Die Milliarden-Firma aus Dortmund, die kaum einer kennt Mit Getränken an die Weltspitze

KHS in Wambel: Die Milliarden-Firma, die kaum jemand kennt
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Andreas Borchert schreitet durch eine der Fertigungshallen von KHS an der Juchostraße in Dortmund-Wambel. KHS baut individuelle Abfüllanlagen für Getränke. Das Gelände umfasst rund 113.000 Quadratmeter, 65.000 davon allein für die Produktion. Erst 2019 baute das Unternehmen auf einer Fläche von 4.300 Quadratmeter die neue Fertigungshalle, durch die Borchert gerade läuft. Auch wenn es sich bei KHS um ein über 150 Jahre altes Traditionsunternehmen handelt: Die Transformation in die Zukunft hat hier längst begonnen.

Borchert ist Produktcenter-Leiter, gehört also zu den Führungskräften in der großen Halle. Wie umfangreich die Produktionsprozesse hier sind, zeigt die Blechfertigung. Was nach funkensprühenden Maschinen und rot glühendem Metall klingt, an denen schweißgebadete Arbeiter stehen, ist heute eine von künstlicher Intelligenz gesteuerte Anlage, die die Bleche auf den Millimeter genau zuschneidet und bohrt.

„Wir produzieren alle Spezialteile für unsere Anlagen zur Getränkeabfüllung, die wir weltweit verkaufen, selbst“, sagt der 57-jährige Borchert. 190 der 1300 Beschäftigten in Dortmund arbeiten etwa an Fräsmaschinen mit hochpräzisen Lasern. „Die Teile-Vielfalt bei uns ist extrem. Wir kümmern uns um jedes Teil selbst, weil wir kein Seriengeschäft haben. Ob Flaschen oder Etiketten: Jeder Kunde möchte sie anders haben. Jede Abfülllinie wird daher von uns individuell gefertigt“, sagt der Produktcenter-Leiter.

KHS mit über 80 Millionen Euro Gewinn

Während bei Autoherstellern wie Volkswagen oder dem Stahlunternehmen Thyssenkrupp Steel tausende Arbeitsplätze abgebaut werden, investiert KHS Millionen in neue Maschinen und Anlagen. Wulf-Christian Ehrich, Vize-Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, sagt: „KHS ist ein hervorragendes Beispiel für ein Industrieunternehmen am Standort Dortmund, das auch weltweit gut aufgestellt und erfolgreich ist.“

Ein Mitarbeiter von KHS arbeitet an einer Maschine in Dortmund.
Ein Mitarbeiter von KHS arbeitet an einer Maschine in Dortmund. © KHS/Frank Reinhold

Wie gut es bei KHS läuft, zeigt der Geschäftsbericht des Salzgitter Konzerns. KHS ist eine Tochterfirma des von der Wirtschaftskrise schwer betroffenen, börsennotierten Stahlkonzerns Salzgitter, mit Sitz in der gleichnamigen Stadt. Im Geschäftsbereich „Technologie“ ist der Maschinenbauer KHS eines von drei Unternehmen im Konzern. 90 Prozent des Umsatzes im Geschäftsbereich „Technologie“ kommen von KHS.

Über 1,6 Milliarden Euro hat KHS 2024 umgesetzt. Das ist fast so viel, wie der gesamte Technologie-Bereich im Salzgitter-Konzern im Jahr davor eingenommen hat. Zudem hat KHS laut Geschäftsbericht dazu beigetragen, die Gewinne im Technologie-Bereich zu erhöhen. Geht man davon aus, dass auf KHS auch 90 Prozent des Gewinns vor Steuern und Zinsen zurückgehen, hätte der Maschinenbauer rund 86 Millionen Euro zum Jahresgewinn 2024 im Bereich Technologie beigetragen.

Klimaschutz spart KHS-Kunden „bares Geld“

Und das Geschäft von KHS spielt sich auch lokal in Dortmund ab. Bei der Radeberger-Gruppe in der Nordstadt werden mit den KHS-Anlagen zig Tausende Flaschen pro Stunde befüllt. Dabei gehören Ressourcenschonung und Umweltschutz zu dem wesentlichen Wachstumstreiber von KHS: „Wir konnten zum Beispiel das Gewicht für eine 0,5-Liter-Einweg-PET-Flasche für kohlensäurehaltige Getränke seit 2001 um bis zu 70 Prozent senken“, sagt Florian Lerche, der Director Corporate Development bei KHS.

Kai Acker ist einer der Geschäftsführer des weltweit tätigen Unternehmens KHS aus Dortmund.
Kai Acker ist einer der Geschäftsführer des weltweit tätigen Unternehmens KHS aus Dortmund. © KHS GmbH

Statt 24 Gramm pro PET-Flasche wiegen diese heute nur noch bis zu 9,8 Gramm. Neben dem Umweltaspekt hat das auch finanzielle Auswirkungen auf die Kunden, sagt Lerche: „Bei einer Produktion von bis zu 72.000 Flaschen pro Stunde bedeutet jedes eingesparte Gramm bares Geld für unsere Kunden.“ Insgesamt zwei Drittel des gesamten Geschäfts macht KHS außerhalb der EU.

Doch so gut wie derzeit lief es nicht immer. 2015 hatte KHS im internationalen Preiskampf etwa Probleme. Um sich als einer der weltweit führenden Hersteller von Getränkeabfüllanlagen zu behaupten, sei eine Automatisierung notwendig gewesen, sagt Andreas Borchert: „Mit den alten Anlagen waren wir in keinster Weise mehr wettbewerbsfähig, da in vielen anderen Ländern die Lohnkosten deutlich niedriger sind.“

KHS investiert Millionen in neue Maschinen

Ein Beispiel für die Innovationen, zeigt der Produktcenter-Leiter mit einer Maschine, die ein Edelstahl-Blech in die richtige Position rückt. Die Schnitte werden so gewählt, dass das Blech optimal genutzt wird. Dann schneidet der Laser in hohem Tempo die Bleche zu und brennt Löcher hinein. Mit Max Steinbart steht ein 20-jähriger Kollege an der Maschine. Der Zerspanungsmechaniker überwacht die Arbeit an einem Display, das an die Komplexität eines Flugzeug-Cockpits erinnert.

Blick in eine der Produktionshallen von KHS in Dortmund. Das Unternehmen hat einen hohen Automatisierungsgrad erreicht. An der Juchostraße sind etliche computergesteuerte Maschinen im Einsatz.
Blick in eine der Produktionshallen von KHS in Dortmund. Das Unternehmen hat einen hohen Automatisierungsgrad erreicht. An der Juchostraße sind etliche computergesteuerte Maschinen im Einsatz. © KHS/Frank Reinhold

Seit 2010 ist Andreas Borchert mittlerweile bei KHS und seither in seiner Führungsposition. In den vergangenen Jahren hat er auch das enorme Wachstum des Unternehmens miterlebt und sagt: „Zum Wachstum beigetragen hat, dass konstant in neue und moderne Fertigungsanlagen investiert wurde und weiterhin investiert wird. Durch die eigene Fertigung kann die KHS schnell auf Kundenanforderungen reagieren, ohne von externen Zulieferern abhängig zu sein.“

Um mehr und schneller produzieren zu können, investiert KHS in Dortmund auch weiter. Andreas Borchert zeigt auf eine leere Fläche am Ende der Fertigungshalle: „An diesen Platz kommt 2025 noch ein neues CNC-Bearbeitungszentrum für rund 1,6 Millionen Euro.“ Bereits im vergangenen Jahr wurden mehrere neue Maschinen für insgesamt 3 Millionen Euro angeschafft. Statt großem Stellenabbau gibt es hier Investitionen.

KHS: früher Holstein & Kappert

Doch das milliardenschwere Unternehmen KHS ist in Dortmund kaum jemandem ein Begriff, obwohl der Maschinenbauer zu den traditionsreichsten Unternehmen gehört. Es waren Carl Kappert und sein Schwiegersohn Louis Holstein, die 1868 damit begannen, die Brauereien mit technischem Gerät und später mit automatischen Flaschen-Reinigungsanlagen zu beliefern. Ihre Namen gehören zum kollektiven Gedächtnis der Stadt. Holstein & Kappert wurde eine Firma mit Weltrang.

Die KHS GmbH, in der Holstein & Kappert (H & K) später aufgegangen ist und die bundesweit über 3000 Menschen beschäftigt, hat sich als einer der Branchenführer behauptet. Die neue Firmenstruktur zeichnete sich seit 1977 ab, als die Klöckner-Werke AG mit 25 Prozent bei Holstein & Kappert einstieg. Im Bestreben, der Getränkeindustrie alles aus einer Hand anzubieten, kam es unter den Maschinenbauern ab den Achtzigerjahren zu Zusammenschlüssen und Übernahmen.

Die Automatisierung spielt bei KHS in Dortmund seit Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Die Automatisierung spielt bei KHS in Dortmund seit Jahren eine immer wichtigere Rolle. © KHS/Frank Reinhold

1986 folgte die Fusion mit der SEN. Hinter SEN verbargen sich die 1982 fusionierten Seitz-Werke und die Enzinger-Union-Werke. Seitz und Enzinger und später die fusionierte SEN waren über Jahrzehnte Hauptkonkurrenten von Holstein & Kappert (H & K). Dann gehörten sie zusammen, was sich ab 1993 im Namen widerspiegelt: H & K und SEN verschmolzen unter dem Dach der Klöckner-Werke AG zur Klöckner Holstein Seitz AG (KHS) mit Sitz in Dortmund.

KHS rechnet auch 2025 mit Wachstum

Die Salzgitter AG erwarb dann 2007 die Mehrheitsbeteiligung an den Klöckner-Werken. 2010 wurde die KHS AG in eine GmbH umgewandelt, um vollständig in den Salzgitter-Konzern integriert zu werden. Ob KHS im Salzgitter-Konzern bleibt, ist aber unklar. Der Bauunternehmer Günter Papenburg und das Recyclingunternehmen Remondis hatten ein Angebot für Salzgitter vorgelegt. Das Manager-Magazin berichtete Ende Januar 2025, dass zum Plan der Salzgitter-Übernahme gehöre, KHS zu verkaufen.

Diese Reinigungsmaschine in der Fertigungshalle von KHS in Dortmund ist 12 Meter lang und 5 Meter hoch. Für den Transport und die Installation beim Auftraggeber wird sie nach einem Probelauf und Qualitätscheck wieder in Einzelteile zerlegt.
Diese Reinigungsmaschine in der Fertigungshalle von KHS in Dortmund ist 12 Meter lang und 5 Meter hoch. Für den Transport und die Installation beim Auftraggeber wird sie nach einem Probelauf und Qualitätscheck wieder in Einzelteile zerlegt. © KHS/Frank Reinhold

Doch auch wenn noch nicht klar ist, wie die Zukunft für KHS genau aussieht: Das Unternehmen wächst und investiert derzeit als eines von wenigen Industrieunternehmen auch in sein Deutschland-Geschäft. Aller Wandel in der Gesellschafterstruktur der vergangenen Jahrzehnte veränderte nicht den Expansionsdrang von KHS und damit den Zukauf von Firmen, die das Portfolio des Unternehmens stärken.

Egal ob es Spezialisten für Etiketten- und Reinigungsmaschinen oder solche für den Umgang mit PET-Flaschen sind. Heute produziert KHS in Deutschland an fünf Standorten. Der Salzgitter-Konzern erwartet auch für 2025 profitables Wachstum: „Insbesondere für die KHS-Gruppe erwarten wir aufgrund des qualitativ guten Auftragsbestandes im Projektgeschäft und des weiterhin fokussierten Wachstums im Service-Geschäft eine Fortsetzung der positiven Entwicklung der letzten Jahre.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. April 2025.