
© Helmut Kaczmarek
Der Feuerteufel im Dortmunder Westen schlägt vor allem in zwei Stadtteilen zu
Kellerbrände
Im Dortmunder Westen geht ein Feuerteufel um: 23 Kellerbrände hat es seit März gegeben. Vom Täter keine Spur. Wie weit die Polizei ist und wo und wann es am häufigsten brannte – eine Analyse.
Es ist ein unheimliches, ein Angst machendes Gefühl: Während man im Bett liegt und schläft, legt jemand ein Feuer im Keller, das beginnt zu lodern, Rauch steigt auf und breitet sich im Treppenhaus aus.
So in etwa muss jeder der 23 Kellerbrände angefangen haben, wenn man die Einsatzmeldungen der Polizei und Feuerwehr liest. Wie genau der Täter vorgegangen ist, dazu macht die Polizei keine Angaben. Aus ermittlungstaktischen Gründen, wie sie sagt. Man könne bei dieser Frage „nicht ins Detail gehen“, da ansonsten Täterwissen preisgegeben werde.

Starker Rauch stieg im August aus einem Keller am Steinfurtweg in Kirchlinde auf. Bei dem Kellerbrand in einem mehrgeschossigen Vonovia-Haus musste kurzzeitig auch die Elektrik abgeschaltet werden. © Helmut Kaczmarek
Zu vielen Fragen darf die Polizei nichts sagen
Das gilt auch für viele weitere Fragen, die wir der Polizei gestellt haben. Und die sich sicher auch Bewohner des Dortmunder Westens stellen: Sind es einer oder mehrere Täter? Gibt es ein Täterprofil? Warum schlägt der Feuerteufel nur im Westen zu? Das alles muss unbeantwortet bleiben, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.
Was darüber hinaus bekannt ist und was auffällt, haben wir zusammengestellt:
DIE SERIE
Es startete zeitgleich mit dem ersten Corona-Lockdown: Am Freitag, 13. März, gegen 3.30 Uhr wurde die Feuerwehr zu einem Kellerbrand in der Haumannstraße in Marten gerufen. Dort war Feuer im Keller eines dreigeschossigen Hauses ausgebrochen. Gerümpel brannte, für die Mieter ging es noch glimpflich aus: Sie mussten nur kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen, verletzt wurde niemand.
Zwei Tage später brannte es schon wieder, dieses Mal in Lütgendortmund, im April dann in Kirchlinde, auch im Juni brannten Keller und schließlich, Anfang Juli, nach bis dahin zehn Bränden, zog die Polizei Bilanz: Bei jedem einzelnen Feuer ermittele sie wegen Brandstiftung, hieß es. Und es werde untersucht, ob Zusammenhänge bestehen.
Mittlerweile gibt es 23 Brände. Und die Polizei bezeichnet die Serie auf Anfrage als „auffällig“. „Eine vergleichbare Serie ist nicht bekannt“, heißt es. Das bedeutet: Es ist sehr beispiellos für Dortmund, was die Bewohner des Westens seit Monaten in Atem hält.

Anfang Juli brannte es in einem viergeschossigen Gebäude in der Speckestraße in Bodelschwingh. © Helmut Kaczmarek
Bei der Feuerwehr dagegen habe man gar nicht die Serie im Kopf, wenn man zu einem Kellerbrand rausfahre, sagt Sprecher Oliver Körner. Er erklärt: „Wir betrachten jeden Brand einzeln, wir wollen das Feuer löschen, Personen retten.“ Allerdings gibt Körner zu: Nach einem Kellerbrand-Einsatz überlege man schon, dass es beispielsweise von der Uhrzeit her wieder „passen könnte“.
ZEITPUNKT DER TATEN
Fast immer schlug der Feuerteufel in der Nacht zu. Meistens wurde die Feuerwehr zwischen 1 und 5 Uhr alarmiert.* Nur bei zwei Feuern war es schon hell, als der Löschzug eintraf. Die Polizei sagt dazu: Es sei generell anzunehmen, dass Täter den Schutz der Dunkelheit nutzen. Nachts schlafen die meisten Bewohner, sodass ein Täter oftmals unentdeckt bleibe.
Vorsichtsmaßnahmen
Polizei und Vonovia geben folgende Tipps, um es dem Feuerteufel so schwer wie möglich zu machen:- Kellertüren verschlossen halten
- Keine Gegenstände im Keller lagern, die schnell entflammbar sind
- Die Haustür geschlossen halten, nicht auf „Schnapper“-Funktion
- Zugangstüren zu Kellerräumen verschließen
- Wenn es klingelt: Darauf achten, wer ins Haus kommt (Gegensprechanlage nutzen)
- Fremde Personen im Hausflur ruhig ansprechen und eventuell zum Verlassen des Hauses auffordern
- Bei verdächtigen Beobachtungen die Polizei unter 110 rufen
BETROFFENE STADTTEILE
Der Feuerteufel wütet im Dortmunder Westen – aber längst nicht überall gleich oft. Am weit häufigsten brannte es in Lütgendortmund (neun Mal), gefolgt von Kirchlinde (sechs Mal). Andere Stadteile waren höchstens ein- oder zweimal betroffen, wie zum Beispiel Marten, Westrich, Kley oder Bodelschwingh.
DIE TATORTE
Es brannten fast ausnahmslos Keller in Mehrfamilienhäusern: vom Sechs-Parteien-Haus bis zum sechsgeschossigen Mehrfamilienhaus in Kirchlinde (Steinfurtweg). Häuser mit vielen Mietwohnungen böten einem Täter mehr Anonymität, so die Polizei. Und einen leichteren Zugang: In Mehrfamilienhäusern stünden Haustüren eher offen als in Einfamilienhäusern, so die Erfahrung der Ermittler.
Die Häuser, in denen es brannte, waren alle bewohnt. Eine Ausnahme gab es: Am Sonntag, 4. Oktober, brannte es in der Egilmarstraße in Kirchlinde. Das zweigeschossige Haus stand aber leer.

Ein Brand, der etwas anders ist als die anderen Brände: Anfang Oktober rückte die Feuerwehr zu einem Kellerbrand in der Egilmarstraße in Kirchlinde aus. Das Ungewöhnliche: Es war schon hell und das Haus unbewohnt. © Helmut Kaczmarek
Und am Sonntag, 11. Oktober, musste die Feuerwehr zu einem nicht genutzten Vereinsheim in der Ostholzstraße in Lütgendortmund ausrücken. Dort stand das Dach einer Umkleide in Flammen. Eigentlich untypisch für die Serie. Trotzdem nahm die Polizei nach dem Brand kurzzeitig zwei Tatverdächtige in Gewahrsam und brachte sie in Verbindung mit der Kellerbrand-Serie. Sie wurden allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt – mangels dringenden Tatverdachts. Bis heute gibt es offenbar keine heiße Spur.
DER TÄTER/DIE TÄTER
Ende Oktober sagte Polizeisprecher Gunnar Wortmann, dass möglicherweise mehrere Täter zusammenarbeiteten. Auf erneute Nachfrage bei der Polizei wollte sie sich aber nicht mehr dazu äußern, ob man von einem oder mehreren Tätern ausgeht.
Auch die Frage danach, was den Täter antreibt, beantwortet die Polizei nur allgemein. So gebe es vielschichtige Motive für Brandstiftungen: „Sie reichen von psychischen Störungen, Erlangung von finanziellen Vorteilen, bis hin zu Beziehungsdelikten.“
Der bekannte Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke vermutet einen Einzeltäter hinter den Feuern. Eine Bande ginge anderes vor, würde mehr Brände parallel legen, sagte er im Sommer im Gespräch über die Brandserie. Serientäter wie der Feuerteufel fühlten sich als Versager. Durch ihre Taten wollten sie Allmacht spüren. Sie seien gefährlich, schließlich nähmen sie den Tod von Menschen in Kauf, so Lüdke.
DER SCHADEN UND DIE OPFER
Abgesehen vom Sachschaden, den jedes der 23 Feuer hinterlassen hat, waren immer Dutzende Menschen betroffen. Menschen, die noch in den Gebäuden waren, wenn der Rauch das Treppenhaus raufstieg. Manchmal konnten sie sich selbst ins Freie retten, manchmal brachte die Feuerwehr sie mit Fluchthauben nach draußen und dann wieder war die Verrauchung schon so stark, dass sie über Leitern ins Freie gebracht werden mussten.
So zum Beispiel beim Brand im April in Kirchlinde, als zehn Personen von Balkonen geholt wurden. Drei kamen damals mit Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Beim Brand im Oktober am Lütgendortmunder Hellweg kamen sechs Bewohner ins Krankenhaus.
Lebensgefährlich verletzt worden oder gar ums Leben gekommen ist bisher niemand. Ob das pures Glück ist oder der Täter seine Brände bewusst so legt, dass möglichst alle Bewohner gerettet werden können, dazu möchte die Polizei sich nicht äußern.

Holm Rajewski konnte in der Nacht auf den 19. August nicht gut schlafen. Für die Bewohner des Hauses in Kley war das ein großes Glück: So bemerkte Rajewski das Feuer im Keller des Hauses und konnte es löschen. © Beate Dönnewald
Laut Feuerwehr ist bisher noch nichts Schlimmeres passiert, weil alle Brände früh entdeckt worden seien und die Feuerwehr sie daher schnell hat löschen können. Manchmal hilft auch der Zufall: So hat bei dem einzigen Brand, den es bisher in Kley gab, ein Bewohner das Feuer selbst gelöscht. Der Mann konnte nicht schlafen und hatte daher den Rauch früh bemerkt.
DIE ERMITTLUNGEN
Die Polizei hat für die Brandserie eigens eine Ermittlungskommission eingerichtet. Sie überprüfe jeden Einzelfall und versuche Verbindungen herzustellen, heißt es. Nachts sind Beamte in den betroffenen Stadtteilen unterwegs – mitunter auch verdeckt und somit nicht unbedingt sicht- und wahrnehmbar.
Mitte August hat sich die Polizei mit einem großen Zeugenaufruf an die Öffentlichkeit gewandt. Auch haben Polizei und Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 3000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ermittlung oder Ergreifung eines Täters führen (Hinweise an: 0231/132-7441). Laut Polizei sind bislang „einige Hinweise“ eingegangen. Zum Täter haben sie nicht geführt. Bislang jedenfalls.
Und so könnten noch mehr Keller brennen.
* Die Polizei gibt keine Liste der Brände heraus, die sie zu den 23 Bränden der Serie zählt. Zur Grundlage unserer kleinen Auswertung haben wir alle 23 Kellerbrände gemacht, die es seit März im Dortmunder Westen gab und bei denen von Brandstiftung ausgegangen wird.
Ist fürs Journalistik-Studium vor 20 Jahren nach Dortmund gezogen und hat danach jahrelang in der Nachrichtenredaktion gearbeitet. Lebt schon lange im Dortmunder Westen und freut sich, hier und in Castrop-Rauxel auch journalistisch unterwegs zu sein.
