Karstadt-Schließung Tag eins nach der Hiobsbotschaft - Ins Entsetzen mischt sich Erleichterung

Karstadt-Schließung: „Wir können es nicht ändern, was jetzt geschieht“
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Karstadt-Kunden sind geduldig: Eine Viertelstunde, bevor das Kaufhaus am Westenhellweg am Dienstag (14.3.) um zehn Uhr seine Pforten öffnet, wartet ein knappes Dutzend Menschen vor dem Haupteingang. Es ist der erste Tag nach der Ankündigung der Schließung des Dortmunder Hauses zu Ende Januar 2024 - am Montagnachmittag blieb das Haus geschlossen, weil die Belegschaft über das weitere Vorgehen in einer Betriebsversammlung informiert wurde.

Das Aus hat viele Kundinnen und Kunden, die hier warten, schockiert. Sie sind aus dem ganzen Stadtgebiet angereist, um bei Karstadt einzukaufen - oder sich einfach nur mit Freunden zum Frühstücken zu treffen. So wie Hildegard Kloßek aus Hörde: "Wir treffen uns mit unserer Gruppe heute im Restaurant im Obergeschoss." Ein liebgewonnenes Ritual. Sie hofft trotz allem, dass das Kaufhaus eine Zukunft hat: "Die Umsätze sollen ja stimmen, die Miete ist angeblich nur nicht zu stemmen."

Eine Kundin ist aus Huckarde angereist, sie shoppt hier gern Textilien. Und ein Kunde kommt aus der Nordstadt: Lotto Millionär Kürsat "Chico" Yildirim, der sich geduldig in die Schar eingruppiert. Der Dortmunder, der 2022 fast zehn Millionen Euro im Lotto gewonnen hat, will seinen Philipp Plein-Gürtel beim Schuh- und Schlüsseldienst reparieren lassen.

Als sich die Türen öffnen, verlieren sich die wartenden Kunden auf den 21.000 Quadratmetern Fläche. Das Restaurant im vierten Stock füllt sich schnell, in der Markthalle im Untergeschoss schüttet Nikolaus Glocke leise singend Eis auf den frischen Fisch im Bistro.

Seit 27 Jahren hat er hier am Westenhellweg gearbeitet - 15.000 Fischsuppen zu 8,95 Euro gehen jährlich über seinen Tresen. "Das sind so viele Gäste, wie in ein kleines Fußballstadion passen", sagt er. Auch Lotto-Millionär Chico ist ein Fan.

"Einen guten Job gemacht"

Nikolaus Glocke ist glänzender Laune - obwohl auch er voraussichtlich Ende April seine Kündigung erhalten wird: "Ich freue mich wirklich, dass diese Hängepartie vorbei ist. Das konnte ja keiner mehr aushalten. Was soll ich mich grämen? Jetzt ist Zeit für etwas Neues!" Er hat schon einen neuen Job in Aussicht und hofft, dass er bald einen Vertrag unterschreiben kann.

Auf einer Tafel in den Karstadt-Markthallen wird Fischsuppe angeboten.
Ein beliebter Klassiker: die Fischsuppe im Bistro in den Karstadt-Markthallen. © Thanscheidt

Es gebe derzeit genug Jobs. "Ich könnte Altenpfleger oder Streetworker werden, aber ich möchte in der Gastro bleiben." Möglichst früh in Rente zu gehen, sei für ihn keine Option. Nicht jede und jeder der 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilt seinen Optimismus. Aber die meisten sind froh, dass es nun Gewissheit gibt - nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

"Ich kenne das schon, ich habe zuvor in einem Karstadt-Haus in einer anderen Stadt gearbeitet, das geschlossen wurde", sagt eine Verkäuferin. "Wir haben einen guten Job gemacht, wir können es nicht ändern, was jetzt geschieht." Die Hängepartie für die Mitarbeiter mit immer neuen Schließungs-Ankündigungen und staatlichen Finanzspritzen dauerte nun schon seit April 2020.

"Natürlich sind wir auch am Tag nach dieser Hiobsbotschaft für unsere Kunden da. Müssen wir ja", sagt eine andere Verkäuferin. Seine Stammkundschaft wird Nikolaus Glocke auch vermissen - "vor allem die Älteren, die sehr oft zu uns kamen. Aber schauen Sie sich doch hier mal um: Hier wurde seit 19 Jahren nichts mehr investiert, das atmet den Charme der 80er Jahre. Vielleicht hat sich das Konzept Warenhaus auch einfach überlebt."

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