. „Eigentlich gibt es bei jedem Kita-Träger Probleme, etwas weniger vielleicht noch bei Elterninitiativen, wo die Mütter und Väter ohnehin stärker eingebunden sind, oder auch beim städtischen Träger Fabido.“

Mindestbesetzung gilt für alle
Warum ist das so? Grundsätzlich gelten doch für alle Kitas dieselben Regeln. Warum aber haben einige Kitas dann mit Personalengpässen stärker zu kämpfen als andere?
Zunächst einmal ist ein Grundsatz für alle verpflichtend: Während der Betreuungszeiten sollen jeder Gruppe „regelmäßig zwei pädagogische Kräfte“ zugeordnet sein, erläutert Juliana Stockheim als Sprecherin des NRW-Familienministeriums. Das sei die Mindestbesetzung. Und die müsse auch in Urlaubs- und Krankheitszeiten eingehalten werden.
Es gibt nicht nur Erzieher
Dabei ist zu beachten: Als „pädagogische Kräfte“ zählen zum einen „sozialpädagogische Fachkräfte wie Erzieherinnen, Heilpädagogen, Sozialarbeiter, Grundschullehrer oder vergleichbar qualifizierte Menschen“. Zum anderen fallen andere Fachkräfte darunter. Das können beispielsweise Gesundheits- und Krankenpfleger mit dem Schwerpunkt Kinderkrankenpflege sein.
Für jede U3-Gruppe muss grundsätzlich mindestens eine sozialpädagogische und eine weitere Fachkraft abgestellt werden. In Ü3-Gruppen sind die Anforderungen etwas niedriger: Hier sind nur eine sozialpädagogische Fachkraft und eine „Ergänzungskraft“ vonnöten. Ergänzungskräfte können unter anderem auch Kinderpfleger oder Heilerziehungshelfer sein.

Was kann und was muss?
Diese Regelung aus dem Kibiz (Kinderbildungsgesetz) gilt für alle Kitas als Mindestbesetzung. Und dann gibt es eine „Kann-Bestimmung“, die den Unterschied macht. Da geht es um Auszubildende und Studierende. Schon ab dem ersten Ausbildungsjahr können sie, so erläutert Juliana Stockheim für das Ministerium, zu 100 Prozent eine Ergänzungskraft ersetzen. Im zweiten Ausbildungsjahr könnte sie alternativ als 50-prozentige Fachkraft und im dritten Ausbildungsjahr alternativ als Fachkraft mit einer Zwei-Drittel-Stelle eingerechnet werden.
Diese Anrechnung von Auszubildenden und Studierenden beim Berechnen des Personalbedarfs einer Kita ist also rechtens. Die meisten Kitas verfahren auch so. Dazu zählen beispielsweise die 52 Kitas des Gemeindeverbandes Katholischer Kirchengemeinden Ruhr im Raum Dortmund und die 69 Kitas des Evangelischen Kirchenkreises. Entsprechend der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten halte man den Mindestpersonalschlüssel ein, heißt es auf Anfrage von beiden Trägern. Mehr könne man sich angesichts der Kibiz-Finanzierung nicht leisten.
Rechnung ohne Azubis
Von der Caritas, die in Dortmund 12 Kitas unterhält, heißt es, Auszubildende würden nur „in Ausnahmefällen“ in die Berechnung einbezogen.
Grundsätzlich anders sieht es bei den 99 städtischen Fabido-Kitas in Dortmund aus. „Bei Fabido rechnen wir Auszubildende nicht an“, sagte Geschäftsführer Daniel Kunstleben unserer Redaktion. Und das sind aktuell immerhin 345 Auszubildende. Kunstleben räumte ein: „Das können sich viele Arbeitgeber aber nicht leisten. Wir können es uns leisten, weil die Politik bei der Fabido nicht anders verfährt als bei anderen städtischen Auszubildenden.“ Grundsätzlich würden Auszubildende nicht, auch nicht in Anteilen, in die Personalbedarfs-Rechnung einbezogen, sagt Kunstleben.
Das verschafft den Fabido-Kitas ein gewisses Polster. Da Auszubildende nicht als Ergänzungs- oder Fachkräfte einberechnet werden, das aber rechtlich erlaubt ist, können sie die Lücken stopfen, die beispielsweise durch Krankheitsfälle gerissen werden. Zudem sei es bei 99 Kitas durchaus üblich, dass entstandene Lücken in einer Kita durch Personal aus einer anderen Kita ausgeglichen würden, sagt Kunstleben.
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