Streitthema Kinderwunsch Paartherapeutin Jennifer Angersbach gibt Tipps zur Familienplanung

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Die alte Vorstellung, dass zu einem glücklichen und erfolgreichen Leben auch die Gründung einer Familie gehört, ist längst überholt. Nicht jeder möchte Kinder bekommen. Und manch einer entwickelt den Wunsch nach Familie erst spät. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Für eine Beziehung jedenfalls, sind unterschiedliche Vorstellungen beim Thema Familienplanung belastend. Paartherapeutin Jennifer Angersbach weiß, welche Probleme auf Paare zukommen und wie Konflikte lösbar sind.

Vor dem ersten Gespräch gibt es wahrscheinlich die größte Hemmschwelle: Die einen würden sagen, dass man über das Thema Kinder erst reden sollte, wenn man sich länger kennt. Andere möchten beim Kennenlernen schon abklopfen, ob der potenzielle neue Partner grundsätzlich Interesse an Familienplanung hat. Gibt es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt, über das Thema zu sprechen? Und wenn ja, wann ist dieser?

In der Frage steckt so viel mehr, als lediglich der richtige Zeitpunkt, um über Familienplanung zu sprechen: nämlich die vielen Ängste, Zweifel und Verunsicherungen unserer Zeit. Ja, die Argumente, nicht direkt beim ersten Date über einen Kinderwunsch zu sprechen, sind nachvollziehbar: Die Frage kann überfordern, das Gegenüber könnte sich unter Druck gesetzt fühlen und man würde damit ja auch suggerieren, dass man eventuell schon unglaublich viel Interesse hat. Menschen, die davon abraten, suggerieren somit, dass man bitte gefallen muss, sich anpassen muss und auch irgendwie auf das Gegenüber achten muss und sich selbst sollte man also zurücknehmen.

Das Problem unserer Zeit ist, dass Selbstfürsorge rasch als egoistisch gilt, Eigenlob stinkt, man sich und seine Bedürfnisse bitte hinten anstellen sollte. Und überhaupt muss man was tun, um geliebt zu werden. Vollkommener Quatsch!

Wenn ich weiß, dass ich in jedem Fall Kinder möchte, dann kann ich das durchaus in mein Online-Dating-Profil schreiben oder beim ersten Date benennen. Ebenso, wenn ich das für mich kategorisch ausschließe. Wenn ich vegan lebe und mir langfristig jemanden wünsche, der sich zumindest vegetarisch oder vegan ernährt, weil Fleischkonsum so gar nicht zu meinem Lebensstil passt, dann sage ich das auch direkt und ja, das wird einige abschrecken, vermutlich die, die gern Fleisch essen.

Wenn man die Karten nicht von Anfang an auf den Tisch legt, birgt das zu einem späteren Zeitpunkt mit Sicherheit viel Streitpotenzial. Etwa, wenn es um den richtigen Zeitpunkt für das erste Kind geht – oder die Frage, ob man noch weitere bekommen möchte. Wie gehen Paare damit um?

Selbst für die Einzelperson ist die Frage nach dem „richtigen Zeitpunkt“ mit verschiedenen Dilemmata verbunden: Ich wäre gerne eine junge Mutter, aber möchte meinem Kind auch etwas bieten können, also sollte ich vielleicht erstmal Studium/Ausbildung fertig haben. Und ein fester Vertrag wäre wichtig. Oder auch die Frage, ob man überhaupt schon in der Lage ist, diese Verantwortung zu tragen, ist man das jemals? Bin ich fähig, ein guter Vater oder eine gute Mutter zu sein?

Selbstunsicherheit kann zu noch mehr Streit führen

Und wenn man selbst unsicher ist und das Gegenüber dann auch noch eigene Unsicherheiten mit in das Gespräch bringt, ist das Konfliktpotenzial hoch. Oder aber, wenn einer eben für sich einen konkreten Plan hat und das Gegenüber davon abweicht oder eine andere Vorstellung hat. Hier ist es wichtig zu versuchen, einander zu verstehen, um etwaige Ängste und Sorgen genau betrachten zu können, diese ernst zu nehmen und einander zu beruhigen, statt einen faulen Kompromiss zu schließen, indem sich einer/eine übergangen fühlt. In dem Fall kann es langfristig zu existentiellen Konflikten führen: „Du wolltest doch die Kinder, also beschwer Dich nicht!“ Oder auch: „Wegen Dir habe ich bisher kein Kind und jetzt, wo wir es probieren wollten, bist Du nicht mehr sicher, ob Du mich noch liebst?“

Diesen Konflikt zu überwinden, sorgt für Sicherheit und Stabilität. Beides ist notwendig für das, was dann eben auf das Paar zukommen kann: Unerfüllter Kinderwunsch über Monate und Jahre, das erste Babyjahr, in dem der Fokus auf dem ‚Bündel an Bedürfnissen‘ liegt und es nicht selten zu Distanz zwischen dem Paar kommt, aufgrund eigener unerfüllter Bedürfnisse (Unterstützung, Anerkennung, Nähe, Zweisamkeit…) oder auch Konflikte hinsichtlich der Erziehung.

Wie sollten wir damit umgehen, wenn in einer Partnerschaft grundsätzlich ganz verschiedene Vorstellungen von der Zukunft bestehen. Angenommen ein Partner möchte unbedingt Kinder, der andere auf gar keinen Fall. Sind solche Beziehungen zum Scheitern verurteilt?

Es kommt durchaus auf die persönlichen Gründe an, die für oder gegen ein Kind sprechen, manchmal geht es schlichtweg darum, dass man ein Kind möchte oder eben nicht. Wenn sich da beide sicher sind, ist ein Kompromiss nicht möglich und eine/r der beiden müsste sich, aus meiner Sicht, zu sehr beschneiden, was langfristig zu immer mehr Frust führt und oft in Vorwürfen und Schuldzuweisungen endet.

Gleichzeitig ist eine Beziehung mit einem Konflikt bezogen auf die Familienplanung nicht per se zum Scheitern verurteilt, insbesondere dann nicht, wenn sich in den Gründen für oder gegen ein Kind noch andere Motivationen verstecken: Es gibt Menschen, die wünschen sich zwar ein Kind, aber haben Sorge, dieser Aufgabe nicht gerecht werden zu können und sagen daher, dass sie kein Kind in die Welt setzen möchten. Hier kann es helfen, genauer hinzuschauen. In dem Fall ist das Problem nämlich nicht der fehlende Kinderwunsch.

Aber auch der Wunsch nach einem Kind, kann durch einen Mangel unabhängig vom Kinderwunsch motiviert sein: Manche glauben, sie könnten mit einem Kind Schwung in ihre Ehe bringen, die Beziehung verbessern oder wollen jemanden durch ein Kind an sich binden, aufgrund von Verlustängsten. Wenn das aufgearbeitet und verstanden wird, dann ist die Entscheidung „dafür oder dagegen“ gar kein fauler Kompromiss, sondern das Resultat der Selbstaktualisierung, durch die Aufarbeitung eigener Themen.

Fazit

Es lohnt sich genau zuzuhören, die Gründe und Ängste zu beleuchten und sich gemeinsam als Paar mit Verständnis und Akzeptanz zu begegnen, sodass beide sicher genug sind auch das auszusprechen, was sie denken, fühlen und sich wünschen.

Akzeptanz bedeutet nicht, dass man etwas gut finden muss oder sich damit abfinden muss. Akzeptanz bedeutet, dass man den Anderen versteht und akzeptiert, um dann eine Entscheidung für die Beziehung und manchmal eben auch gegen die Beziehung und für sich selbst und den eigenen Kinderwunsch zu treffen. Und hier wird nochmal unterstrichen, wie wichtig es ist, sofern man genau weiß, dass man sich Kinder wünscht oder diese kategorisch ausschließt, das auch zu Beginn zu benennen.

Und falls man das selbst noch gar nicht weiß, dann ist das auch okay. Wann andere Vorstellungen und Wünsche zum No-Go werden, darf jeder für sich selbst entscheiden. Ob das nun der Fleischkonsum ist, die politische Einstellung oder ein (nicht vorhandener) Kinderwunsch.